"Warum einen neuen Fußball spielen?"

Von Interview: Michael Graßl
Ingolstadts Pascal Groß erzielte im Aufstiegsjahr sieben Tore und bereitete 22 weitere vor
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SPOX: Die Bundesliga ist für Sie kein unbekanntes Terrain, für Hoffenheim durften Sie schon ein paar Minuten reinschnuppern. Zum Durchbruch hat das aber nicht gereicht. Im Vorjahr sind Sie zu einem der besten Spieler der 2. Liga gereift und wurden mit einigen Bundesligisten in Verbindung gebracht. Haben Sie sich mit diesen Anfragen beschäftigt?

Groß: Ganz ehrlich, nein. Als sich der Aufstiegskampf zuspitzte, bin ich zu meinem Berater gegangen und habe gesagt, dass ich nichts wissen und nichts hören will. Mein Berater hat mich darin sogar bestärkt und meinte, dass er das super findet. Dann haben wir das so beibehalten. Als wir dann aufgestiegen waren, habe ich keine einzige Sekunde an einen Transfer gedacht. Ein Wechsel war keine Option, weil es mein Traum war, es mit einer Mannschaft aus eigener Kraft in die Bundesliga zu schaffen. Das habe ich jetzt erreicht.

SPOX: Dennoch hatten Sie in Ingolstadt zunächst Anlaufschwierigkeiten. Warum hat es plötzlich Klick gemacht?

Groß: Ich glaube, es lag vor allem daran, dass ich meine vertraute Umgebung verlassen habe und mich so persönlich enorm weiterentwickeln konnte. Obwohl es am Anfang sehr schwer für mich war. Ich bin ein total heimatverbundener Mensch und habe vor meinem Wechsel nach Ingolstadt stets in Mannheim gewohnt. Da gab es schon Tage, an denen ich meine Freunde und Familie vermisst habe und Heimweh hatte. Aber ich bin dadurch gereift, nur so konnte ich lernen, komplett auf eigenen Füßen zu stehen.

SPOX: Ist die Persönlichkeitsentwicklung für einen Fußballer so wichtig für die eigenen Leistungen?

Groß: Das ist definitiv ein ganz zentraler Punkt. Natürlich gibt es auch andere Aspekte, wie zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Ralph Hasenhüttl und Michael Henke. Durch sie habe ich fußballerisch den nächsten Schritt gemacht. Mittlerweile bin ich nicht nur erfahrener und älter, sondern auch körperlich in einem viel besseren Zustand, gerade im Kraftbereich. Mein Kopfballspiel muss ich aber noch verbessern.

SPOX: Gerade haben Sie die wichtige Rolle von Hasenhüttl und Henke für Ihre Entwicklung angesprochen. Könnte man den Beginn Ihres steilen Aufschwungs mit dem Amtsantritt von Hasenhüttl gleichsetzen?

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Groß: Das kann man in der Tat so sehen. Der Erfolg mit ihm als Trainer ist überhaupt eine Wahnsinnsgeschichte. Wir waren Letzter, am Abgrund. Eineinhalb Jahre später sind wir aufgestiegen. Dafür muss man ihm allergrößten Respekt zollen.

SPOX: Wie hat er es möglich gemacht, dass das Team auf einmal derart erfolgreichen Fußball spielen konnte?

Groß: Sein größter Verdienst war es, uns zu einer Mannschaft zu formen. Wir sind eine Mannschaft, die sich auch wirklich Mannschaft nennen darf. Außerdem findet er eine gute Mischung. Wenn es darauf ankommt, zieht er die Zügel an. Trotzdem sind Menschlichkeit und Lockerheit bei ihm nicht verloren gegangen. Ich bin das beste Beispiel. Bei Marco Kurz hatte ich keine gute Zeit, aber als er unser Trainer wurde, hat er mir umgehend das volle Vertrauen ausgesprochen.

SPOX: Hasenhüttl ist mittlerweile drei Jahre Ihr Trainer. Glauben Sie, dass es irgendwann zu einer Abnutzungserscheinung kommen kann?

Groß: Wenn man sieht, dass Alex Ferguson 25 Jahre in Manchester Trainer war, dann denke ich nicht, dass sich ein Trainer zwangsläufig abnutzt. Auch Jürgen Klopp war noch einige Zeit länger Dortmund-Trainer, als es Ralph Hasenhüttl jetzt von uns ist. Aber Fußball ist ein Tagesgeschäft, das man nie hundertprozentig einschätzen kann. Momentan sollten wir einfach unser Glück genießen, dass wir mit einem Trainer so erfolgreich arbeiten dürfen.

SPOX: Der Aufstieg hat dem Verein sehr viel Lob eingebracht, aber auch eine Menge Kritik. Der FC Ingolstadt sei ein Werksklub ohne Tradition. Hasenhüttl hat sich im SPOX-Interview dagegen zur Wehr gesetzt. Ist das innerhalb der Mannschaft auch ein Thema?

Groß: Für uns ist das kein Thema. Ich kann das Gequatsche nicht mehr hören, denn wir haben eine Tradition. Man muss sich doch nur einmal die beiden Vorgängervereine MTV und ESV Ingolstadt anschauen. Unser Physiotherapeut zum Beispiel arbeitet seit 30 Jahren hier im Verein, da kann einem die Tradition doch nicht abgesprochen werden.

SPOX: Angeprangert wird insbesondere die finanzielle Unterstützung von Audi...

Groß: Aber hier werden doch keine verrückten Sachen gemacht. Die Sommerpause ist das beste Beispiel. Obwohl wir wahrscheinlich der krasse Außenseiter sein werden, haben wir uns wie jeder andere Aufsteiger auch ganz punktuell verstärkt und nicht mit Geld um uns geschmissen. Wir haben vielleicht nicht die gleiche Tradition wie langjährige Bundesliga-Mitglieder aus Köln oder Frankfurt, aber auch nur, weil wir gerade zum ersten Mal in der Bundesliga spielen. Wir sind ein junger und familiärer Verein. Ansonsten sehe ich da keine Unterschiede. Die Werksklub-Vorwürfe sind haltlos.

SPOX: Sie sagen, der FC Ingolstadt ist ein sehr familiärer Verein. Doch jetzt kommt die große Bundesliga und eine ganze andere Welt. Haben Sie Angst, dass das alles zu früh für den FCI kommen könnte?

Groß: Ich hoffe es nicht, weil das eine unserer Stärken ist. Innerhalb der Mannschaft wurde in guten wie in schlechten Zeiten zusammengehalten, das darf sich auf keinen Fall ändern. Wenn alle bescheiden bleiben und unseren zurückgelegten Weg nicht vergessen, dann werden wir in brenzligen Situationen weiter ruhig bleiben können. Auch in der Bundesliga.

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