"Warum einen neuen Fußball spielen?"

Michael Graßl
21. August 201516:02
Ingolstadts Pascal Groß erzielte im Aufstiegsjahr sieben Tore und bereitete 22 weitere vorimago
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Pascal Groß gehörte im Aufstiegsjahr des FC Ingolstadt 04 zu den besten Spielern der 2. Liga. Nun messen sich die Schanzer und der 24-Jährige mit der Elite im Oberhaus - und sorgten mit dem Auftakterfolg in Mainz bereits für ein erstes Ausrufezeichen. Vor dem ersten Bundesligaheimspiel der Vereinshistorie gegen Borussia Dortmund (So., 15.30 Uhr im LIVETICKER) spricht Groß im Interview über das Bezwingen des Schweinehunds, Gedanken an einen Wechsel und sagt, dass ihm die Werksklub-Vorwürfe gegen den FCI auf den Senkel gehen.

SPOX: Herr Groß, Hand aufs Herz: Wie schwer fiel es Ihnen, als Sie sich im April zwischen Ihrer Geburts- und Heimatstadt Mannheim und der neuen Heimat Ingolstadt entscheiden mussten?

Pascal Groß: (lacht) Sie meinen das Finale in der DEL?

SPOX: Genau.

Groß: Auch wenn wir in Mannheim eine lange Eishockey-Tradition haben, war ich am Ende für den ERCI. Ich wohne nun eine längere Zeit hier, viele Spieler von uns sind gut mit ERC-Spielern wie Timo Pielmeier oder Patrick Köppchen befreundet. Wir fiebern oft gegenseitig im Stadion mit. Das finde ich eine tolle Sache.

SPOX: Für Ingolstadt war es insgesamt ein aufregender Monat. Der ERC im DEL-Finale, der FC Ingolstadt im Aufstiegskampf.

Groß: Das ist für eine Stadt, die gerade einmal 130.000 Einwohner hat, etwas Einmaliges. Dass zwei Vereine so erfolgreich sind, schweißt zusammen. Wir versuchen deshalb, diesen Zusammenhalt nicht nur privat, sondern auch öffentlich vorzuleben.

SPOX: Im Gegensatz zu den Eishockey-Spielern hat es bei Ihnen zur Meisterschaft und dem Aufstieg gereicht. Das erste Spiel in der Bundesliga ist zwar schon gespielt, aber müssen Sie sich trotzdem noch manchmal kneifen?

Groß: Das mittlerweile nicht mehr. Ich habe bei der Vertragsverlängerung gesagt, dass es mein Traum ist, kurz- oder mittelfristig in der Bundesliga zu spielen - und am liebsten mit dem FCI. Das war eigentlich ein unrealistischer Traum zur damaligen Zeit. Dass wir das aus eigener Kraft geschafft haben, ist aber immer noch ein überragendes Gefühl.

SPOX: Trotz einer langen Saison und einem anschließendem Partymarathon sah man Sie in der Sommerpause immer wieder auf und neben dem Fußballplatz. Schalten Sie überhaupt mal vom Fußballgeschehen ab?

Groß: Ich komme kaum vom Fußball runter, eigentlich nie. Das möchte ich aber auch gar nicht, dafür macht mir der Fußball zu viel Spaß. Ich schaue gerne meinen Kumpels in meinem Heimatverein zu, aber auch viele Spiele im Fernsehen. Ein wenig abschalten kann ich höchstens im Urlaub.

SPOX: Betrachtet man Ihre Fitnesswerte nach der Rückkehr aus dem Urlaub, haben Sie sich vermutlich gar keine Pause gegönnt. Sie sind als fittester aller Spieler ins Training eingestiegen.

Groß: Für mich und meine Mitspieler ist das selbstverständlich. Jeder Spieler erhält einen Trainingsplan für den Urlaub und den erfülle ich. Ich bin Profi und habe Verpflichtungen, denen ich nachkommen muss. So einfach ist das.

SPOX: Eine Einstellung, die nicht immer von allen Spielern geteilt wird... SPOX

Groß: Klar, wir haben nach dem Aufstieg auch gefeiert. Ordentlich gefeiert (lacht). Das gehört nach einer harten Saison doch dazu. Aber wir hatten vier Wochen Urlaub. Irgendwann muss man wieder runterkommen und sich auf das Wesentliche, in unserem Fall die Bundesliga-Vorbereitung, konzentrieren.

SPOX: Sie sprechen die Vorbereitung auf die erste Bundesliga-Saison in der Vereinsgeschichte des FCI an. Was hat sich dort im Vergleich zur 2. Liga verändert?

Groß: Unser Ziel war es, in jedem Bereich eine Schippe draufzulegen. Nicht nur im Ausdauer- und Kraftbereich, sondern auch taktisch. Das ist nötig, denn das Tempo in der Bundesliga ist deutlich höher und die Passgenauigkeit um ein Vielfaches besser. In der Bundesliga gilt das Motto: Bezwinge den Schweinehund.

SPOX: Bedeutet Verbesserungen im taktischen Bereich, dass wir in der 1. Liga einen anderen FC Ingolstadt sehen werden als in der vorherigen Saison?

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Groß: Nein. Wir haben unser System, davon und von uns sind wir überzeugt. Wir sind so flexibel, dass wir zwischen hoch stehen, pressen und uns zurückziehen schnell wechseln können. Warum einen grundlegend neuen Fußball spielen, nur weil wir jetzt in der Bundesliga kicken? Wir wissen, wo wir herkommen und was uns stark gemacht hat. SPOX

SPOX: Trotzdem haben nicht viele Spieler im Kader Bundesliga-Erfahrung. Ist das nicht ein großer Nachteil?

Groß: Das ließe sich genauso gut umdrehen: Unsere Unbekümmertheit könnte man auch als Vorteil auslegen. Das ist Ansichtssache. Dass in der ersten Liga Spieler auflaufen, die eine ganz andere technische Qualität haben, ist uns bekannt. Aber wenn wir elf Spieler mit einer brutalen Mentalität auf den Rasen bringen, sind wir in der Lage, gegen jeden etwas zu holen. Wir sind der Underdog und keiner erwartet etwas von uns. Wir haben zwar Respekt, aber trotzdem keine Angst.

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SPOX: Die Bundesliga ist für Sie kein unbekanntes Terrain, für Hoffenheim durften Sie schon ein paar Minuten reinschnuppern. Zum Durchbruch hat das aber nicht gereicht. Im Vorjahr sind Sie zu einem der besten Spieler der 2. Liga gereift und wurden mit einigen Bundesligisten in Verbindung gebracht. Haben Sie sich mit diesen Anfragen beschäftigt?

Groß: Ganz ehrlich, nein. Als sich der Aufstiegskampf zuspitzte, bin ich zu meinem Berater gegangen und habe gesagt, dass ich nichts wissen und nichts hören will. Mein Berater hat mich darin sogar bestärkt und meinte, dass er das super findet. Dann haben wir das so beibehalten. Als wir dann aufgestiegen waren, habe ich keine einzige Sekunde an einen Transfer gedacht. Ein Wechsel war keine Option, weil es mein Traum war, es mit einer Mannschaft aus eigener Kraft in die Bundesliga zu schaffen. Das habe ich jetzt erreicht.

SPOX: Dennoch hatten Sie in Ingolstadt zunächst Anlaufschwierigkeiten. Warum hat es plötzlich Klick gemacht?

Groß: Ich glaube, es lag vor allem daran, dass ich meine vertraute Umgebung verlassen habe und mich so persönlich enorm weiterentwickeln konnte. Obwohl es am Anfang sehr schwer für mich war. Ich bin ein total heimatverbundener Mensch und habe vor meinem Wechsel nach Ingolstadt stets in Mannheim gewohnt. Da gab es schon Tage, an denen ich meine Freunde und Familie vermisst habe und Heimweh hatte. Aber ich bin dadurch gereift, nur so konnte ich lernen, komplett auf eigenen Füßen zu stehen.

SPOX: Ist die Persönlichkeitsentwicklung für einen Fußballer so wichtig für die eigenen Leistungen?

Groß: Das ist definitiv ein ganz zentraler Punkt. Natürlich gibt es auch andere Aspekte, wie zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Ralph Hasenhüttl und Michael Henke. Durch sie habe ich fußballerisch den nächsten Schritt gemacht. Mittlerweile bin ich nicht nur erfahrener und älter, sondern auch körperlich in einem viel besseren Zustand, gerade im Kraftbereich. Mein Kopfballspiel muss ich aber noch verbessern.

SPOX: Gerade haben Sie die wichtige Rolle von Hasenhüttl und Henke für Ihre Entwicklung angesprochen. Könnte man den Beginn Ihres steilen Aufschwungs mit dem Amtsantritt von Hasenhüttl gleichsetzen?

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Groß: Das kann man in der Tat so sehen. Der Erfolg mit ihm als Trainer ist überhaupt eine Wahnsinnsgeschichte. Wir waren Letzter, am Abgrund. Eineinhalb Jahre später sind wir aufgestiegen. Dafür muss man ihm allergrößten Respekt zollen.

SPOX: Wie hat er es möglich gemacht, dass das Team auf einmal derart erfolgreichen Fußball spielen konnte?

Groß: Sein größter Verdienst war es, uns zu einer Mannschaft zu formen. Wir sind eine Mannschaft, die sich auch wirklich Mannschaft nennen darf. Außerdem findet er eine gute Mischung. Wenn es darauf ankommt, zieht er die Zügel an. Trotzdem sind Menschlichkeit und Lockerheit bei ihm nicht verloren gegangen. Ich bin das beste Beispiel. Bei Marco Kurz hatte ich keine gute Zeit, aber als er unser Trainer wurde, hat er mir umgehend das volle Vertrauen ausgesprochen. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

SPOX: Hasenhüttl ist mittlerweile drei Jahre Ihr Trainer. Glauben Sie, dass es irgendwann zu einer Abnutzungserscheinung kommen kann?

Groß: Wenn man sieht, dass Alex Ferguson 25 Jahre in Manchester Trainer war, dann denke ich nicht, dass sich ein Trainer zwangsläufig abnutzt. Auch Jürgen Klopp war noch einige Zeit länger Dortmund-Trainer, als es Ralph Hasenhüttl jetzt von uns ist. Aber Fußball ist ein Tagesgeschäft, das man nie hundertprozentig einschätzen kann. Momentan sollten wir einfach unser Glück genießen, dass wir mit einem Trainer so erfolgreich arbeiten dürfen.

SPOX: Der Aufstieg hat dem Verein sehr viel Lob eingebracht, aber auch eine Menge Kritik. Der FC Ingolstadt sei ein Werksklub ohne Tradition. Hasenhüttl hat sich im SPOX-Interview dagegen zur Wehr gesetzt. Ist das innerhalb der Mannschaft auch ein Thema?

Groß: Für uns ist das kein Thema. Ich kann das Gequatsche nicht mehr hören, denn wir haben eine Tradition. Man muss sich doch nur einmal die beiden Vorgängervereine MTV und ESV Ingolstadt anschauen. Unser Physiotherapeut zum Beispiel arbeitet seit 30 Jahren hier im Verein, da kann einem die Tradition doch nicht abgesprochen werden.

SPOX: Angeprangert wird insbesondere die finanzielle Unterstützung von Audi...

Groß: Aber hier werden doch keine verrückten Sachen gemacht. Die Sommerpause ist das beste Beispiel. Obwohl wir wahrscheinlich der krasse Außenseiter sein werden, haben wir uns wie jeder andere Aufsteiger auch ganz punktuell verstärkt und nicht mit Geld um uns geschmissen. Wir haben vielleicht nicht die gleiche Tradition wie langjährige Bundesliga-Mitglieder aus Köln oder Frankfurt, aber auch nur, weil wir gerade zum ersten Mal in der Bundesliga spielen. Wir sind ein junger und familiärer Verein. Ansonsten sehe ich da keine Unterschiede. Die Werksklub-Vorwürfe sind haltlos.

SPOX: Sie sagen, der FC Ingolstadt ist ein sehr familiärer Verein. Doch jetzt kommt die große Bundesliga und eine ganze andere Welt. Haben Sie Angst, dass das alles zu früh für den FCI kommen könnte?

Groß: Ich hoffe es nicht, weil das eine unserer Stärken ist. Innerhalb der Mannschaft wurde in guten wie in schlechten Zeiten zusammengehalten, das darf sich auf keinen Fall ändern. Wenn alle bescheiden bleiben und unseren zurückgelegten Weg nicht vergessen, dann werden wir in brenzligen Situationen weiter ruhig bleiben können. Auch in der Bundesliga.

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