Das erste Pflichtspiel der Saison 2015/16 verlor der FC Bayern München, den Supercup im Elfmeterschießen gegen Wolfsburg. Seitdem gab es in zehn Spielen zehn überwiegend souveräne Siege. Die Offensive funktioniert wie geschmiert, doch die Erfolge basieren ebenso auf einem verbesserten Defensivverhalten beim gegnerischen Spielaufbau und im Gegenpressing. Guardiola probiert in dieser Saison hinsichtlich Personal und Taktik viel aus, die Mannschaft setzt die Vorgaben bislang sehr gut um.
Das Personal:
Nach dem Abgang von Dante zum VfL Wolfsburg stehen mit Jerome Boateng, Holger Badstuber und Medhi Benatia nur drei gelernte Innenverteidiger im Kader. Badstuber erlitt im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen den FC Porto Mitte April einen Muskelriss im linken Oberschenkel. Mittlerweile trainiert er wieder mit dem Ball, einen Comeback-Termin gibt es aber noch nicht.
Benatia hat ebenfalls Probleme mit der Oberschenkelmuskulatur. Mitte September musste er sein Aufbauprogramm nach einem Faserriss beenden.
Da auch Javi Martinez erst seit zwei Wochen wieder spielen kann, war Pep Guardiola zum Improvisieren gezwungen. Seine Lösung hieß David Alaba. Der Österreicher rückte schon im ersten Saisonspiel gegen den HSV (5:0) von links in die Mitte und bildete mit Boateng und Benatia eine Dreierkette.
Innenverteidiger Alaba keine Dauerlösung
Weil Boateng im Spiel gegen Leverkusen (3:0) gelb-rot-gesperrt war, bekam Alaba Philipp Lahm und Juan Bernat an seine Seite. Seit dem CL-Spiel in Piräus (3:0) lässt Guardiola durchgängig Viererkette spielen, Alaba spielte stets Innenverteidiger.
Auch wenn Guardiola dem 23-Jährigen zutraut, "einer der besten Innenverteidiger der Welt" zu werden, ist die Abwehrmitte nicht das vom Trainer bevorzugte Terrain für Alaba.
"Ich will David als linken Verteidiger spielen lassen, aber wir haben mit Jerome zurzeit nur einen Innenverteidiger. Wir haben keine anderen Optionen: Benatia ist verletzt, Badstuber ist noch nicht fit, mit Javi sind wir erst einmal zufrieden, dass er nach 13 Monaten 45 Minuten gespielt hat", sagte Guardiola am Tag vor dem 3:0-Sieg in Mainz.
"Wenn alle Innenverteidiger fit sind, spielt David linker Außenverteidiger. Er macht das dort sehr gut. Auch als er in der letzten Saison mit Philipp Lahm in der Mitte gespielt hat, hat er das wahnsinnig gut gemacht. Er war wie eine Maschine. Das Wichtigste: Er ist ein Spieler, dessen Horizont offen ist. Er akzeptiert alles. Alles, was für die Mannschaft das Beste ist", so der Trainer weiter.
spoxMartinez vorerst in der Abwehr
Die Maßnahme, Außenverteidiger zum Innenverteidiger umzufunktionieren, ist nicht neu bei Guardiola. In Barcelona stellte er seinerzeit Eric Abidal infolge von Verletzungsproblemen ins Abwehrzentrum.
Auch Javi Martinez soll nicht auf Dauer in der letzten Reihe spielen. Im DFB-Pokalfinale 2014 gegen Borussia Dortmund (2:0 n.V.) war der Spanier von Guardiola überraschend als Chef einer Dreierkette aufgeboten worden und damals bester Mann auf dem Platz. Martinez hat des Öfteren Innenverteidiger bei Bayern gespielt, in Dreier- und Viererkette.
Seine lange Leidensgeschichte zwang Guardiola gewissermaßen immer wieder dazu, Martinez die Intensität im Mittelfeld zu ersparen und ihn in die Abwehr zu stellen. Guardiola sieht Martinez aber eher als Mittelfeldspieler.
"Wenn alle Innenverteidiger fit sind, wird er dort weniger spielen. In der nächsten Phase wird er aber hinten spielen, aber wenn wir gegen zwei Stürmer spielen, wo es mehr gegen den Mann geht, dann wird er in der Mitte spielen. Er hat die Qualität für den langen Ball. Was ich bei ihm will, ist, dass er fit ist", sagte Guardiola letzte Woche.
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Generell probiert Guardiola in dieser Saison viel aus. Rafinha taucht auch als Linksverteidiger auf, Lahm wird überwiegend wieder als Rechtsverteidiger eingesetzt.
Guardiola hat in dieser Saison bereits mehrere Systeme spielen lassen: 3-4-3, 4-3-3, gegen Augsburg die Variante mit zwei Stürmern im 3-1-4-2 und in Hoffenheim ein 3-3-3-1. Im zentralen defensiven Mittelfeld setzt Guardiola auf einen einzelnen Sechser. Meistens führt Xabi Alonso diese Rolle aus, gegen Zagreb ließ Guardiola immerhin schon zum dritten Mal Joshua Kimmich auf dieser Position spielen.
Seite 2: Das Verhalten bei gegnerischem Ballbesitz
Seite 3: Das Verhalten im Gegenpressing
Das Verhalten bei gegnerischem Ballbesitz:
Als agierende Mannschaft, die in nahezu jedem Spiel (deutlich) mehr Ballbesitz hat als der Gegner, verteidigen die Bayern per se hoch. Die Abwehrspieler halten sich etwa auf Höhe der Mittellinie auf, davor machen Mittelfeldspieler und Außenstürmer das Spielfeld eng.
Ganz vorne läuft der Stürmer, in der Regel Robert Lewandowski, den Ball führenden Verteidiger an oder unternimmt den Versuch, Passwege zwischen den beiden Innenverteidigern oder zwischen Innenverteidiger und defensivem Mittelfeldspieler zu stören.
Gegen Zagreb konnte man ein interessantes Verhalten der beiden Flügelspieler Douglas Costa und Kingsley Coman sowie der Spieler auf den Halbpositionen, Thiago und Mario Götze, beobachten: Sobald Dinamo versuchte, das Spiel von hinten aufzubauen, rückten Thiago und Götze nach vorne, während sich Costa und Coman auf den Außenbahnen fast auf die Höhe von Kimmich fallen ließen. Gut zu sehen war dieses Vorgehen vor dem 2:0 durch Lewandowski, als Thiago in der Nähe des Strafraums den Ball eroberte und auf den mitlaufenden Polen passte.
Joshua Kimmich: Als wäre er schon ewig da
In diesem Konstrukt war Thiago der Taktgeber und wies vor allem Coman und Götze auf der rechten Seite immer an, ihre Positionen zu verändern.
spoxDie Verschiebungen sollen zum einen den schnellen Ballverlust des Gegners bewirken, zum anderen wird dadurch bereits der Angriff nach dem Ballgewinn vorbereitet. Sobald der Ball in den Reihen der Bayern ist, nehmen Costa und Coman aus der Tiefe Tempo auf und können von Thiago oder Götze, die sich bereits tief in der gegnerischen Hälfte befinden, mit Pässen bedient werden.
So sollen die entscheidenden Sekundenbruchteile herausgeholt werden, die eine gefährliche Torchance ermöglichen.
Zudem rücken die Innen- und Außenverteidiger im Vergleich zur Grundordnung weiter auf und unterstützen situativ den Sechser, sollte die erste Pressingreihe überspielt werden und der Ball durchkommen.
Auffällig auch die Rolle Philipp Lahms, der sich in den letzten Spielen als Rechtsverteidiger stark auf das Absichern seiner Seite konzentrierte, nur in Ausnahmefällen auf dem rechten Flügel nach vorne schob und damit deutlich defensiver agierte als der Spieler auf links. Eher rückte Lahm bei Ballbesitz zusätzlich ins zentrale Mittelfeld.
Die Durchschnittspositionen des Spiels Bayern vs. Zagreb
Seite 2: Das Verhalten bei gegnerischem Ballbesitz
Seite 3: Das Verhalten im Gegenpressing
Das Verhalten im Gegenpressing:
Beim sofortigen Pressing im defensiven Umschaltmoment agieren die Bayern noch eine Stufe extremer. Insbesondere die Innenverteidiger schieben beim Gegenpressing noch weiter nach vorne. Alaba kommt dabei seine Erfahrung als Mittelfeldspieler zugute, aber auch Boateng wagt immer öfter den weiten Ausflug in die gegnerische Hälfte.
Gegen Zagreb war zu beobachten, dass Boateng situativ sogar bis zum gegnerischen Strafraum durchmarschierte und in einer Szene Ende der ersten Halbzeit im Dinamo-Sechzehner den Versuch eines langen Balls der Kroaten blockierte.
Kimmich wich dabei nach halblinks oder halbrechts aus, um einem der beiden Innenverteidiger Platz zu machen. Auch die Außenverteidiger zogen im Gegenpressing etwas in die Mitte, während die Flügelspieler ihre Außenbahn nicht verließen.
spoxDas Vorgehen der Bayern im Pressing birgt ein hohes Risiko. In den letzten Spielen funktionierte aber auch die Rückwärtsbewegung, wenn mal ein Ball des Gegners durchkam.
Ein Innenverteidiger sichert ab, der Sechser hält seine Grundposition. Dadurch haben die Bayern immer noch genügend Spieler hinter dem Ball und können Angriffe des Gegners auch tiefer in der eigenen Hälfte unterbinden. "Wir schaffen es derzeit, die richtige Balance zwischen Defensive und Offensive zu finden", sagte Mario Götze nach dem 5:0 gegen Zagreb. "Vorne spielen wir die Bälle in die richtigen Räume und hinten lassen wir kaum Chancen zu."
Der absolute Härtetest wartet auf die Bayern am kommenden Sonntag, wenn das immer noch ungeschlagene Borussia Dortmund in die Allianz Arena kommt.