Der Heilsbringer gibt auf, Borussia Mönchengladbach steht unter Schock: Lucien Favre hat die Konsequenzen aus dem katastrophalen Saisonstart gezogen und ist am Sonntagabend überraschend als Trainer der Borussia zurückgetreten. Den Klub vom Niederrhein traf der Schritt Favres, der sie 2011 vor dem Abstieg gerettet und in der vergangenen Saison erstmals in die Champions League geführt hatte, wie ein Keulenschlag. Manager Max Eberl will den Rücktritt des Schweizers sogar offenbar nicht akzeptieren.
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26 Stunden nach dem 0:1 (0:0) im rheinischen Derby, der fünften Liga-Pleite im fünften Spiel, in deren Folge ihm Manager Max Eberl noch den Rücken gestärkt hatte, schaffte Favre am Sonntagabend auf eigene Faust Fakten.
"Ich habe nicht mehr das Gefühl, der perfekte Trainer für Borussia Mönchengladbach zu sein", erklärte der Coach in einem persönlichen Statement, nachdem er dem SID seinen Rücktritt telefonisch bestätigt hatte: "Da muss ich ehrlich zu mir und meinen Partnern professionell sagen: Es geht um den Verein, um den Mythos Borussia! Ich muss diese Entscheidung für Borussia und die Zukunft treffen."
"Eine unvergessliche Zeit"
Deshalb sei er "nach reiflicher Überlegung und eingehender Analyse zu der Erkenntnis gekommen: Es ist in dieser Situation die beste Entscheidung, mein Amt als Cheftrainer bei Borussia Mönchengladbach niederzulegen."
Die viereinhalb Jahre in Mönchengladbach seien "eine unvergessliche Zeit" gewesen, teilte der 57-Jährige mit: "Auch wenn es pathetisch klingt: Ich werde die ereignisreichen Jahre bei Borussia als meine schönste und emotionalste Zeit als Trainer nie vergessen! Die Spieler, mit denen ich arbeiten durfte! Die Vereinsführung, mit der ich immer vertrauensvoll zusammengearbeitet habe. Und da ist vor allem der Borussia-Park, da sind die Fans, die bei jedem Spiel diese unvergleichliche Stimmung erzeugen können. Ihr werdet immer in meinem Herzen bleiben!"
Die Gladbacher Verantwortlichen, die ein Rücktrittsangebot Favres am Sonntag noch abgelehnt hatten, waren über Favres Schritt schockiert. "Wir sind nach wie vor total davon überzeugt, dass Lucien der perfekte Trainer für Borussia ist und wir gemeinsam mit ihm die aktuelle, sehr schwierige sportliche Situation überstehen werden", sagte Manager Max Eberl in einem Borussia-Statement - und lehnt den Rücktritt anscheinend immer noch ab.
Königs gibt auf, Eberl kämpft
Präsident Rolf Königs hat den Kampf um Favre dagegen offenbar aufgegeben: "Wir haben gehofft, dass wir ihn auch dieses Mal überzeugen können, bei uns und mit uns weiterzumachen. Mit seinem öffentlich gemachten Rücktritt hat er nun Fakten geschaffen, die uns bis ins Mark treffen. Wir sind sehr traurig, dass dieser gemeinsame Weg nun offenbar zu Ende ist."
"Wir sind vollkommen vor den Kopf gestoßen", sagte Vizepräsident Rainer Bonhof dem SID: "Wir haben den ganzen Tag miteinander geredet. Wir haben seinen Rücktritt abgelehnt, weil wir der Meinung waren, dass wir es zusammen schaffen werden. Er ist dann aber selbst nach vorne gegangen."
Wie es nun weitergeht, ist völlig offen - die Fans riefen in den sozialen Netzwerken umgehend nach Jürgen Klopp.
Favre hatte die Borussia im Februar 2011 in höchster Abstiegsnot übernommen, erst gerettet, dann in die Europa League und im vergangenen Jahr sogar erstmals seit 37 Jahren in den "größten Europapokal" geführt. "Es gab viele unglaubliche berauschende Momente", erklärte er nun: "Ich hatte hier ein tolles Trainerteam, eine unglaublich engagierte und professionelle Vereinsführung. Ich danke allen für ihren steten und vertrauensvollen Support!"
Derby-Niederlage Favres letztes Spiel
Eberl hatte am Samstagabend in den Katakomben in Köln noch erklärt, man gehe "da gemeinsam durch" und wolle sich "nicht auseinander dividieren lassen". Favre hatte da noch von "keiner idealen Situation" gesprochen. Dem Schweizer dürfte die prekäre Lage zudem bekannt vorgekommen sein.
Im September 2009 hatte Favre nach der Beinahe-Meisterschaft mit Hertha BSC sogar sechs Pleiten in Folge kassiert und war daraufhin entlassen worden. So weit war es in Gladbach noch nicht, deshalb glaubten die Spieler auch nicht an einen freiwilligen Rückzug. "Der Trainer wird uns nicht im Stich lassen", sagte Granit Xhaka.
In Köln hatte die Borussia wieder einmal erschreckend harmlos agiert, vom Offensiv-Spektakel des Vorjahres ist nichts übrig geblieben. "Sisyphos lässt grüßen. Du schiebst die Kugel immer wieder hoch, dann rollt sie wieder zurück", sagte Max Eberl. Am Ende stand die Borussia wieder einmal mit leeren Händen da, nur noch eine Pleite fehlt zu Fortuna Düsseldorfs Negativ-Startrekord aus der Saison 1991/92.
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