"Pokalsieg hat mir Akzeptanz gebracht"

Dieter Hecking gewann mit dem VfL Wolfsburg 2014/15 den DFB-Pokal
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Nach dem Pokalsieg und der Vizemeisterschaft tut sich der VfL Wolfsburg in dieser Saison noch schwer. Trainer Dieter Hecking spricht mit SPOX über die Ursachen der Schwächephase und unveränderbare Saisonziele, aber auch seinen persönlichen Werdegang. Außerdem erklärt er, wie utopisch ein De-Bruyne-Wechsel für ihn war und welche Kräfte sein Team nach dem tragischen Tod Junior Malandas entwickelte.

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SPOX: Herr Hecking, bei all Ihren bisherigen Vereinen waren Sie es selbst, der die Trennungs-Entscheidung traf. Sind Sie eigentlich unkündbar?

Dieter Hecking: (lacht) Nein, das glaube ich sicherlich nicht. Es ist aber schon so, dass ich das Heft des Handelns immer selbst in der Hand haben wollte. Ich habe immer das große Ganze gesehen und nicht nur meine Person. So wie zum Beispiel damals in Hannover. Dort habe ich gespürt, dass ich an einem gewissen Punkt in dem System wahrscheinlich die Bremse war. Deshalb bin ich auf die handelnden Personen zugegangen, um zu diskutieren, ob es nicht sinnvoll wäre, meinen Rücktritt anzubieten.

SPOX: So lief es aber nicht nur in Hannover.

Hecking: Stimmt und das ist sicher ungewöhnlich für meinen Job. Es war aber oft so, dass ich einfach bereit war, den nächsten Schritt zu gehen und zum Beispiel in Nürnberg eine Ausstiegsklausel hatte, von der ich Gebrauch machen konnte.

SPOX: Haben Sie daraus gelernt, dass Sie als Spieler nicht so konsequent waren? Sie sagten einmal aus, während Ihrer aktiven Zeit zu lange auf Ihre Chance gewartet zu haben.

Hecking: Definitiv. Ich habe die sich auftuenden Möglichkeiten im Trainer-Bereich viel zielstrebiger ergriffen und mit aller Konsequenz verfolgt. Ich hatte eine klare Zielvorstellung und wollte schon in der Zeit, als ich meinen Fußballlehrer gemacht habe, als Trainer in der Bundesliga arbeiten. Dass es letztlich auch so gekommen ist, ist sicherlich mit etwas Glück verbunden, aber auch mit der Qualität, die man in den Arbeitsabläufen bei den jeweiligen Vereinen gezeigt hat. Ich wollte immer möglichst weit oben ankommen.

SPOX: Bis Sie in Wolfsburg landeten, hat es aber doch eine Zeit lang gedauert. Bedauern Sie es manchmal, dass dieser Schritt nicht schon eher kam?

Hecking: Wie es sich nach nun 15 Jahren herausgestellt hat, war es der richtige Weg. Jeder wird seinen eigenen Weg finden müssen, was auch ganz wichtig ist. Schließlich weiß man vorher nie, ob es so kommt, wie man es sich erhofft. Es gibt manchmal Momente, die glücklich für dich laufen müssen, damit du die eingeschlagene Richtung auch so weitergehen kannst.

SPOX: Man hat das Gefühl, dass Sie unter den vielen Fußballromantikern einer der wenigen Trainer sind, die ihren Job ausschließlich als Arbeit betrachten. Achten Sie darauf, keine zu enge emotionale Bindung aufzubauen oder trügt der Schein?

Hecking: Sobald ich den Vertrag unterschreibe, ist auch die emotionale Bindung da. Mein Verein kann sich dann darauf verlassen, dass ich loyal bin und er zu einhundert Prozent Dieter Hecking bekommt - mit all seinen positiven wie negativen Eigenschaften. Für mich geht es darum, meine Arbeitskraft dem Verein vollständig zur Verfügung zu stellen. Ich brauche dabei nicht noch gut auszusehen oder Prozentpunkte zu verschenken, weil ich mit anderen Dingen beschäftigt bin.

SPOX: Kommt da manchmal noch der abgeklärte Polizist durch? Vor dem Start Ihrer Profikarriere waren Sie Polizeimeister.

Hecking: Polizist zu sein war für mich nach meinem Realschulabschluss ein toller Beruf. Ich war froh, dass ich diese Ausbildung machen konnte. Es hat mich in gewissen Verhaltensweisen geprägt, was auch für den Trainerjob gut ist. Es hat Vorteile, verschiedene Facetten kennenzulernen.

SPOX: Sie waren aber schon immer Befürworter des zweiten beruflichen Standbeins und haben neben einer kaufmännischen Ausbildung auch ein Sportmanagement-Studium abgeschlossen.

Hecking: Ich habe für mich damals die Feststellung gemacht, als Spieler wahnsinnig viel Freizeit zu haben. Diese Zeit wollte ich sinnvoll nutzen. Zwar hatte ich schon früh Kinder, mit denen ich so viel Zeit wie möglich verbracht habe, jedoch war es mir auch wichtig, dass sich mein Kopf noch mit anderen Dingen beschäftigt als nur mit dem Fußball.

SPOX: Wer heute Profi wird, hat aber kaum die Möglichkeit, nebenher noch umfassende Ausbildungen zu absolvieren. Ist mit der höheren Lukrativität auch das Risiko des Berufssportlers, zu scheitern, gestiegen?

Hecking: Ich würde der heutigen Generation wünschen, dass sie es so machen könnte wie ich damals. Spieler, die bei absoluten Top-Vereinen spielen oder sogar Nationalspieler sind, haben dafür natürlich kaum Zeit. Vor denen, die sich nebenbei trotzdem noch weiterbilden, ziehe ich den Hut. Es gibt aber immer noch viele Spieler, die das relativ einfach bewerkstelligen könnten. Manchmal ist es gar nicht von Nachteil, abgelenkt zu sein und auch mal neue Leute und gesellschaftliche Aspekte kennenzulernen. Ein Fußballprofi ist meiner Meinung nach in der Lage, sich drei- oder viermal die Woche mit anderen Dingen zu beschäftigen und seinen Horizont zu erweitern.

SPOX: Welche Aktivitäten wären das zum Beispiel?

Hecking: Das kann vieles sein. Sprachen, andere Hobbys, intellektuelle Beschäftigungen. Es ist wichtig, ab und zu auch mal den Kopf für andere, konstruktive Dinge zu gebrauchen. Außerdem befreit man sich dadurch vom permanenten Druck im Sport - dem öffentlichen, dem des Trainers und dem eigenen. Ich selbst habe das damals als sehr positiv empfunden.

SPOX: Spüren Sie gerade gegenüber den jungen Spielern eine besondere Verantwortung? Häufig sind sie schon früh von der großen Chance oder Versprechen der Berater geblendet.

Hecking: Ich würde jedem Spieler raten, den Schulabschluss parallel laufen zu lassen und die Ausbildung nicht abzubrechen, um ausschließlich auf die Karte Fußball zu setzen. Mit den Nachwuchsleistungszentren und den Ganztagsschulen sind Kompromisslösungen mittlerweile gang und gäbe. Davon bin ich ein großer Befürworter.

SPOX: Während Sie in Aachen, Hannover oder Nürnberg noch der Ausbilder waren, arbeiten Sie in Wolfsburg nun fast ausschließlich mit Top-Talenten und gestandenen Stars. Hat das in den letzten Jahren etwas an Ihrer Herangehensweise geändert?

Hecking: Ja, auf jeden Fall. In der täglichen Arbeit bedarf das sicherlich anderer Inhalte und Umgangsformen. Bei meinen bisherigen Vereinen hatte ich viel mit jungen Spielern zu tun, die im Profibereich erst noch eine gewisse Ausbildung erhalten mussten. Jetzt sind es sehr, sehr wenige, die das noch benötigen.

SPOX: Schaut man sich die Entwicklung des VfL in den letzten Jahren an, ist Ihnen diese Anpassung gemeinsam mit Klaus Allofs offensichtlich gelungen. Im Mai sagten Sie, ein Trainer werde aber erst als besonders wahrgenommen, wenn er einen Titel gewonnen hat. Wie besonders fühlen Sie sich denn seit dem Pokalfinale?

Hecking: Ich fühle mich nicht besonders. Man merkt aber anhand der gestiegenen Nachfrage, dass der Stellenwert jetzt ein anderer ist und man bewiesen hat, dass man sich von unten hocharbeiten kann. Dieser Pokalsieg hat mir sehr viel Reputation und Akzeptanz eingebracht. Für mich ist das Wesentliche aber, dass ich mich trotz denkwürdiger Erfolge nicht großartig verändert habe. Das soll auch gerne so bleiben.

Seite 1: Hecking über seinen Werdegang, Titel und ein zweites Standbein im Sport

Seite 2: Hecking über De Bruynes Mega-Ablöse, Saisonziele und den Tod Malandas

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