"Pokalsieg hat mir Akzeptanz gebracht"

Dieter Hecking gewann mit dem VfL Wolfsburg 2014/15 den DFB-Pokal
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SPOX: In der sehr erfolgreichen letzten Saison gab es zu Beginn der Rückrunde ein Schlüsselspiel - das 4:1 zuhause gegen die Bayern. Drei Wochen zuvor war Junior Malanda schrecklich verunglückt. Wie kann eine Mannschaft, die nach dem Ereignis offensichtlich geschockt war, so eine Leistung abrufen wie in diesem Spiel?

Hecking: Das zeigt ganz deutlich, welchen Charakter unsere Mannschaft hat. Wir haben damals in der Führungsriege sicher viele richtige Entscheidungen getroffen, zudem holten wir uns professionelle Hilfe von außen. Dieser Vorfall war ein schwerer Schicksalsschlag für uns alle und in solchen Situationen sieht man, wie unterschiedlich Menschen in der Trauer reagieren. Der Eine ist in sich gekehrt und möchte alleine sein, andere brauchen die Gruppe. Wir haben jedem die Zeit gegeben, die er brauchte, um damit zurechtzukommen.

SPOX: Und trotzdem wussten Sie, dass die Zeit nicht stillsteht und Sie weitermachen mussten. Am besten so schnell wie möglich.

Hecking: Natürlich mussten wir den Jungs sagen, dass es unsere Pflicht ist, am 30. Januar wieder voll da zu sein. Auch wenn es hart war, hat das in der Gruppe hervorragend geklappt. Am Abend des Spiels hat sich die ganze Emotion der vorherigen drei Wochen entladen.

SPOX: Wie haben Sie es geschafft, sich nicht von der öffentlichen Erwartung beeinflussen zu lassen? Im Prinzip zweifelte doch keiner an einem Bayern-Sieg. Den VfL steckte man in die Rolle des angeschlagenen und kraftlosen Trauernden.

Hecking: Es kann sicherlich passieren, dass sich ein Verein vom öffentlichen Aufruhr total blockieren lässt. Wir haben aber immer gesagt, dass wir uns nicht von außen vorschreiben lassen, wie wir mit gewissen Dingen umzugehen haben. So handeln wir auch nach wie vor. Bei allem Druck und den Erwartungen, die an uns geknüpft sind, versuchen wir immer, Bodenhaftung zu haben.

SPOX: Nach dem Pokalfinale sagten Sie, der VfL sei seiner Zeitrechnung voraus. Diese wird man nach der erfolgreichen Saison sicher den Entwicklungen angepasst haben. Wo steht Wolfsburg denn, wenn Sie die Zeitrechnung der aktuellen Saison betrachten?

Hecking: Durch die späten Transfers hatten wir noch einmal einen Einschnitt. Das betrifft sowohl die Zu- als auch die Abgänge. Mit den Nachverpflichtungen Dante und Julian Draxler muss sich nun erst noch etwas Neues entwickeln. In diesem Prozess stecken wir gerade. Das geht leichter, wenn man Spiele gewinnt, was zuletzt nicht geklappt hat.

SPOX: Wird die Enttäuschung dadurch gemildert, dass die letzten Gegner auswärts Bayern, Manchester United und Gladbach hießen?

Hecking: Dass wir den Anspruch haben, selbst aus diesen Spielen deutlich mehr mitzunehmen, zeigt unsere gestiegene Erwartungshaltung. Wir müssen diese Ambition verkörpern, auch wenn es mal eine kleine Wackelphase gibt. Es wäre fatal, von den Saisonzielen abzuweichen. Wenn wir unsere Ziele nicht erreichen, werden wir kritisiert, das ist völlig normal. Wir sind in den letzten drei Jahren aber auch viel gelobt worden. Wir können damit umgehen.

SPOX: Inwiefern hat der späte Kaderumbau Ihre mannschaftstaktischen Planungen beeinflusst?

Hecking: Ich versuche, die bestehenden Muster erst einmal aufrecht zu erhalten. Natürlich ist Julian Draxler aber ein ganz anderer Spielertyp als Kevin De Bruyne. Dadurch verändert sich allein schon unsere Spielsymmetrie. Durch den engen Spielplan können wir aktuell wenige Automatismen einstudieren. Ich kann ganz ehrlich sagen, dass ich mit Perisic, De Bruyne und Hunt für die neue Saison geplant hatte. Dass sie uns alle am letzten Transfertag verlassen haben, hat die Kaderstruktur noch einmal deutlich verändert.

SPOX: Hat Sie der De-Bruyne-Wechsel wirklich noch überrascht?

Hecking: Kevin hat uns sehr spät signalisiert, dass er den Weg nach Manchester gehen will. Damit waren wir uns sicher, dass wir keine Chance hatten, ihn zu halten. Bei Ivan Perisic war es ähnlich. Auch er hat uns gesagt, dass er zu Inter Mailand möchte. Das passierte aber alles sehr spät. Für Aaron Hunt war Hamburg sicher eine dankbare Option. Er war bei uns in Wolfsburg nicht ganz glücklich, was wir natürlich auch gespürt haben.

SPOX: Wenige Tage vor dem Wechsel hieß es, von VfL-Seite aus gebe es keine Verhandlungsbereitschaft in der Personalie De Bruyne. Ist es im heutigen Fußballgeschäft nicht utopisch, eine solche Aussage zu treffen?

Hecking: Zu dem Zeitpunkt war für uns klar, dass wir Kevin nicht gehen lassen wollten. Es war gar nicht absehbar, dass irgendein Verein eine Ablösesumme in der Höhe bezahlen würde. Utopisch war für mich eher, dass ein Klub unsere Forderungen tatsächlich erfüllt, um Kevin De Bruyne zu verpflichten. Aus rein sportlicher Sicht hätten wir Kevin trotzdem gerne bei uns gesehen.

SPOX: Den Anschluss hat er in der Premier League mit drei Toren in vier Spielen aber doch schnell gefunden. Hat Sie das überrascht?

Hecking: Überrascht nicht, nein. Für Kevin wäre es aber gut gewesen, noch ein, zwei Jahre in Wolfsburg zu bleiben und hier mit uns, wo er der zentrale Spieler war, Champions League zu spielen. In Manchester trifft er auf ein ganz anderes Mannschaftsgefüge. Es spricht aber für Kevins Selbstvertrauen, dass er sich diesen Schritt nach der letzten Saison jetzt schon zutraut. Und es sieht so aus, als ob er in der Mannschaft bereits gut angekommen ist.

SPOX: Wie war das bei Ihrem Team? Hat sich der Abgang des vermeintlich besten Spielers auf das Selbstverständnis der Mannschaft ausgewirkt?

Hecking: Ich kann den einzelnen Spielern nicht in den Kopf schauen. Ein Abgang bedeutet auch immer wieder einen Anfang. Meine Spieler wussten, was sie an Kevin hatten. Jedoch sehen sie auch, dass es weitergeht. Es ist bei allen Top-Vereinen so, dass man mal einen Ausnahmespieler verliert. Letztlich hat jeder nachvollziehen können, warum Kevin diesen Schritt geht. Von daher hatte der Wechsel keine negativen Einflüsse. Auch unsere aktuelle Situation führen wir nicht darauf zurück.

SPOX: Klaus Allofs sagte nach dem Gladbach-Spiel, man dürfe das Wort Krise verwenden. Ist etwas Frust mit dabei, dass die Dinge, die im letzten Jahr noch besser liefen, aktuell nicht so gut funktionieren?

Hecking: Es ist drei Jahre nur bergauf gegangen, jetzt haben wir mal eine Phase, in der die Ergebnisse nicht ganz so positiv sind. Man muss diese Thematik aber differenziert betrachten. Wir waren in München vor allem in der ersten Halbzeit gleichwertig, wenn nicht sogar die bessere Mannschaft, obwohl Lewandowski dann seine zehn Stern-Minuten hatte. Auch international sind wir nicht so weit hintendran, wie man das vielleicht noch meint. Wir haben auf jeden Fall die Möglichkeit, in dieser Gruppe weiterzukommen, obwohl wir unser Top-Niveau noch nicht erreicht haben.

SPOX: Das gilt auch speziell für Andre Schürrle. Sind Sie enttäuscht darüber, dass er so lange braucht, um in der Mannschaft Fuß zu fassen?

Hecking: Wir sind von Andre nicht enttäuscht. Manchmal braucht ein Spieler auch ein komplettes Jahr oder noch länger, um den Schalter umzulegen. De Bruyne und Perisic haben auch ihre Zeit benötigt. Andre ist voll bei der Sache und hat eine eigene hohe Erwartungshaltung. Wenn er Selbstvertrauen auf den Platz bringt, ist er zweifelsohne ein sehr guter Spieler.

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Seite 2: Hecking über De Bruynes Mega-Ablöse, Saisonziele und den Tod Malandas

Dieter Hecking im Steckbrief

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