"Podolski ist nicht nur Strahlemann"

Frank Schaefer begann 1982, als Nachwuchstrainer für den 1. FC Köln zu arbeiten
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SPOX: Der FC war schon immer ein Verein, der dem Personenkult gefrönt hat...

Schaefer: Die Leute stürzten sich auf einzelne Gesichter und ich war sechs Monate lang eben eines davon. Das war für mich sehr belastend, denn es gab keinerlei Phasen, in denen man sich komplett auf die Mannschaft konzentrieren oder auch einmal etwas zurücknehmen konnte. An mir ist regelrecht gezerrt worden, obwohl ich nicht naiv an diesen Job herangegangen bin. Ich hatte mich wirklich darauf vorbereitet. Doch dieses ganze Drum und Dran war einfach unglaublich intensiv.

SPOX: Als Chefcoach in der Bundesliga verbringt man 24 Stunden mit dem Beruf. Wie sehr beeinflusste das Ihr Privatleben?

Schaefer: Es blieb zwar noch Zeit dafür übrig, doch in Gedanken war ich weg und immer bei der Mannschaft. Sie dürfen nicht vergessen: Ich war Bundesligatrainer in der Stadt, in der ich geboren wurde und wohnte. Wenn diese Stadt dann Köln heißt, wissen Sie, was das bedeutet. (lacht) Mein direktes Umfeld hat sehr gut darauf reagiert, dass ich so arg in der Öffentlichkeit stand. Doch ich habe deutlich die Schattenseiten dieses Geschäfts erlebt. Ich konnte mich nicht frei bewegen und bin nicht zur Ruhe gekommen.

SPOX: Sie hatten damals keinen Berater an Ihrer Seite. Hätten Sie rückblickend betrachtet einen gebraucht?

Schaefer: Ich habe mich bewusst dagegen entschieden. Ich lasse mich ungern fremd bestimmen oder beeinflussen, denn ich habe meine eigenen Werte und Vorstellungen. Ich gebe aber im Nachhinein zu, dass mir ein Stück mehr Begleitung, ob von einem Berater, dem Klub oder sonst wem, definitiv gut getan hätte.

SPOX: Damals sagten Sie, Teile des Fußballgeschäfts würden Sie anwidern.

Schaefer: Ich möchte mit diesem Zitat gerne einmal aufräumen. Das war eine Aussage, die ich im Rahmen eines großen Interviews für eine Boulevardzeitung getätigt habe. Mir ging es damals wirklich nur um einen kleinen Teilbereich, nämlich um die Einflüsse, die rund um einen Spieler bisweilen herrschen können. Daraus wurde jedoch eine große Grundsatzfrage gemacht, mit der man später auch meinen Rücktritt erklären wollte. So war das allerdings nie gemeint. Es gibt in meinen Augen innerhalb des Bundesligageschäfts deutlich mehr positive als negative Dinge.

SPOX: Was sind die negativen Dinge?

Schaefer: Zunächst einmal ist der Fußball Teil einer gesamtgesellschaftlichen Entwicklung. Der Fokus darauf ist sehr groß, er zieht auch viele eitle Leute an. Auch das ganze Geld, das in diesem Gesamtpaket steckt, ist interessant. Bei uns im Nachwuchsbereich kommt es vor, dass 13-, 14-jährige oder noch jüngere Spieler bereits von Beratern kontaktiert werden. Es entsteht schon in diesem Alter ein Wettbewerb zwischen den NLZ um große Talente. Das ist eine Entwicklung, die wohl nicht mehr zu stoppen ist. Ich habe jedoch eindeutig meine Zweifel, ob das insbesondere dem Nachwuchsfußball gut tut.

SPOX: In Nordrhein-Westfalen gibt es eine große Dichte an Profiklubs innerhalb eines überschaubaren Einzugsgebiets. Muss ein Gentlemen's agreement unter den Vereinen her, um diese Entwicklungen wieder einzufangen?

Schaefer: Das Rad lässt sich schon allein deshalb nicht mehr zurückdrehen, weil das dann der erste Bereich im Fußball wäre, in dem man noch etwas zurückdrehen könnte. Das lässt sich nur mit Vernunft handhaben. Wir haben beispielsweise mit Leverkusen und Gladbach ein gutes Miteinander, wir NLZ-Leiter tauschen uns regelmäßig aus. Es gibt aber auch Vereine, da läuft das anders, aggressiver. Man muss im Nachwuchsbereich aufpassen, dass bei den Spielern und deren Eltern nicht eine Erwartungshaltung entsteht nach dem Motto: Wenn ich es nicht zum Bundesligaspieler schaffe, dann bin ich gescheitert.

SPOX: Spüren Sie, dass das tatsächlich so werden könnte?

Schaefer: Natürlich. Das ist auch eine der Folgen der NLZ-Arbeit: die Spieler werden frühzeitig mit professionellsten Methoden konfrontiert und sind total fokussiert auf ihren Traum. Doch damit muss man sehr seriös umgehen. Wenn die Eltern eines 14-Jährigen zu mir kommen und aus vollster Überzeugung mitteilen, dass sie sich jetzt für die Schule als die Nummer eins im Leben ihres Sohnes entschieden haben, dann denke ich mir: Das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Wofür denn sonst?

SPOX: Nachdem Sie über 30 Jahre lang Trainer waren, fungieren Sie jetzt seit rund drei Jahren als Nachwuchskoordinator beim FC. War es das für Sie als Coach?

Schaefer: Mir lagen immer mal wieder Anfragen vor, doch mit Ende 40 für irgendein Himmelfahrtskommando in die 3. Liga zu gehen und dann von Verein zu Verein zu hoppen, kommt für mich nicht in Frage. Es macht mir aktuell großen Spaß, in Gesprächen mit Trainern, Spielern oder Eltern von meinen vielen praktischen Erfahrungen zu profitieren. Ich müsste aber lügen, wenn ich sage, dass ich den Trainerjob für mich abgehakt hätte. Ich möchte nicht kategorisch ausschließen, noch einmal bei einem interessanten Projekt als Coach zu arbeiten.

SPOX: Ihre derzeitige Jobzufriedenheit hängt bestimmt auch damit zusammen, dass sich der 1. FC Köln so ein bisschen neu erfunden hat. Ist das aktuell der ruhigste und besonnenste FC, den Sie je erlebt haben?

Schaefer: Wir sind jetzt seriös, ja. (lacht) Im Ernst: Es besteht großes Vertrauen in die handelnden Personen, die sehr unaufgeregt agieren. Alle Beteiligten vermeiden, eine falsche Erwartungshaltung zu erzeugen. Diese Fakten sind überhaupt nicht mehr mit dem vergleichbar, was früher hier stattgefunden hat. Dazu hat man nun eine Mannschaft, in der nicht einzelne Spieler extrem im Fokus stehen, sondern die Teamfähigkeit. Das ist für mich der entscheidende Punkt, weshalb der Verein wieder in die Spur gekommen ist.

SPOX: Der Spieler, der in der Vergangenheit am meisten im Fokus stand, war Lukas Podolski. Sie haben ihn zu Ihrer Zeit als Chefcoach zum Kapitän gemacht. Wie bewerten Sie ihn aktuell?

Schaefer: Lukas agiert jetzt seit zwölf Jahren auf höchstem fußballerischen Niveau und wird später auf eine sehr erfolgreiche Karriere zurückblicken können. Er braucht einen hohen Wohlfühlfaktor, um mit Spaß spielen zu können. Er ist viel sensibler, als man denkt und bei weitem nicht nur der Strahlemann, als der er immer dargestellt wird. Er benötigt viel Zuwendung, wir führten damals viele Einzelgespräche. Man muss aber auch sagen, dass es eine große Herausforderung war, mit der Sonderrolle, die Lukas in der Stadt, in den Medien und im Klub hatte, richtig umzugehen. Letztlich war er damals durch seine überragende Rückrunde maßgeblich daran beteiligt, dass der Klassenerhalt geschafft wurde. Bemerkenswert ist auch, dass er es beispielsweise bei der WM 2014 geschafft hat, wichtig in der Kabine zu sein - ohne die Hauptrolle auf dem Platz zu spielen. Das muss man ihm hoch anrechnen, denn das ist gar nicht so einfach, wenn man über Jahre hinweg gewohnt war, pausenlos im Mittelpunkt zu stehen.

SPOX: Dennoch scheint seine Karriere etwas ins Stocken geraten zu sein.

Schaefer: Er ist in den letzten ein, zwei Jahren auf der Suche nach seinem fußballerischen Glück. Ich wünsche ihm, dass er dieses Glück wiederfindet - und danach sieht es bei Galatasaray ja aus. Von den Erfahrungen, die er zuletzt bei Arsenal, aber auch bei Inter und jetzt in Istanbul gemacht hat, wird er ein Leben lang profitieren.

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