SPOX: So wie 2012 bei Ihrem Wechsel zum FC Bayern. Ihr Vater sagte Ihnen damals: "Du musst mehr als 500 Löwen am Tag töten" - symbolisch für die harte Arbeit, die Ihnen bevorstand. Haben Sie am Ende Ihrer Zeit in München nur noch 499 geschafft?
Dante: (lacht) Vielleicht habe ich nur 499 getötet, aber ich habe in jedem Fall versucht, auch den 500. zu erwischen. Ich habe jeden Tag alles gegeben, worauf ich auch sehr stolz bin. Vielleicht sind mir mal Fehler unterlaufen, aber ich war immer gewillt, das Beste aus mir rauszuholen. Im Fußball kann nicht jeden Tag alles passen. Es gibt immer Kleinigkeiten, an denen man etwas aussetzen kann.
SPOX: Fühlten Sie sich am Ende in der Öffentlichkeit aber zu kritisch wahrgenommen?
Dante: Nein, überhaupt nicht. In den Medien wurde manchmal zu viel interpretiert. Plötzlich ging es um Dinge, die für mich oder die Mannschaft überhaupt nie ein Thema waren. Das ist manchmal schade, denn wir Spieler stehen hauptsächlich auf dem Platz und werden fast nur anhand dieser Leistungen wahrgenommen. Den Charakter und die Gefühlswelt eines Spielers kennen die meisten gar nicht.
SPOX: Stört Sie diese Unnahbarkeit am Fußballer-Dasein?
Dante: Man kann leider nicht jeden persönlich kennen. Insgesamt denke ich aber, dass mich viele Leute in München positiv in Erinnerung behalten werden. Das ist mir wichtig. Deswegen bin ich auch glücklich, nach München gegangen zu sein. Genauso war es der richtige Schritt, im Sommer nach Wolfsburg zu kommen.
SPOX: Haben Naldo und Luiz Gustavo Ihnen beim Eingewöhnen geholfen?
Dante: Natürlich haben sie mich sehr unterstützt. Für einen Brasilianer ist das aber auch Pflicht. (lacht) Das gilt jedoch für die ganze Mannschaft. Insgesamt ist es eine tolle Truppe: Eine gute Mischung aus Erfahrung und jungen Spielern, die sehr viel Energie ausstrahlen.
SPOX: Mit Dieter Hecking haben Sie hier einen ganz anderen Trainer als Pep Guardiola. In welchem Punkt haben Sie die Umstellung am deutlichsten gemerkt?
Dante: Bei der deutschen Mentalität. (lacht) Ich weiß, dass die Leute hier sehr fleißig und pünktlich sind. Unter Dieter Hecking merkt man jedoch noch einmal mehr, wie wichtig es ist, hart zu arbeiten. Er ist aber auch ein sehr kommunikativer Trainer und kann Dinge gut erklären. Das schätze ich an ihm.
SPOX: Trotzdem fehlt dem VfL in dieser Saison bislang noch die Konstanz. Überzeugenden Siegen wie dem gegen Werder stehen empfindliche Niederlagen wie die in Mainz oder Eindhoven gegenüber.
Dante: Nach einer so guten Saison wie der letzten ist es nie einfach, die Leistungen direkt wieder zu bestätigen. Das hat auch die Vergangenheit gezeigt: Außer den Bayern hat es in den letzten Jahren kaum eine Mannschaft geschafft, zwei Jahre in Folge auf einem konstant hohen Level zu spielen. Das ist zuletzt dem BVB 2011 und 2012 gelungen. Die Erwartungshaltung ist viel höher geworden, alle müssen noch mehr arbeiten und noch konzentrierter sein. Das hängt auch damit zusammen, dass die Gegner uns anders wahrnehmen.
SPOX: Inwiefern?
Dante: Man spielt nun viel defensiver gegen uns. Letztes Jahr sind die Mannschaften gegen Wolfsburg mutig nach vorne gerannt. Jetzt stehen fast alle deutlich tiefer und nehmen weniger aktiv am Spiel teil. Das soll aber keine Ausrede sein. Nach dem Kaderumbruch im Sommer sehe ich uns ohnehin auf einem guten Weg.
SPOX: Führt Sie Ihr persönlicher noch einmal zurück in die Selecao?
Dante: Darüber mache ich mir aktuell keine Gedanken. Ich konzentriere mich voll und ganz auf den VfL, zumal es die logische Konsequenz war, dass nach der enttäuschenden WM ein neuer Trainer kommt, der erst einmal auf andere Spieler setzt. Außerdem haben wir in Brasilien richtig gute Jungs, die auch deutlich jünger sind als ich. Letztlich ist es auch nicht so wichtig, wer spielt, denn wir spielen alle mit unserem Herzen.
SPOX: Diesen letzten Satz haben Sie auch nach dem 1:7 bei der WM gegen Deutschland gesagt, jedoch mit dem Zusatz: "Ich glaube, viele Leute verstehen immer noch nicht so richtig, was es heißt, wenn wir Brasilianer das sagen." Versuchen Sie es zu erklären.
Dante: Wenn wir sagen, wir spielen mit Herz, soll das nicht heißen, dass andere Nationen nicht immer 100 Prozent geben. Im Gegenteil, ich bin mir sicher, dass jede Mannschaft immer alles gibt. Ich denke aber, dass der Fußball uns noch einmal stärker verbindet als es vielleicht andernorts der Fall ist.
SPOX: Warum ist das so?
Dante: Das fängt bei den Erlebnissen in unserer Kindheit an und geht über unsere Kultur und Philosophie bis hin zur gesamten Familie. Sie bleibt auch - und gerade wegen des Fußballs - der Mittelpunkt in unserem Leben. Ich spiele nicht nur für mich und meine Eltern, sondern auch für meine Tanten, Onkel, Cousinen oder Cousins. Das ist ein großer Kreis. Wenn ich mich vor einem Spiel noch etwas mehr motivieren will, denke ich daran zurück, wo ich vor zwölf oder dreizehn Jahren war und ich merke: An dem Punkt, an dem ich jetzt bin, könnte ich nicht glücklicher sein. So geht es uns allen in der Selecao.
Seite 1: Dante über Terrorangst, seine Rolle als Comic-Held und seinen Weg zum Profi
Seite 2: Dante über den Konkurrenzkampf beim FCB, Hecking und Fußball mit Herz
Dante im Steckbrief