"Bader interessiert dort keinen mehr"

Martin Bader übernahm die Geschicke von H96 im September 2015
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SPOX: Sie kennen es aus Nürnberg, in Hannover ist es ähnlich: bei einem Traditionsverein ist es nur selten möglich, in Ruhe zu arbeiten. Die Erwartungshaltungen sind groß. Ist diese stete Hektik bei allen positiven Eigenschaften, die ein solcher Verein mit sich bringt, nicht auch irgendwo bedauerlich?

Bader: Ja und nein. Wenn es niemanden mehr interessieren würde, was wir hier machen, wäre das fatal. Eine Gleichgültigkeit darf niemals entstehen. Bei einem großen Klub geht es manchmal auch deshalb kurzzeitig hektischer zu, weil die Arbeit schlicht jede Woche anhand der sportlichen Ergebnisse bewertet wird. Man wird ständig gewogen. Es fällt den Menschen auch aufgrund der Schnelllebigkeit der sozialen Medien immer schwerer, sich in uns handelnde Personen hinein zu versetzen. Schwarz und weiß ist im Fußball normal - das darf man aber nicht beklagen.

SPOX: Wie viele absurde Dinge erlebt man denn in Ihrer Position im Alltag, gerade bei Themen wie der Kaderplanung?

Bader: Man lernt jedenfalls nie aus, selbst wenn man schon 20 Jahre lang im Geschäft ist. Es gab schon Transfergeschichten, da war alles ausverhandelt und am nächsten Tag ist plötzlich das Gegenteil der Fall, weil beispielsweise die Frau interveniert und meint, ihr gefalle die Stadt dann doch nicht. Ein Trainer hat mir mal nach wochenlangen Gesprächen zugesagt, ist dann nach Hause zur Familie gefahren, wir haben nebenbei alles Vertragliche vorbereitet. Am nächsten Tag rief er an und sprang ab, weil auf einmal sein Bauchgefühl dagegen gesprochen habe. Da geschehen teilweise Dinge, die einem niemand glauben würde.

SPOX: 96 steht aktuell mit dem Rücken zur Wand. Nach 14 Jahren in der Bundesliga droht der Abstieg, der dann auch zwangsläufig mit Ihrem Namen verbunden wäre. Hat Sie das im Vorfeld in irgendeiner Weise beschäftigt?

Bader: Mir war vor meinem Engagement klar, dass das hier sportlich eine ganz enge Geschichte werden wird. 96 hat in den letzten zweieinhalb Jahren an Substanz verloren und ist nicht von heute auf morgen in diese Situation geschlittert. Es dauert und kann schmerzhaft sein, diesen länger anhaltenden Prozess aufzuhalten und ins Positive umzukehren. Wir sind definitiv verbesserungsfähig. Dieses Risiko war mir aber nicht zu groß. Die Kurzlebigkeit des Geschäftes bringt es einfach mit sich, dass im Fall eines Abstiegs auch mein Name damit verbunden sein wird. Auch, wenn ich erst seit vier Monaten in Hannover tätig bin. Ich habe eher die Chance dahinter gesehen, das gemeinschaftlich anzupacken.

SPOX: Ein Abstieg bedeutet für einen Klub immer eine große Zäsur. Wie bedrohend ist denn in dieser Hinsicht die Situation bei 96?

Bader: Der Optimismus bei uns bleibt: Wir schaffen das.

SPOX: Über die Theorie müssen Sie sich doch aber auch Gedanken machen?

Bader: Sie haben zunächst einmal damit Recht, dass ein Abstieg Vereine in ihrer Entwicklung ganz weit zurückwirft und sie richtig durchrüttelt. Der wirtschaftliche Einschnitt - es brechen 50 Prozent der Einnahmen weg - ist gigantisch. Es ist dann mit erheblichen Schmerzen verbunden, dies wieder zur korrigieren. Dieses Szenario können wir natürlich nicht vollständig ausblenden, weil es auch die DFL verlangt.

SPOX: Heißt?

Bader: Bis März müssen die Lizenzunterlagen eingereicht sein, die in unserer Situation auch die Perspektive 2. Liga beinhalten. Diese muss man im Fall des Falles auch schnell umsetzen können. Wir könnten als Hannover 96 ja nicht sagen, uns nun erst einmal in der 2. Liga konsolidieren zu wollen und dann weiter zu sehen. Wir machen uns intern gerade Gedanken und wären darauf vorbereitet - weil wir es schlichtweg sein müssen.

SPOX: Bislang hat sich in Hannover vieles häufig auf Präsident Kind fokussiert. Wie haben Sie das aus der Ferne wahrgenommen?

Bader: 96 hat sich in den letzten Jahren sehr über den sportlichen Erfolg und die Teilnahme an der Europa League definiert, aber wenig über ein hervorragendes Scouting-Netzwerk oder interessante Nachwuchsspieler. Martin Kind hat nun antizipiert, dass durch den Wegfall des sportlichen Erfolgs andere Themen einen Schwerpunkt erfahren müssen. Wir investieren beispielsweise 18 Millionen Euro, um ein neues Nachwuchsleistungszentrum auf die Beine zu stellen, denn da hinken wir dem ligaweiten Standard noch hinterher. Hannover 96 ist bereits jetzt gut aufgestellt, braucht insgesamt aber noch mehr Schärfe. Wir sind noch kein besonderer Verein.

SPOX: Beim Club pflegten Sie ein enges Verhältnis zur Fanszene. Hier in Hannover gab es zuletzt auch einige Kontroversen, was die Beziehung zwischen Ultras und Verein angeht. Wollen Sie nach Ihren Erfahrungen beim FCN nun in Hannover weniger offensiv vorgehen?

Bader: Dafür gibt es kein Handbuch. Fakt ist: Man darf die Fans in seiner täglichen Arbeit nicht ausklammern, denn sie sind eminent wichtig für Hannover96. Es braucht daher einen regelmäßigen Dialog, damit Verein wie Anhänger einen gemeinsamen, transparenten Nenner finden. Das wiederum geht nur, wenn ich die Wertvorstellungen der Fanszene ein Stück weit kenne - und sie meine. Dieses Thema interessiert mich, aber es braucht Zeit.

SPOX: Sie haben fast zwölf Jahre lang beim Club gearbeitet. Würden Sie zustimmen, dass es nicht so endete, wie Sie es sich vorgestellt hatten?

Bader: Es war sicherlich kein Zufall, dass ich dort elfeinhalb Jahre durch gute wie schlechte Zeiten gegangen bin. Die Bewertung einer Arbeit ist oft auch hauptsächlich vom Ende des Engagements, vom letzten Eindruck, geprägt. Die Lage beim Club hat sich mittlerweile normalisiert, man konzentriert sich jetzt wieder auf Sachthemen. Nürnberg ist für mich aber abgeschlossen, Martin Bader interessiert dort verständlicherweise auch keinen mehr. Verein und Stadt werden aber für immer ein Teil meines Lebens bleiben und ich hoffe, dass der Club aufsteigt.

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