Der Weg zur Bayern-DNA

Dr. Karsten Schumann arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter beim FCB
© Institut für Fußballmanagement

Ein neues Leistungszentrum, neues Personal und wieder mehr Fokussierung auf die Region: Der FC Bayern München strukturiert seinen Nachwuchsbereich neu. Sammer-Assistent Dr. Karsten Schumann gab am Institut für Fußballmanagement einen Einblick in die Ideen des Klubs.

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Karsten Schumann ist der Schattenmann. Der Doktor der Sportwissenschaft ist als Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Vorstands beim FC Bayern angestellt, in dieser Position arbeitet er in erster Linie Matthias Sammer zu.

Schumann assistierte dem Sportvorstand schon während seiner Zeit als Sportdirektor beim DFB und ist ein enger Vertrauter. Wer Schumann sprechen hört und Sammer kennt, kann sich vorstellen, wie sehr sich ihre Ideen gleichen. Die Rollenverteilung ist dabei klar: Sammer arbeitet in der Öffentlichkeit, Schumann im Hintergrund.

Schumanns Auftritt bei der 1. Expertentagung zur Talentförderung im bayerischen Fußball am Institut für Fußballmanagement war also eine Rarität. "Ich arbeite strategisch im Hintergrund. Ich bin nicht der Praktiker", sagte Schumann. Seine Aufgaben sind konzeptioneller Natur. Er gibt in Absprache mit Sammer die Leitlinien in der Talentförderung beim Rekordmeister vor.

Bewegung im Nachwuchsbereich

Beim FC Bayern ist zurzeit einiges in Bewegung im Nachwuchsbereich. Zuletzt habe Uli Hoeneß "frischen Wind in die Nachwuchsabteilung gebracht", wie der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge erklärte. Das hat auch zu der einen oder anderen personellen Veränderung geführt.

Am meisten Aufmerksamkeit erhält dabei der Bau des neuen Nachwuchsleistungszentrums an der Ingolstädter Straße im Norden der Stadt. Etwa 70 Millionen Euro soll das Projekt verschlingen, es ist die größte infrastrukturelle Investition seit dem Bau der Allianz Arena.

Zur Saison 2017 soll das 30 Hektar große Areal fertig sein und neben der Jugendakademie eine Dreifachsporthalle, ein Vereinsheim mit Büroräumen, acht Fußballplätze (zwei davon Kunstrasen) und ein Stadion für 2.500 Zuschauer beinhalten.

Spielfreude, Individualität und Erziehung

Welche Inhalte dort an die Talente vermittelt werden, gibt zu einem großen Teil auch Schumann vor. Die Gesamtstrategie, die der FC Bayern in seiner Nachwuchsabteilung verfolgt, hat er mit "Organisation individueller Leistung" überschrieben. Was recht technokratisch klingt, soll auf dem Platz ganz anders aussehen. Denn die Spielfreude steht im Mittelpunkt, sagt Schumann. "Wenn wir den Kindern nicht vermitteln, dass Fußball Freude machen soll, dann machen wir etwas verkehrt."

Ein weiterer wichtiger Faktor ist dabei die Zeit. "Talente müssen sich entwickeln. Wenn wir ihnen nicht die Zeit geben, haben wir unfertige Talente. Wir wollen deshalb wieder verstärkt den Fokus auf die sportliche Entwicklung legen und versuchen, das Training noch stärker zu individualisieren", erklärt Schumann.

Als Schlüssel zu einer erfolgreichen Entwicklung eines jungen Spielers hat der FC Bayern dabei den Trainer bestimmt. Das Trainer-Spieler-Verhältnis sei die "Keimzelle der sportlichen Entwicklung", so Schumann. Trainer sind mehr als nur sportliche Coaches, sie sind gleichzeitig auch Erzieher der Heranwachsenden. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, will der FCB zukünftig auch mehr in das Coaching der Trainer investieren und sie in einem regelmäßigen Austausch weiterentwickeln.

Auch deshalb wurde in der Betreuung der U-Mannschaften eine weitere Ebene eingezogen. Dies führte zur Trennung von Nachwuchskoordinator Michael Tarnat und Scout Jürgen Jung.

Freiheit innerhalb der Leitlinien

Die inhaltlichen Leitlinien kommen vom Verein, in ihrer Auslegung sind die Trainer aber frei. "Bayern München muss den Grundstein legen", sagt Schumann. "Wir geben eine Spielidee vor, die Art und Weise, wie wir spielen wollen, aber nicht die Formation." Viererkette, Dreierkette, Raute, was auch immer. Jeder Trainer hat das Recht, die am besten auf seine Mannschaft passende Aufteilung zu finden.

Aber: die elementaren Schlagworte der Vorgaben müssen sich auf dem Platz erkennen lassen - von der U9 bis zur U23. Im Spiel mit dem Ball sind das: dominant, offensiv, dynamisch. Gegen den Ball heißt es: alle, immer, kompakt, aggressiv.

Das alles natürlich wird gepaart mit Sammers Lieblingsthemen, Siegermentalität, Fleiß, Disziplin und Demut. Denn "ohne FCB-DNA lebt unsere FCB-Spielidee nicht", wie es auf einer von Schumanns Folien zu lesen ist. Oder wie er selbst erklärt: "Wir können gute Verlierer ausbilden, wenn wir nur Technik, Taktik und Kondition schulen."

Spagat zwischen regional und international

Den Fokus in der Talentsuchte will der Klub künftig wieder verstärkt auf den bayerischen Raum legen. Die Fahrzeiten der jungen Spieler bis zur U13 sollen reduziert werden und maximal 60 Minuten betragen. Außerdem sollen auch wieder Partnervereine in ganz Bayern gefunden werden. Ein Ansatz, der schon früher existierte, aber aufgrund von Erfolglosigkeit eingestellt wurde.

Die Aufgabe ist ein Spagat. Denn der Klub ist zu einer Weltmarke aufgestiegen und mit dem FC Barcelona auf Spitzeniveau führend. Für den Nachwuchs ist die Entwicklung in gewisser Weise auch zu einem Problem geworden. Der Sprung aus dem U-Bereich in die erste Mannschaft ist extrem schwierig, weil das Niveau im Kader exorbitant hoch ist.

Deshalb orientiert sich der FC Bayern laut Schumann auch bei der Arbeit im Jugendbereich international und an "Weltspitzenleistungen". Man will sich weiterhin über Spieler aus dem näheren Umfeld wie Philipp Lahm oder Thomas Müller definieren. "Wir brauchen diese Spieler für die Hygiene der Mannschaft", sagt Schumann.

Um das zu erreichen, wollen die Bayern auch aggressiver auf dem Markt sein. Rücksicht auf Befindlichkeiten anderer Vereine wird dabei nicht immer genommen. So kam es zuletzt auch zu kritischen Worten an der Abwerbungsoffensive der Münchner aus Augsburg und Fürth.

Eine Garantie für Erfolg gibt es dabei nicht, denn im Nachwuchsbereich spielen viele Unwägbarkeiten eine Rolle. Aber der FC Bayern ist gerade dabei, sich neu für die Zukunft zu wappnen und hat dabei einiges angestoßen. Aber wer sich nicht bewegt, bleibt stehen. Das wäre laut Schumann fatal: "Stillstand bedeutet im Leistungssport verlieren - und das wollen wir nicht."

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