Im Jahr 2007 wird der VfB Stuttgart Deutscher Meister und schrammt knapp am Double vorbei. Seitdem spielten die Schwaben sechs Mal auf europäischer Bühne und nahmen durch die Transfers von Stars wie Gomez, Khedira, Leno und Kimmich unzählige Millionen Euro ein. Dennoch steht der VfB neun Jahre nach der Meisterschaft vor einem Scherbenhaufen und könnte am Wochenende absteigen (Sa., ab 15.30 Uhr im LIVETICKER). Wie konnte es so weit kommen? SPOX blickt zurück.
19. Mai 2007: Sami Khedira köpft den VfB in den Fußball-Himmel. Dank seines Tores zum 2:1 gegen Energie Cottbus ist das Fußball-Märchen perfekt und die Schwaben werden völlig überraschend Deutscher Meister. Am Abend versammeln sich 250.000 Fans auf dem Stuttgarter Schlossplatz und jubeln der Mannschaft zu. Nur eine Woche später schrammen die Schwaben im Pokalfinale knapp am Double vorbei. Gegen Nürnberg unterliegt man nach einem Kristiansen-Traumtor erst in der Verlängerung.
1. Juli 2007: Mit Yildiray Bastürk und Ciprian Marica werden im Sommer nach der Meisterschaft zwei potenzielle Leistungsträger an den Neckar geholt und mit sündhaft teuren Verträgen ausgestattet. Speziell Bastürk gilt unter Spezialisten eigentlich als Dauerpatient. Auf Druck von Meistertrainer Veh verpflichten die Schwaben den Türken dennoch. "Hätten wir ihn nicht geholt, wäre das Tischtuch zwischen Veh und uns zerschnitten gewesen", verrät der damalige Manager Horst Heldt Jahre später. Im Tor soll Nürnbergs Raphael Schäfer den nach Spanien abgewanderten Timo Hildebrand ersetzen. Alle Transfers floppen.
Die Fußballwelt im Netz auf einen Blick - Jetzt auf LigaInsider checken!
12. Dezember 2007: Dank der Meisterschaft spielt der VfB nach 2003 zum zweiten Mal innerhalb von fünf Jahren in der Champions League und darf sich in der Gruppenphase mit dem großen FC Barcelona messen. Im Camp Nou führen die Schwaben dank eines Freistoßes von Antonio da Silva sogar kurzzeitig, werden aber letztlich mit 1:3 nach Hause geschickt. Mit drei Punkten werden die Schwaben noch hinter Lyon und Glasgow Letzter in der Gruppe.
26. Februar 2008: In der Liga kommt Stuttgart nur schwer aus den Startlöchern. Es setzt sechs Pleiten aus den ersten zehn Spielen. Gerade als sich der VfB wieder gefangen hat, gibt's eine herbe Pokal-Pleite im Viertelfinale gegen den designierten Zweitliga-Absteiger Carl-Zeiss Jena. "Das Jena-Spiel war ein Debakel", erinnert sich Cacau.
17. Mai 2008: Durch eine Serie von sechs Siegen und zwei Remis zwischen dem 20. und dem 27. Spieltag klettert Stuttgart auf Rang 5. Am Ende geht dem VfB jedoch die Puste aus. Aus den letzten drei Spielen gibt's nur einen Punkt, die direkte EL-Quali ist dahin. Dennoch rüsten die Stuttgarter im Sommer personell namhaft nach. Mit Khalid Boulahrouz (vom FC Chelsea) und Jens Lehmann (FC Arsenal) kommen zwei internationale Schwergewichte und werden mit extrem lukrativen Verträgen ausgestattet. Sie sollen den VfB wieder in die CL führen.
23. November 2008: Nach einer Sieglosserie von fünf Spielen in Folge und einem erneut holprigen Start in die Liga muss Meistertrainer Armin Veh seinen Hut nehmen. Markus Babbel wird neuer Trainer. Nach dem Umweg über die Quali setzen sich die Schwaben auch in der Gruppenphase der Europa League durch. Im Sechzehntelfinale gegen Zenit St. Petersburg ist Mitte Februar nach zwei 1:2-Pleiten allerdings Schluss.
23. Mai 2009: In der Liga schießt der VfB dank einer bärenstarken Rückrunde auf Platz drei. Am letzten Spieltag der Liga trifft Gomez ein letztes Mal im schwäbischen Trikot - ausgerechnet in der Allianz Arena bei seinem künftigen Arbeitgeber. Der gebürtige Schwabe und größtes Talente des VfB-Nachwuchses wechselt im Sommer für rund 30 Millionen zu den Bayern.
1. Juli 2009: Statt die Gomez-Millionen mit Bedacht zu investieren, gehen die Schwaben großzügig auf Shopping-Tour. Zdravko Kuzmanovic soll neuer Leader im Mittelfeld werden und wird für satte acht Millionen Euro vom AC Florenz losgeeist. Er ist bis heute der teuerste Transfer der Vereinsgeschichte. Auch die Rückholaktion von Aliaksandr Hleb verschlingt bis zu acht Millionen Euro. Hinzu kommen die Transfers von Pawel Pogrebnjak, der für fünf Millionen Euro kommt und die Gomez-Lücke schließen soll, und Stefano Celozzi (2,5 Mio. Euro). Das Geld des Gomez-Transfers ist nahezu komplett aufgebraucht.
28. November 2009: Trotz der Millionen-Investitionen stellt sich kein sportlicher Erfolg ein, die Neuzugänge bleiben allesamt hinter der Erwartungen zurück. Nach einem 0:4 gegen Leverkusen am 14. Spieltag rutscht der VfB auf Rang 17 ab. Die Verantwortlichen ziehen wenig später die Reißleine und setzen Markus Babbel vor die Türe. Vier Tage später, im CL-Gruppenspiel gegen Unirea Urziceni, sitzt bereits Christian Gross auf der Bank.
Die Fußballwelt im Netz auf einen Blick - Jetzt auf LigaInsider checken!
17. März 2010: Nach einem starken 1:1 im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinales gegen Barcelona verlieren die Schwaben im Rückspiel deutlich mit 0:4 und schnuppern somit letztmals CL-Luft. In der Liga gibt's standesgemäß das Comeback in der Rückrunde. Nach sechs Siegen und zwei Remis am Ende der Saison klettern die Schwaben auf Rang sechs und retten sich in die Europa League. Zu wenig für die Personalkosten von rund 67 Millionen Euro.
15. Mai 2010: Kevin-Prince Boateng mäht Michael Ballack im englischen FA-Cup-Finale um. Der Capitano fällt somit für die WM 2010 in Südafrika aus. Stuttgarts Sami Khedira rückt für Ballack in die erste Elf des DFB-Teams und macht mit einer bärenstarken Weltmeisterschaft erstmals international auf sich aufmerksam. Im Sommer wechselt Khedira zu Real Madrid und spült dem VfB 14 Millionen Euro in die Kassen. Auch diese werden direkt reinvestiert. Für insgesamt 12 Millionen Euro kommen Johan Audel, Mauro Camoranesi, Cristian Molinaro und Georg Niedermeier. Es sind die ersten Transfers, die der neue Manager Fredi Bobic zu verantworten hat. Er ist Nachfolger von Horst Heldt, den es zu Schalke zieht.
13. Oktober 2010: Wieder startet der VfB katastrophal in die Saison. Aus den ersten sieben Spielen gibt's sechs Pleiten. Die VfB-Führungsetage zieht früh die Notbremse und schmeißt Trainer Christian Groß bereits nach dem 7. Spieltag raus. "Das ist eine der schwierigsten Situationen in der Bundesligageschichte des Vereins. Wir haben alle größte Sorge", beschreibt Präsident Erwin Staudt die Situation. Jens Keller übernimmt das Team auf dem letzten Platz, wird aber noch vor der Winterpause nach gerade einmal 59 Tagen wieder entlassen. Das Chaos ist perfekt.
14. Mai 2011: Neu-Coach Bruno Labbadia führt den VfB dank der traditionell guten Rückrunde aus dem Abstiegskampf und landet mit seiner Mannschaft am Ende der Saison auf Rang elf. Dennoch spielen die Schwaben in der kommenden Saison erstmals nach 2006 nicht in Europa. Mit Christian Träsch (für neun Millionen Euro nach Wolfsburg) und Bernd Leno (für 7,5 Millionen nach Leverkusen) werden erneut zwei große Talente aus der eigenen Jugend für viel Geld verkauft. Auch an der Spitze gibt's einen Machtwechsel: Präsident Erwin Staudt tritt ab, Gerd Mäuser wird Nachfolger.
05. Mai 2012: Erstmals seit der Meisterschaft spielen die Schwaben eine solide Saison. Zwar rutscht das Team zwischenzeitlich auf Rang elf ab, letztlich gelingt der Einzug in die Europa League jedoch souverän. Labbadia ist somit der erste Coach nach Meistertrainer Veh, der eine ganze Saison bei den Schwaben übersteht. Doch der Verein hat mit einem selbst auferlegten Sparkurs zu kämpfen. Kostspielige Altlasten aus CL-Zeiten müssen von Bord geschmissen werden. "Einen Boulahrouz kann sich der VfB nicht mehr leisten", erklärt Bobic. Auch Coach Labbadia moniert: "Alle anderen rüsten auf und wir geben einige Spieler ab."
07. Oktober 2012: Die Geschichte wiederholt sich: Der VfB sammelt nur sechs Punkte aus sieben Spielen, steht in der Liga tief unten drin und kassiert eine empfindliche 0:2-Niederlage in der Europa League beim Außenseiter Molde. Labbadia, der mächtig in der Kritik steht, platzt nach dem Heimspiel gegen Leverkusen der Kragen: "Die Trainer in der Bundesliga sind nicht die Mülleimer von allen Menschen hier. Mich wundert's nicht, dass es hier alle paar Monate einen neuen Trainer gibt, wenn man sich so verhält, wie es hier der Fall ist. Als normaler Bundesliga-Trainer muss man sich heute die Frage stellen: Gehe ich einen schweren Weg, wie ihn der VfB Stuttgart gehen muss, mit? Oder sage ich: am Arsch geleckt."
01. Juni 2013: In der Liga tummeln sich die Schwaben in der gesamten Spielzeit im gesicherten Mittelfeld. Das Highlight der Saison kommt zum Schluss: Im Pokalfinale unterliegt der VfB trotz zwischenzeitlichem 0:3-Rückstand dem FC Bayern nur knapp mit 2:3. Da Bayern bereits für Europa qualifiziert ist, lösen die Schwaben erneut das Ticket nach Europa.
18. Juni 2013: Nur fünf Wochen vor der brisanten Mitgliederversammlung der Schwaben kommt's zum Paukenschlag auf der Führungsebene: Aufsichtsratschef Dieter Hundt erklärt seinen Rücktritt. Da Präsident Gerd Mäuser bereits im Sommer seinen Hut nahm, ist das Machtvakuum an der Vereinsspitze perfekt. Die Chance für einen Neuanfang scheint gekommen. War es doch Hundt, der jahrelang zwar die Finanzen unter Kontrolle hatte, den erforderlichen strukturellen Wandel jedoch oft links liegen ließ.
29. August 2013: Stuttgart scheitert in der Quali-Runde zur EL am krassen Underdog HNK Rijeka - es ist das bislang letzte Spiel des VfB auf der europäischen Bühne. Coach Bruno Labaddia wird wenige Tage später entlassen und durch Thomas Schneider ersetzt. Doch auch der heutige Co-Trainer der Nationalmannschaft scheitert und muss nach 195 Tagen wieder gehen. Zwischenzeitlich setzt es acht Ligapleiten in Folge und das Aus im DFB-Pokal in Runde zwei. Mit der Ernennung von Bernd Wahler zum neuen VfB-Präsidenten richtet der Verein seine Grundausrichtung wieder einmal neu aus. Oberstes Ziel des neuen VfB-Bosses ist die Ausgliederung der Profi-Abteilung.
Die Fußballwelt im Netz auf einen Blick - Jetzt auf LigaInsider checken!
15. März 2013: Rettung, Teil 1: Huub Stevens übernimmt die Schwaben auf Platz 17, macht hinten die Schotten dicht und rettet das Team trotz zweier Niederlagen zum Saisonende.
01. Juni 2014: Im Schwabenland wird eine neue Ära eingeläutet! Mit Rückkehrer Armin Veh soll nun endlich Schluss sein mit den ständigen Trainerwechseln. Der Coach weicht dafür von seiner kurzsichtigen Routine ab und unterschreibt einen Zwei-Jahres-Vertrag. Zusammen mit Sportvorstand Fredi Bobic bekommt er den Auftrag, das Team zu verbessern und eine weitere Saison im Abstiegskampf zu verhindern.
24. November 2014: Nach nur 12 Spieltagen (!) gleicht der Verein bereits wieder einem Scherbenhaufen. Sportvorstand Bobic wurde unmittelbar nach Saisonstart entlassen, im November endet die zweite Ära von Veh beim VfB. Er sieht keine Zukunft mit der Mannschaft. Statt ein neues Projekt anzuleiern, holen die Schwaben bereits am 13. Spieltag mit Huub Stevens erneut den klassischen Feuerwehrmann. Er bekommt nur einen Auftrag: Klassenerhalt!
22. Dezember 2014: Bobic verschafft sich Monate nach seiner Entlassung Luft und wettert gegen den Verein. Der Aufsichtsrat bestimme die Politik des Vereins, erklärt Bobic. "Die Herren werden es sicher verneinen, aber Tatsache ist, dass Politik gemacht wird. Und zwar im großen Stil", so Bobic: "Um erfolgreich sein zu können, braucht es dagegen Ruhe und Geschlossenheit - die fehlt. Stattdessen wird von den Gremien viel zu viel gesprochen, und das auch nach außen."
25. Mai 2015: Der Klassenerhalt gelingt dank eines hauchdünnen 2:1-Sieges in Paderborn. Retter Huub Stevens muss dennoch gehen. Bobic-Nachfolger Robin Dutt, der im Januar den Managerposten übernahm, ergreift die PK zur Vorstellung des neuen Trainers Alexander Zorniger als Möglichkeit zum Rundumschlag und nagelt Vorgänger Bobic an die Wand. "Ich habe einen Verein vorgefunden, der praktisch in seine Einzelteile zerlegt war", erklärt Dutt. Er habe weder "sportliche Kompetenz" noch "eine strukturierte Kaderplanung" gesehen. "Wir haben zu viele Spieler, für die es keinen vernünftigen Markt gibt", poltert Dutt und verspricht Besserung. Nun soll alles frischer, besser und strukturierter werden.
21. November 2015: Der neue Coach Alexander Zorniger verpasst dem VfB einen neuen Anstrich und lässt extrem offensiven Fußball spielen. Speziell nach dem begeisternden 4:2 in der Vorbereitung gegen Manchester City ist das Stuttgarter Umfeld angetan. Doch in der Liga geht der VfB mit dem als "Harakiri-Fußball" bezeichneten Stil baden. Fünf Pleiten in Folge gibt's direkt zu Saisonbeginn. Trotz teilweise herben Pleiten und heftiger Kritik am Spielstil bezeichnet Zorniger seine Taktik als "alternativlos". Nach einem 0:4 gegen Augsburg ist Schluss. Jürgen Kramny, Coach von Stuttgart II, übernimmt.
13. Februar 2016: Stuttgart gewinnt das fünfte Spiel in Folge und klettert auf Rang zehn. Das Umfeld atmet auf. Nach jahrelangem Abstiegskampf hat man mit dem Tabellenkeller scheinbar wenig zu tun.
Mai 2016: Aus den letzten 13 Partien gewinnt der VfB lediglich ein Spiel. Im als Abstiegsendspiel deklarierten Montagsspiel in Bremen geht der VfB hoffnungslos mit 2:6 unter. Auch am vorletzten Spieltag gegen Mainz setzt es eine herbe 1:3-Pleite, tausend VfB-Fans stürmen deshalb den Rasen. Am 14. Mai steht der Abstieg endgültig fest.