Fünf Millionen Euro Ablöse sollen es sein, ein Vierjahresvertrag bis zum Sommer 2020. Und das alles, nachdem der HSV beim letzten Werben um Halilovic selbst ein Leihgeschäft nicht auf die Reihe bekam.
In Hamburg tut sich etwas. Seit der Klub sich offiziell einvernehmlich von Sportdirektor Peter Knäbel getrennt hat, steuert Dietmar Beiersdorfer den Klub wieder im Alltagsgeschäft. Sein erster Deal erinnert prompt an seine erste Amtszeit.
Damals verpflichtete der HSV unter Beiersdorfers sportlicher Führung nationale und vor allem internationale Talente en masse. Vincent Kompany, Daniel van Buyten, Rafael van der Vaart, Nigel de Jong, Khalid Boulahrouz und nicht zuletzt Jerome Boateng steigerten ihren Marktwert in der Hansestadt und wurden mit üppigem Gewinn verkauft. Der Boulevard krönte Beiersdorfer zu "Dukaten-Didi".
Halilovic-Transfer als Befreiungsschlag
Halilovics Transfer ist ein Befreiungsschlag für den HSV. Sidney Sam, Levin Öztunali, Jonathan Tah und zuletzt Kerem Demirbay - immer wieder verlor der Bundesliga-Dino seine Talente in den letzten Jahren teils zu Spottpreisen an die Konkurrenz. Plötzlich aber entscheidet sich ein internationales Juwel für einen Wechsel nach Hamburg. Zu einem Traditionsklub der Bundesliga. Zu einem Dauerabstiegskandidaten der letzten Jahre. Einen Verein mit offensichtlichen Finanzproblemen. Warum also ausgerechnet Hamburg?
Beiersdorfers Plan geht offenbar auf. "Ich werde alles dafür tun, diesem Klub wieder eine Identität, eine Kultur zu geben", hatte er bei seinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender im Juli 2014 erklärt.
Beiersdorfer: Alleinherrschaft in Phase 2
Nachdem er den existenzbedrohten HSV nach seinen Vorstellungen umgebaut hat, alle Strukturen und Prozesse für eine nachhaltige Entwicklung etabliert hat, braucht er nicht mehr seine gesamte Arbeitszeit für die Rolle als Vorstandsvorsitzender. Schließlich steht Bernhard Peters als Experte für Konzepte des Gesamtvereins mit intensivierter Jugendarbeit zur Verfügung.
Eine Doppelfunktion als koordinierender Chef und Sportvorstand ist für Beiersdorfer deshalb möglich. Nebenbei erspart sie die Reibereien mit einem Vorgesetzten wie in seiner ersten Amtszeit: Damals eskalierte der Streit mit Vorstandschef Bernd Hoffmann, Beiersdorfer nahm seinen Hut und ging als Fußball-Chefplaner zu Red Bull.
"Es wird natürlich sehr aufwendig", sagte Beiersdorfer schon bei der Ablösung vom gescheiterten Sportchef Knäbel: "Aber ich habe mich noch nie vor Arbeit gedrückt." Ein wesentlich besserer Kader trotz Sparzwang ist das Ziel. Den HSV drücken noch immer Verbindlichkeiten in Höhe von knapp 90 Millionen Euro. Beiersdorfer überredete deshalb Klaus-Michael Kühne zu einer weiteren Finanzspritze.
Die Kunst der Überzeugung
Doch wie kann ein Verein, der von Fans und einigen Medien aufgrund seiner sportlichen Misserfolge der letzten Jahre immer wieder verspottet wurde, trotz klammer Kassen gegen die gutbetuchte Konkurrenz aus England ankommen? Durch Arbeit. Überzeugungsarbeit.
Beiersdorfers Paradedisziplin. Der starke Mann des HSV ist ein Meister darin, Menschen auf seine Seite zu ziehen. Würde er nicht im Fußball-Business arbeiten, er könnte mit persönlichen Gesprächen jeder Hausfrau einen Laubbläser als Staubsauger andrehen.
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"Die Mannschaft brauchte neuen Input und Akteure, die ihr sofort weiterhelfen, gleichzeitig aber auch großes Entwicklungs-Potenzial mitbringen", skizzierte Beiersdorfer im SPOX-Interview einmal sein Vorgehen auf dem Transfermarkt. Er hatte während seiner Zeit bei Zenit St. Petersburg mal eben Hulk und Axel Witsel nach Russland gelotst. "Ich würde mir nie auf die Fahne schreiben, so etwas alleine über die Bühne gebracht zu haben. Meine Aufgabe war der Kontakt zum Spieler, ihn zu treffen, von unserem Projekt zu überzeugen und die Verhandlungen zu führen", sagte "Dukaten-Didi".
Natürlich kassiert auch Dietmar Beiersdorfer Absagen. Doch die Regelmäßigkeit, mit der er Spieler von einem Wechsel zu seinem Klub überzeugt, die eigentlich ein bis drei Vereinskategorien höher anzusiedeln sind, unterstreicht seine größte Qualität gleich mehrfach.
Treffende Analysen statt großer Worte
Der Vorstandvorsitzende-Kaderplaner des Hamburger SV ist kein Mann für TV-Kameras. Er spricht langsam. Er überlegt. Was er sagt, hat Hand und Fuß. Seine beste Fähigkeit sei die zur "bildhaften Analyse", urteilte der Spiegel schon im Jahr 2002.
Beiersdorfer hat klare Vorstellung und verkauft sie seinen Wunschspielern. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft, arbeitete er dreieinhalb Jahre für die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, er begann eine Doktorarbeit über die strategische Ausrichtung von Bundesligisten. Er arbeitet mit einem klar definierten Konzept, das Kurzschlusshandlungen auf allen Ebenen ausschließt.
Aktion statt Reaktion ist Beiersdorfers Ziel. Das dürfte auch der Grund sein, warum der Transfer noch nicht abgeschlossen ist: Er versucht, Barcelonas Sportchef Roberto Fernandez die geforderte Rückkaufklausel von 10 Millionen Euro nach dem ersten oder 12,5 Millionen Euro nach dem zweiten Jahr in Hamburg auszutreiben. Beiersdorfers guter Draht zu Generaldirektor Raul Sanllehi und Präsident Josep Maria Bartomeu dürfte helfen.
Halilovic hat sich festgelegt, nachdem er sich von Landsmann Ivica Olic die Aussagen von Beiersdorfer bestätigen ließ. "Er fragte mich nach dem HSV, wollte viele Informationen von mir haben. Alles, was ich ihm erzählt habe, gefiel ihm. Er schien von Hamburg und dem Verein überzeugt", verriet Olic der Bild: "Alen hat bei Gijon als Leihspieler eine gute Saison hingelegt. Jetzt will er den nächsten Schritt absolvieren. Und den will er am liebsten in der Bundesliga, beim HSV machen."
Neue Euphorie im Hamburger Umfeld
Die Verpflichtung wird im Hamburger Umfeld eine neuerliche Euphorie auslösen. Um den Kroaten buhlten vor wenigen Jahren die Schwergewichte Real Madrid, Manchester United, Juventus, Inter Mailand der FC Chelsea und Barcelona. Die Katalanen entschieden den Kampf für sich. Nur konnte sich Halilovic im Starensemble nicht auf Anhieb durchsetzen. Das schaffte er erst in der abgelaufenen Saison bei Sporting Gijon. 36 Einsätze, drei Tore, fünf Vorlagen lautete seine Bilanz.
Eine Frage stellt sich dennoch: Wo soll der jüngste kroatische Nationalspieler aller Zeiten beim HSV überhaupt spielen? Halilovic ist offensiv begabt, defensiv hat der Kroate Schwächen. Er ist ein Zehner, der auch auf der Außenbahn spielen kann, Linksfuß mit explosivem Antritt, starker Ballbehandlung und vorbildlicher Schusstechnik. Wenn schon nicht im Zentrum, dann zieht er am liebsten von rechts rein.
Alen Halilovic in Porträt: Genie zwischen den Fronten
Die frühen Vergleiche mit der Spielweise von Lionel Messi kamen nicht von ungefähr: Halilovic soll das größte Problem des HSV der vergangenen Jahre beseitigen, das Kreieren von Gefahr vor dem gegnerischen Tor. Denn Pässe oder Dribblings, die Torjäger in Tornähe brachten, fehlten dem HSV zuletzt völlig.
Der verletzungsanfällige Aaron Hunt könnte sich von Beginn an hinten anstellen müssen. Ösi-Talent Michael Gregoritsch wird Nicolai Müllers Backup auf Rechtsaußen, Nabil Bahoui sein Pendant für Filip Kostic auf links, sofern der Serbe die Freigabe des VfB Stuttgart erhält.
Gefahr: Circus Haligalovic
Doch der Halilovic-Transfer birgt auch eine Gefahr. Der 20-Jährige kann zur Diva mutieren. Wenn er nicht will, will er nicht. In Barcas Krisen-B-Team führte das soweit, dass ihn der Trainer nach 30 Minuten auswechselte, weil der Kroate seine Position als Rechtsverteidiger mit demonstrativer Lustlosigkeit ausfüllte. Er ging ohne den obligatorischen Handschlag vom Platz, beklagte sich und verweigerte eine Entschuldigung.
Gerade unter Bruno Labbadia droht ein "Circus Haligalovic". Der HSV-Trainer setzt auf die Geschlossenheit seines Teams, Halilovic forderte für sich immer wieder absolute Freiheit auf dem Platz. Hat der Kroate in Gijon dazugelernt, ist er ein optimaler Partner für Pierre-Michel Lasogga: Ein hoher Ball auf den Stürmer, an dem sich der Kroate eng orientiert, führt automatisch zur Gefahr.
Der HSV im Steckbrief