Auf und Ab in die Stimmungskrise?

Von Tristan Ebertshäuser
Thomas Tuchel: Seine Mannschaftskritik nach der Pleite in Frankfurt sorgte für Wirbel
© getty

Durch die 1:2-Niederlage bei Eintracht Frankfurt gab es für Borussia Dortmund einen erneuten Rückschlag in der Bundesliga mit anschließenden Diskussionen über die Kritik von BVB-Coach Thomas Tuchel, die Rotation und taktische Überforderung der Spieler - wer ist schuld an den Leistungsschwankungen, Trainer oder Mannschaft?

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Glasiger Blick, aufgerissene Augen starren ins Leere. Sie können die rumorende Mischung aus Enttäuschung und Wut schwer verbergen.

Dann folgen vieldiskutierte Sätze, unterlegt von einem Kopfschütteln, das klar signalisiert: völlig inakzeptabel. "Mit so vielen Defiziten ist in der Bundesliga kein Spiel zu gewinnen. Technisch, taktisch, mental, Bereitschaft - komplett. Unsere Leistung war ein einziges Defizit."

Mit seiner unverblümten Abrechnung auf der Pressekonferenz nach der 1:2-Niederlage bei Eintracht Frankfurt hat BVB-Trainer Thomas Tuchel gehörig Staub aufgewirbelt. Nicht nur Mannschaft und Trainerstab waren ob des neuerlichen Rückschlags deutlich angefressen. Auch das Echo bei Fans und Medien war nicht ohne.

Im Zentrum der Debatte: Tuchel. Fehlt ihm die Fähigkeit zur Selbstkritik? War die erneut umfangreiche Rotation zu viel des Guten? Überfordert er die Spieler mit seinen taktischen Ideen?

Tuchels Kritik - direkt und emotional

Hätte er nicht das Image eines modernen, kommunikationsgeschulten Fußballlehrers, trüge er gar einen Schnauzbart und hieße Werner Lorant - man würde Tuchel für seine Offenheit und Direktheit vermutlich sogar loben.

In den Katakomben der Commerzbank-Arena verzichtete er auf verklausulierte Phrasen und redete nichts schön. Tuchel brachte seine Enttäuschung und Unzufriedenheit über die Leistung kurz und nicht etwa kalt, sondern sichtlich emotional auf den Punkt. Und er sprach dabei wohlgemerkt von "uns", schloss sich also weniger deutlich von der Kritik aus, als das in der Folge wahrgenommen wurde.

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Die Radikalität seiner Aussagen ist vor dem Hintergrund des bisherigen Saisonverlaufs in der Bundesliga verständlich. "Unsere Saison verläuft in einem einzigen Auf und Ab. Das ist sehr unbefriedigend", schloss Tuchel in Frankfurt.

Tuchel kotzen Niederlagen an

Er ist nicht der stoische Über-Papa wie sein Vorgänger Jürgen Klopp, der Widrigkeiten gegenüber der Öffentlichkeit mit einem vereinnahmenden Lächeln einfach beiseite wischte. Tuchel kotzen Niederlagen an. Da wird es ihm nicht anders ergehen als jedem BVB-Spieler, den Fans und vermutlich auch den Vereinsbossen.

Das momentane Schweigen der Chefetage wird nun eher als fehlende Rückendeckung denn als kommentarlose Zustimmung zu Tuchels Aussagen gewertet. Doch was sollten Sportdirektor Michael Zorc und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in dieser Situation tun, selbst wenn sie von Tuchels Art der Kommunikation nicht begeistert gewesen sein mögen?

Sich vor die Mannschaft stellen und dem Trainer öffentlich in den Rücken fallen? Ihm lieber das Vertrauen aussprechen? Diese Baustelle wird man nicht freiwillig aufmachen.

Zu viel Rotation?

Die weiteren Vorwürfe erweisen sich als der übliche Reflex. Geht die Rotation gut, war sie eine gelungene Moderation des großen Kaders. Geht sie schief, war sie ein klarer Fehler des Trainers. So simpel ist die Realität jedoch selten.

Denn nicht nur ist Rotation bei einer derart hohen Belastung und vielen gerade erst wiedergenesenen Spielern unabdingbar, wenn man als Verantwortlicher eine ganze Saison im Blick haben muss. Die Debatte verschleiert zudem, dass auch bei der Aufstellung vom 8:4 gegen Warschau nicht alles Gold war, was da glänzte.

Die wiederkehrenden spielerischen Probleme des BVB sind jedoch nicht auf taktische Überforderung zurückzuführen. Der Wechsel zwischen verschiedenen Spielsystemen gehört heutzutage schlichtweg zum Grundrepertoire gut ausgebildeter Fußballprofis und sollte bei einem Verein mit den Ansprüchen von Borussia Dortmund Selbstverständlichkeit statt Diskussionsgrund sein.

Auch ein unbedrängter Fehlpass ins Mittelfeld-Nirvana, der wenige Sekunden nach dem Ausgleich am Main zum erneuten Rückstand führte, ist kein Resultat taktischer Überforderung. Stattdessen fallen vor allem zwei Probleme in den letzten Wochen auf, die nicht ganz neu sind.

Viele vermeidbare Gegentore durch individuelle Fehler und Unkonzentriertheiten sowie die vor allem im Vergleich zu letzter Saison deutlich größeren Schwierigkeiten im Spielaufbau gegen aggressiv und hoch pressende Mannschaften.

Es holpert im Spielaufbau

Möchte man Tuchel etwas ankreiden, dann dass er es noch nicht geschafft hat, für diese zum Teil schon in der Saisonvorbereitung sichtbaren Probleme nachhaltige Lösungen zu entwickeln.

Dass er diese Lösungen prinzipiell kennt, hat die vergangene Saison gezeigt. Dass es wiederum ungleich schwieriger ist, sie anstatt mit Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan mit einem Haufen junger Spieler und diversen Neuzugängen umzusetzen, zeigt sich nun in dieser Saison. Und dies war trotz des unbestrittenen Kaderpotenzials durchaus erwartbar. Es könnte holpern, sagte auch Watzke schon vor der Saison.

Derzeit wäre gerade im Spielaufbau die eine oder andere zusätzliche taktische Variante sogar hilfreich. Sich hauptsächlich auf Julian Weigl als Drehscheibe des BVB-Spiels zu verlassen, geht offensichtlich nur dann gut, wenn eine Verbindung zu den offensiven Linien gegeben ist. Alternative Strategien im Spiel nach vorne wären außerdem spätestens dann ratsam, wenn man Weigl wie in Frankfurt auswechseln muss.

Die Mannschaft kann mehr - Tuchel weiß das

Vor allem die Mannschaft muss sich jetzt in die Pflicht nehmen. Viel zu häufig ließ man sich am Wochenende von giftigen Frankfurtern den Schneid abkaufen, reagierte zunehmend fahrig und genervt. Das gipfelte schließlich in einer turbulenten Schlussphase mit Rudelbildung und einem Beinahe-Platzverweis für Kapitän Marcel Schmelzer.

Der Biss und die Konzentration fehlten, die Tuchel schon in der Pressekonferenz vor dem Spiel und bestimmt auch gegenüber der Mannschaft eingefordert hatte.

Die große Inkonstanz, das Auf und Ab ist es, das Tuchel so frustriert. Daran zeigt sich jedoch, dass er seinem Kader bessere und in erster Linie konstantere Leistungen zutraut, sie vielleicht sogar erwarten kann.

Es wird nun interessant zu beobachten sein, ob sich Dortmunds Schlingerkurs und Tuchels öffentliche Schelte tatsächlich zu einer ausgewachsenen Stimmungskrise im Verein entwickeln.

Vielleicht zeigt die junge Mannschaft nun eine ähnliche Reaktion wie kürzlich Pierre-Emerick Aubameyang. Der machte mit seinem Kurztrip nach Mailand erst eine unnötige Baustelle auf und traf dann vier Mal gegen den HSV.

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