"Ich bin viel zu früh wieder eingestiegen"

Andre Schürrle will in der Rückrunde wieder angreifen
© getty

Für keinen anderen Spieler hat Borussia Dortmund in seiner Vereinsgeschichte mehr Geld ausgegeben als im vergangenen Sommer für Andre Schürrle. Nach einem guten Start brachte ihn aber eine Verletzung außer Tritt. Im Trainingslager in Marbella sprach Schürrle zu den Journalisten - über die Gründe für seine magere Hinrunde, die Erwartungshaltung an ihn und Veränderungen an Trainer Thomas Tuchel.

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Frage: Herr Schürrle, Ihren Sommerurlaub verbrachten Sie zusammen mit Mario Götze in den USA. Anschließend sind Sie beide innerhalb von zwei Tage zum BVB gewechselt. Wie haben Sie die zahlreichen Gerüchte damals zusammen verfolgt?

Andre Schürrle: Wir haben in Los Angeles viel Zeit miteinander verbracht und stehen immer in regem Kontakt. Es wurde viel geschrieben und es war schon etwas amüsant, die Berichte zu lesen, wenn man selbst die wirkliche Wahrheit kennt. Auch mal ganz schön, wenn nicht sofort alles überall bekannt ist. (lacht)

Frage: Seitdem ist ein halbes Jahr vergangen. Sie sind gut in die Saison gestartet und haben gegen Real Madrid ein wichtiges Tor geschossen, zuvor und anschließend waren Sie aber verletzt und kamen nicht mehr richtig in Schwung. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Schürrle: Der Start war wirklich super, ich habe mich sehr gut gefühlt. Dann kam die Verletzung am Knie. Das war meine erste Blessur mitten in einer Saison. Ich bin viel zu früh wieder eingestiegen und dann hat es wieder Knall gemacht. Im Endeffekt war ich fast sieben Wochen raus und habe anschließend überhaupt nicht mehr zu meinem Spiel, zu meiner Fitness sowie meinem Trainings- und Spielrhythmus gefunden. Das sind die Gründe, weshalb die letzten Wochen weniger gut verlaufen sind. Nun versuche ich einfach, fit zu werden und fit zu bleiben. Mal schauen, wie dann die Rückrunde verläuft.

Frage: War es ein Fehler nach der ersten Blessur, gegen Real überhaupt aufgelaufen zu sein?

Schürrle: Im Rückblick gesehen auf jeden Fall. Ich wollte unbedingt spielen und habe das zu hart gepusht. Ich habe mich auch wieder gut gefühlt, aber trotzdem war das Knie noch nicht ideal. Ich konnte das nicht wirklich richtig einschätzen. Letztlich war es ein Fehler, weil man es wohl vorhersehen konnte, dass es danach wieder knallt.

Frage: Es wurde von einer Innenbanddehnung gesprochen, aber es kursierten auch Angaben, wonach es sich um einen Riss beziehungsweise Anriss gehalten habe. Was stimmt denn?

Schürrle: Es war eine Dehnung. Da haben auch viele Faktoren mit reingespielt. Die Aufhängung am Meniskus war ein bisschen lädiert. Ich hatte mit einer solchen Verletzung noch keine Erfahrung und wusste daher nicht, wie weit ich belasten kann, welche Schmerzen in Ordnung sind und welche nicht. Das habe ich als Spieler einfach falsch eingeschätzt und daher kam die lange Ausfallzeit.

Frage: Wie hoch ist Ihre Motivation, eine bessere Rückrunde abzuliefern?

Schürrle: Ich bin motiviert und versuche wie in den letzten Wochen, mein Bestes zu geben. Zuletzt hat das nicht so hingehauen, wie ich es wollte. Es ist ja immer dasselbe in einer Vorbereitung oder im Training: Man versucht, auf sein bestes Level zu kommen und lässt nicht locker. Es ist deshalb keine extrem besondere Situation für mich. Ich versuche, wieder zu meinem Spiel zu finden. Gelingt mir das, kann ich der Mannschaft auch helfen.

Frage: Sie analysieren das nun klar und selbstkritisch. Waren Sie dennoch überrascht, dass es nach Ihrer Genesung auch Spiele gab, in denen Sie höchstens eingewechselt oder gar nicht erst im Kader standen?

Schürrle: Das konnte ich schon nachvollziehen. Ich lüge mich nicht selbst an. Diejenigen, die gespielt haben, hatten eine bessere Form, bessere Fitness und einen besseren Rhythmus - gerade auf meiner Position im Offensivbereich. Wenn Ousmane Dembele, Marco Reus oder Pierre-Emerick Aubameyang vorne gespielt haben, konnten sie uns teilweise die Spiele retten und haben viele Tore geschossen. Da kann ich nicht zum Trainer rennen und ihn fragen, weshalb ich nicht spiele. Man muss ehrlich zu sich sein und das bin ich auch.

Frage: Aber die Faust in der Tasche ballt man dennoch?

Schürrle: Klar, das ist ja auch normal. Natürlich will man dann seine Chancen bekommen. Aber auch da war es nachvollziehbar, dass andere Spieler diese Chance noch eher verdient hatten als ich. Wäre ich der Trainer gewesen, hätte ich genauso gehandelt. Ich habe mit ihm viel geredet und er wusste, wie es in mir drin aussieht. Am Ende muss aber die Reaktion von mir kommen. Wenn ich meine Fitness und mentale Stärke wiedererlange, dann führt auch kein Weg an mir vorbei.

Frage: Wie steuern Sie diesen mentalen Prozess, wer hilft Ihnen dabei?

Schürrle: Ich mache solche Sachen meist mit mir selbst aus. Natürlich helfen mir aber auch meine Familie und die engsten Freunde extrem. Ich habe gelernt, meine Gefühle und Gedanken in solchen Situationen mit Menschen, denen ich wirklich vertraue, zu teilen. Daraus kann man neue Motivation schöpfen. Aufs und Abs bleiben nicht aus, aber jetzt ist mal wieder ein Auf an der Reihe. (lacht)

Frage: Inwiefern sind Sie sich als Person über die Jahre treu geblieben?

Schürrle: Ich bin bemüht, der Alte zu bleiben. Das ist mir auch extrem wichtig. Das geht womöglich nur, wenn man ein Umfeld hat, das ehrlich gegenüber einem ist - ob in guten oder schlechten Zeiten.

Frage: Kann man während einer laufenden Saison den fehlenden Rhythmus überhaupt erlangen, wenn die anderen voll im Saft stehen, verletzungsfrei bleiben und spielen?

Schürrle: Diejenigen, die während meiner Verletzung gespielt haben, hatten eben die Zeit und Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen und auf ihre Spiele zu kommen. Gerade in den Partien, in denen wir viele Tore geschossen haben, bekommt man den Spaß und das Gefühl für die Mannschaft. Als ich nach der Verletzung zunächst von der Bank kam und dann gegen die Bayern von Beginn an ran durfte, fehlte mir einfach die Wettkampffitness für 90 Minuten.

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