"Ich frage mich, was in den Eltern vorgeht"

Von Interview: Maximilian Schmeckel
Fredi Bobic arbeitet seit Sommer 2016 für Eintracht Frankfurt
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SPOX: Sie sehen die sieben Trainerentlassungen in der Hinrunde also kritisch?

Bobic: Man muss die Vorgeschichte eines jeden Trainerwechsels einzeln bewerten. Aber die Flut war schon sehr groß und hat mich überrascht. Auch das Auswechseln von Sportdirektoren und Vorständen war ungewöhnlich hoch. Der Fußball ist derzeit zu aufgeregt, Entscheidungen werden zu schnell getroffen. Das kann sich aber auch wieder in die andere Richtung entwickeln.

SPOX: Gilt das auch für die Transferoffensive aus China?

Bobic: Auch dort wird sich die Lage wieder beruhigen. Es gab immer solche Phasen. Es gab die Phase, in der der Nahe Osten viel Geld investiert hat, es gab eine Phase, in der die USA investierte. Anfang der Neunziger gingen Spieler wie Buchwald und Littbarski nach Japan.

SPOX: Muss sich die Bundesliga keine Sorgen machen, finanziell auf der Strecke zu bleiben?

Bobic: England hat mit Sicherheit größere Möglichkeiten. Für uns ist es gerade bei jungen Akteuren schwierig, sie an den Verein zu binden. Die Engländer sind sehr aggressiv, weil sie viel Geld in den Markt pumpen. Wir müssen das Geld, das wir aus England bekommen, in den Nachwuchs investieren, um Spieler auszubilden. Wir wollen keine Ausbildungsliga für die Engländer sein und haben einen gesunden Mittelweg gefunden.

SPOX: Auch englische Erstligisten investieren in den Nachwuchs, holen aber oftmals Talente aus dem Ausland für hohe Summen.

Bobic: Ich frage mich, was vor allem in den Eltern vorgeht, die ihr Kind in ein fremdes Land schicken. Im Alter von 15 oder 16 Jahren ist es für die Entwicklung oft kontraproduktiv, aus der gewohnten Umgebung herausgerissen zu werden. In Deutschland wird bei jedem Bundesligaverein auf hohem Niveau ausgebildet, was einen Wechsel ins Ausland überflüssig macht. Deshalb ist es gesünder, in seinem Umfeld zu bleiben. Ein Wechsel, egal ob innerhalb Deutschlands oder ins Ausland, ist in diesem Alter meist sinnlos.

SPOX: Bereitet Ihnen die Zunahme an Transfers von Minderjährigen Kopfzerbrechen?

Bobic: Diese Entwicklung macht mir schon Sorge, weil auch hier mit viel Kapital um sich geworfen wird. Ödegaard ist ein perfektes Beispiel. Er hätte in ganz Europa spielen können und wählt einen Big Player. Jetzt spielt er in Heerenveen und man muss abwarten, ob sich seine Entwicklung fortsetzt und er noch der Top-Star wird, den man sich bei Real erhofft hatte. Es wird immer nur von denjenigen geredet, die es geschafft haben, und nicht von denen, die scheitern - und die meisten schaffen es eben leider nicht.

SPOX: Wie reagieren Sie, wenn Sie ein Angebot für einen Ihrer Jugendspieler erhalten?

Bobic: Das hängt von der Konstellation ab. Als Verein hat man generell nicht die Intention, einen talentierten Spieler abzugeben. Aber da wirken mehrere Kräfte. Wenn der Spieler, die Eltern oder auch der Berater vehement auf einen Wechsel drängen, muss man das manchmal ermöglichen, obwohl man es selbst eigentlich nicht will. Denn erstens erhält man meistens sehr niedrige Summen und zweitens kann ein solcher Wechsel eben auch sehr schädlich sein. Wer denkt, man muss nur zu einem großen Klub wechseln und ist dort dann der Top-Star, ist falsch gewickelt.

SPOX: Warum scheitert denn die Mehrzahl?

Bobic: Das liegt vor allem an der Quantität. In Deutschland stehen 25, 26 Spieler im Kader. Gerade in England haben die Klubs dagegen meist zwei Kader zur Verfügung. Dadurch sind talentierte Spieler teilweise die Nummer 45 in diesem System. Diese Spieler sind somit verlorene Seelen. Sie brauchen dann Glück, um dort wie etwa Serge Gnabry herauszufinden. Er ist in den Olympia-Kader gerutscht und hat diese Chance genutzt. Sonst wäre er vielleicht auch verloren gegangen.

SPOX: Warum wechseln dennoch so viele Talente frühzeitig zu einem größeren Klub, anstatt sich noch ein, zwei Jahre an den aktuellen Verein zu binden?

Bobic: Alle Jungs gehen eben auch ihren Träumen nach und haben keinerlei Erfahrung. Plötzlich kommt ein großer Klub aus England oder Spanien und vernebelt die Sicht. Wie soll man damit als Jugendlicher umgehen? Wie sollen auch die Eltern damit umgehen, die einen ganz normalen Job ausüben und auf einmal solch ein Angebot auf dem Tisch liegen haben? Manche Eltern sehen dann gleich die goldene Karriere ihres Sohnes vor sich. Nur wird die goldene Karriere vielleicht gar nicht kommen. Im Ausbildungsalter gilt es dazu, sich gegen viele andere durchzusetzen und erst einmal Profi zu werden. Mit diesen Problemen haben wir täglich zu kämpfen. Wir versuchen, unseren Spielern bei der richtigen Einordnung der Situation zu helfen.

SPOX: Wie sehr wird in Frankfurt darauf geachtet, dass die Spieler sich selbst charakterlich weiterbilden und eine solche Einordnung erst gar nicht vonnöten ist?

Bobic: Natürlich sollen sie ihren Charakter behalten. Wir als Verein wollen sie auf dem Weg ins Erwachsenen-Alter begleiten und mit Rat und Tat zur Seite stehen. Wir wollen sie charakterlich nicht verändern, sondern lediglich ein wenig strukturieren, um ihnen aufzuzeigen, was nötig ist, um den Weg zum Profi zu beschreiten. Da ist nicht nur Talent ausschlaggebend, sondern auch Fleiß, Disziplin, Ehrgeiz und die Fähigkeit, sich in einer Gruppe unterzuordnen - und trotzdem noch das eigene Ich zu bewahren. Das Schulfach Charakterbildung gibt es nicht.

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