SPOX: Zurück zu Ihnen. Nach Stuttgart ging es für Sie weiter zu Schalke.
Kuranyi: Ganz andere Region, ganz anderer Verein - ich musste am Anfang erstmal verstehen, wie viel dieser Verein den Menschen bedeutet. So viel, dass sie auch mal ihr Haus blau anmalen. (lacht) Für mich war der Start schwierig, weil ich Ebbe Sand ersetzen sollte, der ein unglaubliches Standing hatte auf Schalke. Das war nicht einfach. Dazu kam, dass die Fans eine Weile gebraucht haben, bis sie mich verstanden haben. Ich habe damals sehr nach meinem Style geschaut. Auf den ersten Blick hat das nicht so gut zum Arbeiterverein Schalke 04 gepasst. Aber wenn man meine Spielweise nimmt, dann hat die natürlich eigentlich perfekt gepasst. Ich war ja ein ganz großer Kämpfertyp. Als die Fans gesehen haben, dass meine privaten Geschichten damit nichts zu tun haben, haben sie mich ins Herz geschlossen und wir hatten unfassbar erfolgreiche Jahre zusammen.
SPOX: Nächste Station: Moskau. Wieder ein komplett neues Abenteuer, wie wir in Ihrer SPOX-Kolumne auch öfters nachlesen konnten.
Kuranyi: Es war wirklich ein großes Abenteuer. Ich kam nichtsahnend in Moskau an und schon am ersten Tag hatte ich plötzlich eine Waffe in der Hand, als wir auf dem Militärstützpunkt waren. Der Winter war zu lang und die Staus zu heftig, aber ansonsten war auch diese Zeit super. Moskau hat als Stadt unglaublich viel zu bieten, meine Familie hat sich wohlgefühlt, es war top. Zumal wir auch sportlich mit Dinamo eine tolle Entwicklung hingelegt haben. Als ich kam, gehörte Dinamo nicht zu den Topklubs. Meine Aufgabe war es, den Verein nach oben zu schießen, was ganz gut geklappt hat. Am Ende haben wir uns ja für die Europa League qualifiziert.
SPOX: Jetzt steht Russland beim Confed Cup im Mittelpunkt des Weltfußballs und eigentlich bringt jeder nur Schlechtes mit Russland in Verbindung. Korruption, Menschenrechtsverletzungen, Hooligans. Wie sehen Sie Russland derzeit?
Kuranyi: Es ist mit Sicherheit eine schwierige Situation, aber für mich ist wichtig, dass man nicht die schöne Seite Russlands vergisst. Die vielen herzlichen Menschen, die wunderschönen Städte. Russland wird sich von der besten Seite präsentieren und zeigen wollen, dass man im nächsten Jahr eine tolle WM austragen kann.
SPOX: Nach der Moskau-Zeit folgte eine für Sie enttäuschende Deutschland-Rückkehr. Warum lief es in Hoffenheim irgendwie nicht?
Kuranyi: Das ist eine gute Frage. Es war sicher insgesamt eine schwierige Phase. Ich habe drei Trainerwechsel miterlebt, aber ganz klar, ich habe in erster Linie einfach keine Tore geschossen. Das war schon sehr frustrierend. Trotzdem war es auch eine sehr gute Erfahrung für mich. Hoffenheim ist auf einem unglaublichen Weg, ich bin richtig gespannt zu sehen, wie sie sich in der nächsten Saison in der Champions League schlagen.
SPOX: Coach Julian Nagelsmann ist der heißeste Trainer der Zunft und in aller Munde. Wie haben Sie ihn in Ihrer Zeit in Hoffenheim erlebt?
Kuranyi: Ich hatte ja viele hervorragende Trainer in meiner Karriere, aber ihn zu erleben, war auch sehr interessant. Ich hatte vorher noch nie ein Training erlebt wie bei Nagelsmann. Ein Training, das so anstrengend für den Kopf war. Das hat mir aber richtig gut gefallen. Wenn du dich da nicht zwei Stunden lang total konzentriert hast bei den Übungen, hattest du keine Chance. Jeder Spieler muss da die ganze Zeit mitdenken, sonst bist du raus und wirst vom Mitspieler angemotzt. (lacht) Der Hoffenheimer Erfolg ist sicher in erster Linie sein Erfolg. Ich glaube, dass er irgendwann Bayern-Coach sein wird.
SPOX: Jetzt haben wir ein Interview ohne einzige Frage zu Joachim Löw geschafft. Wie oft kam das in den all den Jahren vor?
Kuranyi: Noch nie, wirklich kein einziges Mal. Wenn ich damals gewusst hätte, was das für Folgen hat, wäre ich einfach im Stadion sitzen geblieben...
Kevin Kuranyi im Steckbrief