"Trainer wie Tedesco haben Jahre Vorsprung"

Christian Heidel mit dem neuen Schalke-Trainer Domenico Tedesco
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SPOX: Tedesco hat eine neue Herangehensweise und andere Ideen im Umgang mit der Mannschaft als Vorgänger Markus Weinzierl. Sind seine Eigenschaften also die besseren?

Heidel: Nein, das kann man so überhaupt nicht sagen. Markus Weinzierl war ja mit seiner Herangehensweise in Augsburg überaus erfolgreich und er wird es auch wieder sein. Aber so wie es Domenico angeht, passt es in meinen Augen besser zu unserer Situation und unserem Kader.

SPOX: Sie sagten, Tedesco habe die Schalke-Spiele der letzten Saison beinahe seziert. Wie lief das genau ab?

Heidel: Ich hatte ihn gebeten, sich alleine zwei, drei unserer Spiele anzuschauen und mir seine Eindrücke mitzuteilen. Er hatte sich zunächst sogar gewunden, denn er wollte nicht den Eindruck vermitteln, dass er auf Anhieb etwas deutlich besser machen könne als sein Vorgänger. Auch das hat mir imponiert.

SPOX: Zu welchem Ergebnis kam Tedesco?

Heidel: Er hat mir beispielsweise Trainingsübungen genannt, die dabei helfen, Automatismen einzustudieren, damit die ihm aufgefallenen Fehler nicht mehr passieren. Diese Automatismen müssen im Kopf der Spieler entstehen. Das Training sollte für sie sehr schwierig und herausfordernd sein, damit sie das Spiel am Wochenende zumindest gefühlt als leichter empfinden. Wenn man bei uns auf den Trainingsplatz guckt, denkt man erst: Da landet doch gleich ein Flugzeug. (lacht) Überall Hütchen, Stangen, Linien und Tore. Man erkennt dennoch sofort, was er trainieren lässt und zu welchem Ergebnis das führen soll. Auch die Spieler vermitteln mir das Gefühl, genau zu wissen, was sie gerade tun - auch wenn man nicht davon ausgehen sollte, dass auf Anhieb alles perfekt laufen wird.

SPOX: Wie wird die künftige Spielweise von S04 aussehen: Könnte es auch sein, dass sie sich stark von der Herangehensweise im Vorjahr unterscheidet?

Heidel: Wir werden uns mehr am Gegner orientieren, zumindest wird das eine größere Rolle spielen. Domenico ist der Ansicht, dass nicht jede Spielweise zum jeweiligen Gegner passt. Ansonsten werden die Grundprinzipien nicht großartig verschieden sein. Wir wollen stark pressen und offensiv mit Mut verteidigen. Im Vorjahr haben wir das nur leider nicht so wie gewünscht auf den Platz bekommen. Wir hoffen, dass dies künftig kontinuierlich erkennbar sein wird.

SPOX: Um noch einmal auf Neururer zurück zu kommen: Wie können Sie sich sicher sein, dass Tedesco auch bei einem emotionalen Verein wie Schalke funktioniert, bei dem der Trainerberuf nicht nur fußballerische Theorie und Praxis, sondern auch umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit beinhaltet?

Heidel: Die Frage ist: Was kann man lernen und was muss man schon können? Das Wichtigste ist für mich die Arbeit mit der Mannschaft. Das Drumherum, das Medienaufkommen oder Spiele vor 60.000 Zuschauern, das kann sich ein intelligenter Trainer sehr schnell erarbeiten. Ich traue es Domenico mehr als zu, dass er das hinkriegt. Wenngleich es auch Teil meines Jobs ist, ihm Hilfestellungen anzubieten und den Rücken frei zu halten. Mir wird dieses Thema aber insgesamt zu hoch gehängt.

SPOX: Tedesco auf Schalke ist aber nicht nur Chance, sondern auch Risiko - stimmen Sie zu?

Heidel: Natürlich. Jede Verpflichtung eines Spielers oder Trainers birgt auch Risiken. Das ist doch das Interessante am Fußball. Ich habe ein gutes Gefühl, dass es kein zu großes Risiko ist.

SPOX: Manche sagen: Sollte Tedesco nicht einschlagen, seien Sie auf Schalke bereits gescheitert.

Heidel: Da denke ich keine Sekunde an mich. Ich hätte es mir doch ganz einfach machen können: Es war ja nicht so, dass alle den Kopf des Trainers gefordert haben. Würde es mir nur um mich gehen, hätte ich nichts verändern dürfen. Wer meinen Werdegang verfolgt hat weiß, dass ich Risiken noch nie aus dem Weg gegangen bin. Als ich mit Jürgen Klopp einen Spieler über Nacht zum Trainer gemacht habe, hat mich ganz Deutschland für verrückt erklärt. Gleiches Spiel, als ich mit Jörn Andersen den Aufstiegstrainer durch den A-Jugend-Coach ersetzt habe. (lacht) Wäre ich mit meinen Überzeugungen schon 17 Mal falsch gelegen, könnte ich meinen Job nicht - aber das Risiko an sich scheue ich nicht, wenn ich überzeugt bin. Fakt ist, dass ich selbstverständlich die Verantwortung zu tragen habe.

SPOX: Ist die emotionale Wucht von Schalke größer, als man es von außen annimmt?

Heidel: Die emotionale Wucht des Umfelds und der Fans ist unproblematisch. Ich habe so viele tolle Menschen auch aus der Fanszene kennengelernt, die zwar geradeheraus kritisieren und direkt sind, aber nie unfair. Das mag ich sehr. Eine komplett andere Welt ist vor allem die mediale Wucht. Man lechzt hier nach Kleinigkeiten, die sofort bundesweit ein Thema sind. Es interessieren sich zum Glück so viele Menschen für Schalke. Und die müssen stündlich mit Neuigkeiten, die ja dann auch gelesen, gesehen und gehört werden, versorgt werden.

SPOX: Mussten Sie den Umgang mit dieser "neuen Welt" erst lernen?

Heidel: Na klar, weil die Dimensionen einfach andere sind. Aber ich habe sehr schnell verstanden, dass man nicht immer sofort auf alles reagieren darf. Sonst wird eine kleine Meldung, die keine ist, schnell zu einer großen Meldung, die immer noch keine ist - über die aber jeder redet.

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