Am Wochenende hat Borussia Dortmund als letzter Bundesligist die Vorbereitung auf die neue Saison aufgenommen. Mit Lucien Favre, dem neuen Trainer, und Sebastian Kehl auf der neu geschaffenen Position des Leiters der Lizenzspieler-Abteilung.
Neu - das ist das große Signalwort beim BVB. "Ich habe von einem Neustart gesprochen und würde auch gerne bei der Wortwahl bleiben", korrigierte Sportdirektor Michael Zorc im Interview mit der Funke Mediengruppe den im Fußball geläufigeren Begriff "Umbruch".
Doch der soll beim neustartenden BVB nicht zur Verwendung kommen. Das war auch den beiden Vorstellungspressekonferenzen von Kehl und Favre deutlich zu entnehmen. Das Wort Umbruch ist schließlich negativ konnotiert und nach zahlreichen Monaten der Unruhe und Hektik soll sich in Dortmund ja jetzt alles wieder zum Guten wenden. Die Devise: Bloß kein Blick zurück!
BVB: Neustart auf eigenen Wunsch
Doch nicht nur etymologisch ist Neustart ein Synonym von Umbruch. Denn das, was beim BVB nun passiert, ist natürlich nichts anderes als ein Umbruch. Satte 30 Spieler stehen aktuell unter Vertrag. Zwei hat man bereits verkauft (Sokratis und Gonzalo Castro), vier Neue sind hinzugekommen. "Ein kleinerer Kader wäre wünschenswert", sagte Zorc und auch Favre sicherte zu, dass es auf Zu- und Abgabenseite noch Bewegung geben wird.
Vom "fraglos größten Umbruch der vergangenen zehn Jahre" sprach Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke noch vor zwei Jahren, als dem BVB entgegen Watzkes Prognose mit Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan gleich drei Leistungsträger weggekauft wurden. Geschieht nun das, was man sich bis zur Schließung des Transferfensters Ende August wünscht, wird die Umwälzung des Kaders noch größer als damals ausfallen - diesmal allerdings auf eigenen Wunsch.
Durch die Verpflichtungen Kehls und des externen Beraters Matthias Sammer beschränkt sie sich zudem nicht nur auf die Spielerseite. Auch auf das künftige Quintett Watzke-Zorc-Favre-Kehl-Sammer wird man ein Auge werfen müssen. Diese Konstellation muss sich einspielen, wenngleich alle Beteiligten selbstverständlich davon sprechen, wie fruchtbar der Austausch bereits jetzt ist.
BVB-Neuzugänge des Sommers
Spieler | Alter | Von | Ablöse |
Abdou Diallo | 22 | 1. FSV Mainz 05 | 28 Mio. Euro |
Thomas Delaney | 26 | Werder Bremen | 20 Mio. Euro |
Marius Wolf | 23 | Eintracht Frankfurt | 5 Mio. Euro |
Eric Oelschlägel | 22 | Werder Bremen II | ablösefrei |
Marwin Hitz | 30 | FC Augsburg | ablösefrei |
Dzenis Burnic | 20 | VfB Stuttgart | Rückkehr von Leihe |
Jacob Bruun Larsen | 19 | VfB Stuttgart | Rückkehr von Leihe |
Favre wird auch im sozialen Miteinander gefordert sein
Doch wie besonders Watzke und Zorc auf den neuen und notwendigen Input reagieren, das lässt sich erst im Verlauf der neuen Spielzeit absehen. In Favre holten sie einen Trainer, der in der Vergangenheit auch durch seine Wankelmütigkeit auffiel. Der Schweizer wird Zeit benötigen, um sein neues Team kennenzulernen. Ist dieser Prozess jedoch einmal abgeschlossen, ist Favre bekannt dafür, bei Personalentscheidungen sehr konsequent zu reagieren.
"Aber natürlich kenne ich auch die schlaflosen Nächte, die auf den Sportdirektor zukommen", warnte Gladbachs Manager Max Eberl, nachdem er dem BVB zu einem "großartigen Trainer" gratuliert hatte. Eberl weiß, wovon er spricht, Favre und er fochten am Niederrhein einige nervenaufreibende Duelle aus.
Favre wird daher nicht nur fachlich, sondern vor allem auch im sozialen Miteinander gefordert sein und dieselbe Geduld beweisen müssen wie alle anderen, die es mit dem BVB halten. Erst recht, nachdem Watzke verlautbarte, dass die Umbaumaßnahmen an der Mannschaft wohl eher zwei Transferperioden in Anspruch nehmen werden.
Beim BVB kehrt wieder Understatement ein
Daran sei der überhitzte und diffizile Spielermarkt schuld, der sich nach der WM und vor allem zum Ende der Transferperiode allerdings nicht weniger überhitzt und diffizil darstellen wird. Den Kader so aufzustellen, wie es sich die BVB-Oberen wünschen, wird also nicht von heute auf morgen geschehen. Die laufende Stürmersuche könnte dann direkt ein Indiz dafür werden, ob alle Teilnehmer des neuen Triumvirats bei der Personalakquise eine gemeinsame Sprache sprechen.
So passt es dann zur Strategie dieser Tage, dass bei der Borussia auch wieder etwas Understatement einkehrt. Damit fuhr man in den erfolgreichen Klopp-Jahren ausgezeichnet und genau diesen Pfad wollen sie in Dortmund ja wieder aufnehmen. Der BVB gibt sich wieder moderater, verbunden mit der Hoffnung, die von Zorc am Ende der Amtszeit von Thomas Tuchel erhoffte Ruhe im Karton endlich wieder zu erreichen.
"Sicher wird sich jemand finden, der Titelträume formuliert. Wir haben diese Titelträume nicht", unterstrich Watzke. "Unser Ziel ist die Champions-League-Qualifikation - und das war's dann auch. Lucien Favre soll nicht mit einer unrealistischen Erwartungshaltung überfrachtet werden." Von einem Einzug ins DFB-Pokalfinale, in den Vorjahren stets ein propagiertes Ziel, war diesmal nicht die Rede.
Erreichen der Champions League nicht nur wirtschaftlich notwendige Pflicht
Erneut in die Königsklasse einzuziehen, ist mit diesem Kader und seinem üppigen Gehaltsvolumen schlicht sportlich wie wirtschaftlich notwendige Pflicht ist. Um dies zu erreichen, war bereits in den beiden letzten Saisons ein Kraftakt vonnöten - der jeweils erst in buchstäblich letzter Sekunde von Erfolg gekrönt wurde. Leichter, davon sollte man zunächst ausgehen, dürfte es auch in der kommenden Spielzeit nicht werden.
Die Voraussetzungen für den neuen Geist, den Dortmund nun beschwört, sind andererseits aber gegeben. Der BVB schnitt alte Zöpfe ab und werkelt an seiner innerbetrieblichen Struktur, was nicht nur die Personalien Sammer und Kehl verdeutlichen. Die Aufgaben des langjährigen Torwarttrainers Teddy de Beer beispielsweise übernimmt Matthias Kleinsteiber jetzt hauptverantwortlich, auch der Integrationsbeauftragte Massimo Mariotti verlässt den Verein.
BVB-Fahrplan in der Vorbereitung auf die neue Saison
Datum | Termin | Ort |
13. Juli | Testspiel gegen FK Austria Wien | Generali-Arena, Wien |
18. Juli | Beginn der USA-Reise | Flughafen Dortmund |
21. Juli | Testspiel gegen Manchester City | Chicago, Illinois |
22. Juli | Testspiel gegen FC Liverpool | Charlotte, North Carolina |
25. Juli | Testspiel gegen Benfica Lissabon | Pittsburgh, Pennsylvania |
26. Juli | Rückkehr nach Dortmund | Flughafen Dortmund |
1. August | Trainingslager in Bad Ragaz | Bad Ragaz, Schweiz |
3. August | Testspiel gegen Stade Rennes | Altach, Österreich |
7. August | Testspiel gegen SSC Neapel | St. Gallen, Schweiz |
11. August | Saisoneröffnung | Signal Iduna Park, Dortmund |
12. August | Testspiel gegen Lazio Rom | Stadion Essen |
20. August | DFB-Pokal gegen Greuther Fürth | Sportpark Ronhof Thomas Sommer |
25. August | 1. Bundesliga-Spieltag gegen RB Leipzig | Signal Iduna Park, Dortmund |
Favre muss sich beim größten Klub seiner Trainerlaufbahn beweisen
Über allem steht jedoch der neue Coach Favre, der - wie Watzke richtig feststellte - auf seinen bisherigen Stationen vor allem zu Beginn stets in der Lage war, das vorhandene und im Falle des BVB zuletzt brachliegende Potential aus dem Spielerkader zu pressen.
Dies muss Favre nun beim größten Klub seiner Trainerlaufbahn beweisen. Die Herausforderungen, die bei den Schwarzgelben auf ihn warten, muss er erst einmal meistern - trotz der Versuche der Verantwortlichen, die allgemeine Erwartungshaltung zu dämpfen.
Borussia Dortmund war zuletzt so wankelmütig, wie es auch Favres Persönlichkeit sein kann. Ob Neustart oder Umbruch: Der Druck auf dem Kessel wird erst einmal bleiben.