Als Schiedsrichter Tobias Welz in der Düsseldorfer Merkur Spiel-Arena gegen 21.17 Uhr mit einem grellen Pfiff zum Pausentee bat, war die Welt von Borussia Dortmund eigentlich noch in Ordnung. Ja, der BVB hatte sich in den ersten 45 Minuten bei Aufsteiger Fortuna Düsseldorf schwer getan. Ja, Dortmund lag verdient mit 0:1 zurück - und es stimmt auch, dass die Schwarz-Gelben mit Blick auf Takashi Usamis Riesenchance kurz vor der Halbzeit damit noch gut bedient waren.
Aber das war eben nur der Status Quo nach den ersten 45 Minuten. Ein Status Quo, der in Bundesligaspielen mit Dortmunder Beteiligung in dieser Saison erfahrungsgemäß nicht allzu viel mit dem tatsächlichen Ausgang der Partie zu tun hat. Schließlich gewann der BVB die letzten drei Spiele in der Bundesliga, in denen er mit einem Rückstand in die Kabine ging, allesamt und erzielte dabei elf Tore in der zweiten Halbzeit (Bayern, Augsburg, Leverkusen).
BVB verliert in Düsseldorf: Die Suche nach der Gier
Doch gegen Düsseldorf blieb das Dortmunder Comeback aus. Der BVB steigerte sich zwar, spielte es aber mal zu umständlich, mal zu langsam und kam einfach nicht zu Abschlüssen (insgesamt nur drei Schüsse aufs Tor). Und als Tobias Welz die Begegnung gegen 22.22 Uhr endgültig beendete, war der Dortmunder Nimbus der Unbesiegbarkeit dahin.
"Uns hat heute die Gier, das Spiel gewinnen zu wollen, gefehlt", gab BVB-Kapitän Marco Reus hinterher im Gespräch mit Sky offen zu und sprach von einer "verdienten Niederlage, weil wir viel zu wenig investiert haben". BVB-Keeper Roman Bürki ging sogar noch einen Schritt weiter und attestierte den Schwarz-Gelben an diesem Abend "fehlende Leidenschaft" gegen einen Gegner, der in den 94 Minuten zuvor alles auf dem Platz gelassen und am Limit gespielt hatte.
Eigenschaften, die sich eigentlich der BVB auf die Fahne geschrieben hat und mit denen die Borussia bis dato in dieser Saison die engen Spiele - und das waren die vergangenen sechs Siege in Folge allesamt - für sich entschieden hatte. Warum die Gier und die Leidenschaft gegen Düsseldorf fehlte, wussten die Dortmunder nach der ersten Pleite in der laufenden Bundesligasaison selbst nicht so genau. "Man spürt, dass die Mannschaft enorm viel gespielt hat", sagte Trainer Lucien Favre nur.
Gründe für die BVB-Niederlage: Der schleichende Schlendrian
Dabei hatte Favre im Vergleich zum Sieg über Bremen am vergangenen Samstag seine Startelf nochmal auf vier Positionen umgebaut und mit Marcel Schmelzer, Mario Götze, Christian Pulisic und Jacob Bruun Larsen frische Kräfte gebracht. Tiefer lässt hingegen der Umstand blicken, dass offenbar alle beim BVB um den Düsseldorfer Matchplan wussten und darauf vorbereitet waren, gegen die erfolgreiche Umsetzung jedoch kein Mittel fanden.
"Wir wussten vorher, dass Düsseldorf viel über Konter kommen wird", sagte beispielsweise Reus, der später ebenfalls zugab, jetzt nicht zu wissen, "wie mein Gegenspieler hieß, aber der wäre mir heute sonstwo hingefolgt". Auch Favre sprach davon, dass die gefährlichen Konter der Düsseldorfer, "wahrscheinlich so geplant" gewesen seien.
Unglückliche Sätze und Aussagen, die weniger der Startschuss Dortmunder Arroganz-Anfälle sind, sondern vielmehr auf eine eher laxe Spielvorbereitung hindeuten und einen schleichenden Schlendrian beim BVB offenbaren. Dieser zeigte sich schon in manchen Phasen in den Wochen zuvor, als der BVB gegen Brügge, Mainz oder Wolfsburg nicht überzeugte, aber dennoch drei Punkte holte.
Die erste Niederlage der Saison und dann auch noch gegen den krassen Außenseiter aus Düsseldorf kommt daher vielleicht sogar zum richtigen Zeitpunkt. Sie schärft die Sinne aller Beteiligten beim BVB dahingehend, dass es sich die Schwarz-Gelben - so positiv die Saison bislang auch ergebnistechnisch verlief - nicht erlauben können, nach bajuwarischem Vorbild ein paar Prozente gegen vermeintlich schlagbare Gegner weniger zu geben und dennoch mit drei Punkten von dannen zu ziehen.
Favres Sorgen in der Innenverteidigung
Die "Lehrstunde" gegen die Fortuna kostete den BVB in der Tabelle zumindest auf den Verfolger aus Gladbach drei Zähler des Neun-Punkte-Vorsprungs. Am Mittwoch kann der FC Bayern mit einem Sieg über RB Leipzig ebenfalls auf sechs Punkte heranrücken.
Das mag zwar einerseits keine maximalen Panikattacken im Ruhrgebiet auslösen, ist andererseits aber besonders vor der Winterpause wichtig für das Bewusstsein der Dortmunder, um zu realisieren, wie schnell es wieder sehr eng und aus BVB-Sicht ungemütlich an der Tabellenspitze werden kann. Verliert der BVB das Topspiel am Freitag gegen die Borussia vom Niederrhein (ab 20.30 Uhr im LIVETICKER), sind es nur noch drei Punkte.
Dabei muss Favre aber aller Voraussicht nach auf seine Innenverteidiger Abdou Diallo (Zerrung) und Dan-Axel Zagadou verzichten. Auch Manuel Akanji ist angeschlagen und musste gegen die Fortuna bereits in der Pause raus. Dann stünde nur noch Ömer Toprak als nomineller Innenverteidiger zur Verfügung. "Das ist schon in meinen Gedanken", kommentierte Favre die erneuten Personalnöte in der Defensive.
Positiv für den BVB ist aber, dass Gladbach im Gegensatz zu Düsseldorf ein Gegner ist, der sich nicht mit zwei maximal defensiven Viererketten in die eigene Hälfte zurückzieht. Eben solche Gegner stellten den BVB schon mehrfach in dieser Saison vor immense Probleme bei der Entfaltung von Torgefahr (z.B. Brügge, Atletico). Gegen die Fohlen-Elf wird Dortmund jedoch Räume und auch Chancen bekommen, sich standesgemäß mit einem Sieg aus der Hinrunde zu verabschieden.
Dann ist die Dortmunder Welt nicht nur bis zur Halbzeit eines Spiels gegen Düsseldorf, sondern gänzlich in Ordnung. Zumindest bis zum Start der Rückrunde.