Sie können mit Ihren jüngsten Transfers sehr zufrieden sein. Wie bewerten Sie speziell die Entwicklung von Manuel Akanji?
Watzke: Sehr gut. Es war klar, dass das eines der größten Innenverteidiger-Talente Europas ist und diese Erwartung hat er komplett erfüllt. Wir haben jetzt wie vor einigen Jahren bei Subotic und Hummels wieder die Konstellation, dass wir mit Akanji, Zagadou, Abdou Diallo und Balerdi Spieler mit Entwicklungspotential haben. Einen Virgil van Dijk als fertigen Spieler für 80 Millionen zu verpflichten, das kannst du vielleicht einmal finanziell bewältigen, aber dann kannst du als BVB auf allen anderen Positionen nichts mehr machen. Wir müssen Spieler holen, die sich noch in der Aufwärtsbewegung befinden.
Also wird es keine Rückkehr von Mats Hummels geben?
Watzke: Ich glaube nicht. Mats hat hier eine außergewöhnlich erfolgreiche Zeit gehabt, und wir haben immer noch einen sehr guten Draht zueinander. Er hat sich aber vor drei Jahren für die Rückkehr zu den Bayern entschieden.
Hakimi fällt jetzt für die restliche Saison aus. Eine extreme Schwächung?
Watzke: Auf jeden Fall. Hakimi ist wohl der schnellste Abwehrspieler der Bundesliga. Er ist noch jung und macht natürlich noch Fehler, aber diese Dynamik, die kannst du nicht lernen, die hat er einfach.
Die hat auch Jadon Sancho. Wie sieht es bei ihm aus? Halb Europa ist hinter ihm her.
Watzke: Das ist mir egal. Alle wissen, dass Jadon nächstes Jahr noch bei uns spielt. Das ist so, da gibt es auch keinen Preis. Und weil man das in Europa weiß, hat sich niemand bei uns erkundigt.
Wäre City noch beteiligt, wenn es einen Deal gäbe?
Watzke: Es gibt von uns nie Informationen zu Vertragsinhalten, aber City hat nicht im Ansatz irgendein Mitbestimmungsrecht.
Ist Mario Götze wieder auf dem Weltklasse-Niveau, das er vor seinem Bayern-Intermezzo hatte?
Watzke: Diese Frage kann man nicht mit Ja oder Nein beantworten. Wenn wir ehrlich sind, ist Mario auf dem Weg dorthin. In seiner ersten BVB-Zeit war Mario jung, die Gegner hatten sich noch nicht so gut auf ihn eingestellt, er hatte die jugendliche Unbekümmertheit, war in einer funktionierenden Mannschaft, hat eine andere Rolle ausgefüllt. Er hatte auch damals Durchhänger, das war dann nur kein Medienthema. Ihm ist natürlich etwas verloren gegangen durch seine Stoffwechsel-Problematik. Jetzt ist er wieder auf dem Weg, dauerhaft ein richtig wertvoller Spieler für uns zu sein. Wo er dann am Ende nochmal landet in seiner Entwicklung, kann man nicht seriös sagen. Man darf ihn auch nicht zu sehr unter Druck setzen. Im letzten Jahr war es für ihn viel schwerer, weil die Mannschaft nicht so funktioniert hat. Aber dass er Fußball spielen kann wie kaum ein anderer, das ist nichts Neues. Mario hat Aspekte in seinem Spiel, die kann man nicht lernen.
Wie lautet Ihr Urteil über Lucien Favre, wenn man sich die bisherige Saison anschaut?
Watzke: Auch eine glatte Eins. Mehr geht ja nicht. Wenn du nach 27 Spielen an der Tabellenspitze stehst mit einer Mannschaft, die keiner der so genannten Experten auf dem Schirm hatte, das spricht für ihn wie nichts anderes. Er macht das toll und ist genau der richtige Trainer für den BVB, davor kann man nur den Hut ziehen.
Ihr Vertrag läuft noch bis 2022. Wer geht denn eher in Rente, Karl-Heinz Rummenigge oder Sie?
Watzke: (Lacht) Es sieht - wenn ich auf die Medienschlagzeilen schaue - danach aus, als würde der Kalle Rummenigge vor mir in Rente gehen. Aber wer weiß das schon. Im Fußball ändern sich die Dinge ganz schnell. Eine Nachfolgerdiskussion um meine Person gibt es hoffentlich noch nicht.
Wenn es eine Nachfolgediskussion gäbe, wen hätten Sie im Auge?
Watzke: Es gibt keine und ich habe auch niemanden im Auge. Das Thema ist obsolet, ich bin 59 Jahre alt und ich denke nicht im Ansatz ans Aufhören. Warum soll ich denn mit 62 Schluss machen? Ich habe vor, bis mindestens 95 zu leben wie mein Opa. Machst du dann 30 Jahre gar nichts? Ich habe deshalb auch noch nie gesagt, dass 2022 Schluss ist.
Wie ist momentan ihr Verhältnis zu den Bayern?
Watzke: Ich habe einen riesigen Respekt vor Bayern, weil das ein außergewöhnlich erfolgreicher Klub ist mit einer eigenen Identität. Und ich habe aktuell mit niemandem vom FC Bayern ein Problem, wobei vor allem die Zusammenarbeit mit Karl-Heinz Rummenigge sehr vertrauensvoll ist. Das hat schon eine besondere Qualität.
Mit Uli Hoeneß auch?
Watzke: Uli Hoeneß und ich haben viel weniger Berührungspunkte, mein operativer Ansprechpartner ist Karl-Heinz Rummenigge. Der ist gebürtiger Westfale wie ich, das hilft auch. Mein Kontakt zu Uli Hoeneß ist nicht so eng, aber ich weiß schon, was er geleistet hat für den FC Bayern München.
Von Westfale zu Westfale: Sind Sie denn nach dieser legendären PK auch mal hingegangen und haben gesagt: Gut gemacht?
Watzke: Das steht mir ja überhaupt nicht zu, und das würde ich auch nicht wollen. Die besten deutschen Klubs zeichnen sich ja dadurch aus, dass sie respektvoll miteinander umgehen und nicht in der Öffentlichkeit sagen: Das hätte ich anders gemacht. Ich glaube, das war auch in dieser Saison deutlich zu spüren, denn als die Bayern ihre Schwächephase hatten, haben wir keine hämischen Kommentare abgelassen, und als wir dann eine Phase hatten, in der es nicht so gut lief, war es umgekehrt genauso. So sollte es auch sein, denn in einer sich zunehmend globalisierenden Welt haben wir als die beiden deutschen Vorzeigeklubs auch eine Verantwortung für den deutschen Fußball. Da darf man sich nicht in Kleinkriegen verlieren, wie wir das früher schon mal gemacht haben. (lacht) Das war ja noch in meiner Sturm- und Drangzeit, man wird auch vernünftiger und ruhiger.
Darf man das auch als Schulterschluss verstehen?
Watzke: Nein, das ist kein Schulterschluss. Die Bayern und wir wollen gewinnen, möglichst viel. Deshalb haben wir auch eine normale Konkurrenzsituation, wir werden mal wieder richtig zusammenrasseln, da muss man kein Prophet sein. Aber es ist auch richtig, dass wir uns über weltfußballpolitische Themen abstimmen und versuchen, eine einheitliche Meinung herbeizuführen. Ich habe das Gefühl, dass es noch Luft nach oben gibt, was den internationalen Einfluss des deutschen Fußballs angeht. Da haben Karl-Heinz Rummenigge und ich sogar die Verpflichtung, uns abzustimmen.
Dann könnten Sie ja doch 2022 aufhören und internationale Ämter übernehmen.
Watzke: Nein, ich bin kein klassischer Funktionär. Meine Motivation ist dieser Klub und das nächste Spiel, egal ob das in Freiburg oder gegen Mainz oder gegen Bayern München ist. Aber durch die Welt zu reisen und irgendwelche Programme zu diskutieren, das kann ich überhaupt nicht.
Trotzdem müssen Sie sich als BVB zu den Bestrebungen einer Superliga positionieren.
Watzke: Ob das Champions League, Super League oder Super-Super-League heißt, ist nicht so entscheidend. Entscheidend ist, dass man Respekt vor den nationalen Ligen haben muss, vor der Kultur der Liga und den Fans. Ich bin ein Kind der Bundesliga und habe sie immer geliebt, jeden einzelnen Samstag. Die Bundesliga muss immer das Tagesgeschäft sein, das ist das allerwichtigste. Jedwede Ansage, dass es zu Lasten der Liga irgendeinen Wettbewerb geben wird, kann daher nicht unsere Unterstützung haben.