BVB - Marco Reus im Interview: "Der Jürgen war so ein Tier"

Von Niklas König
Jürgen Klopp gibt Marco Reus taktische Anweisungen.
© getty

Im Juni wurde Marco Reus von seinen Profikollegen zum Spieler der Saison gewählt - nach 2012 und 2014 bereits zum dritten Mal in seiner Karriere. Sein Weg zu einem der besten deutschen Fußballer seiner Generation und zum Kapitän von Borussia Dortmund verlief allerdings nicht so gradlinig, wie man angesichts seiner fußballerischen Klasse zu glauben geneigt ist.

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Beim BVB sah Reus im Alter von 15 Jahren keine Perspektive mehr - und wechselte deshalb zu LR Ahlen. Nach Einsätzen in der Ober- und Regionalliga sowie in der 2. Bundesliga zog er zunächst nach Mönchengladbach weiter. "Mein Papa und mein Berater mussten kämpfen, damit ich den Schritt gehe", sagt Reus rückblickend im Interview mit SPOX und DAZN.

Ein Gespräch über Reus' steinigen Weg zum Top-Spieler, das erste Treffen mit Jürgen Klopp und den bitteren Abgang von Mario Götze zum FC Bayern im Sommer 2013.

Marco, Kevin Großkreutz stand als Fan mit seinem Vater regelmäßig auf der Südtribüne. Wie sah Ihr erstes Stadionerlebnis aus?

Marco Reus: Es war wahrscheinlich nicht ganz so intensiv wie bei Kevin. (lacht) Wenn man hier in Dortmund geboren wird, wächst man automatisch als Schwarz-Gelber auf. Meine Eltern und meine Familie waren schon immer Dortmund-Fans und oft im Stadion. Auch ich war dann ab und zu mit meinem Dad dort, aber nicht in der Regelmäßigkeit, wie es bei Kevin der Fall war.

Sie sind 1995 vom PTSV Dortmund zum BVB gewechselt. Wie lief das ab?

Reus: Wir saßen an einem Sonntag mit der Familie am Frühstückstisch. Mein Vater hat dann erzählt, dass ich ein paar Angebote aus der Region habe: Von Bochum, Dortmund, Wattenscheid und noch ein paar anderen Vereinen. Ich musste mir dann überlegen, was das Beste für mich ist. Letztlich war es für mich als BVB-Fan eine einfache Entscheidung, direkt nach Dortmund zu wechseln.

Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre ersten Tage beim BVB?

Reus: In dem Alter macht man sich nicht so viele Gedanken, man freut sich einfach über die Situation. Ich weiß aber noch, dass wir am Anfang jeder Saison eine Tasche mit Trainingsbekleidung bekommen haben. Darauf habe ich mich immer am meisten gefreut, weil es ziemlich cool war und ich mir dachte: Diese Klamotten bekommen die Profis auch. Auch wenn das Profigeschäft damals noch sehr weit weg war, ging für mich ein Kindheitstraum in Erfüllung, als ich plötzlich die Trainingsbekleidung mit dem Wappen tragen konnte.

Und mit den Klamotten waren Sie dann der Star beim Schulsport.

Reus: Ehrlich gesagt hatte ich beim Schulsport meistens ein Trikot von Tomas Rosicky an. Als ich dann etwas älter wurde, habe ich es vermieden, immer die Sachen von Borussia Dortmund zu tragen.

Bei ambitionierten Klubs werden schon in der Jugend am Saisonende Spieler ausgemustert. Wie sind Sie damit umgegangen?

Reus: Bei uns war es jedes Jahr so, dass der Trainer am Ende der Saison in die Kabine kam, um uns mitzuteilen, wie der Verein mit uns plant. Wir saßen auf unseren Plätzen und waren ziemlich aufgeregt. Man hatte sich im Vorfeld schon untereinander ausgetauscht und darüber gesprochen, wen es vielleicht erwischen könnte. Die Eltern von jedem Kind waren am Trainingsgelände und warteten draußen. Das war für alle ein sehr kritischer Moment. Wenn jemand gehen musste, war die Enttäuschung natürlich riesengroß. Andererseits war es für diejenigen, die es geschafft haben, eine Jugend weiterzukommen, ein großartiges Gefühl. Ich hatte schon damals den Traum, nach ganz oben zu kommen, und habe dementsprechend gehofft, dass der nächste Trainer auf mich steht und mich im nächsten Jahr in seiner Mannschaft haben möchte.

Wie sah Ihre sportliche Rolle im Alter von zwölf bis 15 Jahren aus?

Reus: Da habe ich noch gespielt. (lacht) Das war ja später nicht mehr der Fall. In dem Alter kam man in einen Bereich, in dem es härter zur Sache ging und der Körper eine zunehmend größere Rolle gespielt hat. Die Gegenspieler wurden größer und ich war damals eher der kleine, schmächtige Typ. Deshalb musste ich andere Lösungen finden, um an meinen Gegenspielern vorbeizukommen und auf mich aufmerksam zu machen.

Im Januar 2005 wechselten Sie vom BVB zu LR Ahlen. Hatten Sie es in den Monaten zuvor schon kommen sehen, dass es beim BVB nicht mehr reichen würde?

Reus: Ehrlich gesagt, nein. Wir hatten eine starke B-Jugend, die in der Junioren-Bundesliga gespielt hat. Ich hatte im Sommer eine gute Vorbereitung gespielt und mir schon etwas ausgemalt. Am 1. Spieltag wurde ich noch eingewechselt - als rechter Verteidiger. Das war natürlich nicht zufriedenstellend. Anschließend bin ich ein paar Spiele gar nicht zum Einsatz gekommen. Da wurde mir relativ schnell klar, dass es in dieser Saison schwierig werden würde. Als wir dann mit dem BVB in Ahlen gespielt haben, hat mein Vater den Jugendkoordinator gefragt, ob ich dort mal ein Probetraining machen könnte. So haben die Dinge ihren Lauf genommen.

In der Öffentlichkeit kam es so rüber, als wären Sie vom BVB ausgemustert worden. Das war aber nicht der Fall?

Reus: Nein. Es war so, dass die Initiative von mir kam. Es hat aber sicherlich auch eine Rolle gespielt, dass ich als zu klein und zu schmächtig angesehen wurde. Ich kann nur jedem mitgeben, dass es sich schön anhört und dass es auch schön ist, bei Borussia Dortmund, bei Bochum, Schalke, Bayern oder anderen großen Klubs in der B- oder A-Jugend zu spielen. Die oberste Priorität in dem Alter ist es aber, zu spielen und Spaß zu haben. Nur so kann man sich weiterentwickeln, nur so hat man Erfolg. Natürlich gibt es auch Phasen, in denen es nicht läuft. Da muss man durch und sollte nicht gleich wegrennen. Wenn die Perspektive aber nicht da ist, muss man sich Gedanken machen. In meinem Fall kam dann relativ schnell der Entschluss, nach Ahlen zu wechseln.

Können Sie es verstehen, dass Ihre Statur den Ausschlag gegeben hat?

Reus: Die Qualität sollte immer an erster Stelle stehen. Und warum solltest du jemanden nicht spielen lassen, wenn die Qualität da ist? Ob er jetzt klein und schmächtig ist, macht keinen Unterschied. Von daher kann ich das bis heute nicht verstehen. Ich kann inzwischen darüber lachen, aber in dem Moment war es unheimlich schwer nachzuvollziehen.

Ihr damaliger Trainer, der Sie nur sporadisch einsetzte, war Peter Wazinski. Sie haben bestimmt mit ihm gesprochen, bevor Sie nach Ahlen wechselten.

Reus: Ein-, zweimal vielleicht. Ich weiß aber nicht mehr genau, was er zu mir gesagt hat. Wahrscheinlich fand er andere Spieler einfach besser. So ist das im Fußball. Manchmal stehen gewisse Trainer auf dich und mögen dich als Spielertypen und manchmal nicht. Entweder bleibt man dann im Verein und kämpft sich irgendwie durch oder man entscheidet sich für einen Vereinswechsel. Beide Wege können zum Erfolg führen.

Wazinski hat sein damaliges Handeln im Nachhinein wenig überraschend als Fehlentscheidung eingeordnet. Haben Sie sich mal mit ihm ausgesprochen?

Reus: Solche Themen werden von den Medien aufgeblasen. Ich habe es nie so empfunden, dass er da einen Fehler gemacht hat oder dass ich irgendetwas hätte anders machen müssen. Es ist einfach so gekommen und hätte auch anders ausgehen können.