Interview mit Friedhelm Funkel: "Bayerns Pokalsieg war ungerecht"

Friedhelm Funkel ist seit 2016 Trainer von Fortuna Düsseldorf.
© imago images
Cookie-Einstellungen

Neben 1860 sind Sie auch in Rostock 2001 entlassen worden, zudem mit Hertha BSC 2010 abgestiegen. Funktioniert der überzeugte Rheinländer Funkel nur in der Nähe seiner Heimat?

Funkel: Da sehe ich keinen Zusammenhang, und ich würde auch alles wieder genauso machen. Rostock war eine schöne Zeit, doch leider war das Umfeld zu unruhig, einige haben schon vom Europapokal geträumt. Und Hertha war die beste Mannschaft, die ich je trainiert habe. Mit Friedrich, Ramos, Raffael, Cicero, Lustenberger oder Drobny. Aber wir haben nur auswärts gepunktet und kein einziges Heimspiel gewonnen. Trotzdem standen die Verantwortlichen Michael Preetz, Ingo Schiller und Werner Gegenbauer bis zum Schluss hinter mir. Aber es hatte nach dem Abstieg keinen Sinn mehr weiterzumachen, da musste ein Neuanfang her. Es gibt nur einen Job, den ich nicht hätte machen dürfen.

Und zwar?

Funkel: Alemannia Aachen. Das war ein Fehler. Da habe ich 2011 nur fünf Tage nach der Trennung vom VfL Bochum zugesagt, weil ich unbedingt weitermachen wollte. Aber die finanzielle Situation war ganz schlecht, auch die Zusammenarbeit mit Erik Meijer als Manager war schwierig, weil er mir gegenüber in dieser Zeit leider nicht loyal war - auch wenn Erik ansonsten ein Supertyp ist, den ich menschlich sehr schätze.

Gibt es einen Verein, zu dem Sie gerne gegangen wären?

Funkel: Ja, ganz klar: Borussia Mönchengladbach. Da hätte ich sofort unterschrieben. Borussia war als Jugendlicher mein Verein, ich bin immer zum Bökelberg gefahren und habe dort Anfang der 70er die großen Spiele wie das 7:1 gegen Inter Mailand miterlebt. Rainer Bonhof wurde im Herbst 1999 entlassen und ich war mit den Verantwortlichen einig. Aber Duisburg hat mich nicht aus meinem laufenden Vertrag gelassen, stattdessen kam dann Hans Meyer.

Und der HSV? Ihre Frau kommt ja aus Hamburg ...

Funkel: Natürlich hätte mich der HSV gereizt, aber da hatte ich nie ein Angebot vorliegen. Hamburg ist eine tolle Stadt, der Verein hat eine große Tradition und Uwe Seeler war als Kind mein großes Vorbild, den ich immer bewundert habe. Ich bin froh, dass ich ihn als Bundesligatrainer näher kennenlernen durfte.

Mittlerweile sind Sie bei Trainertagungen meistens der mit Abstand älteste Teilnehmer. Wird aus Ihrer Sicht zu viel aufs Alter und zu wenig auf die Qualität geschaut?

Funkel: Wir haben ja mit Christian Streich, Lucien Favre oder Niko Kovac auch einige erfahrene Kollegen. Es gab eine Zeit, da waren noch mehr junge als jetzt dabei. Trainer wie Julian Nagelsmann oder Florian Kohfeldt machen das auch fantastisch und sind mittlerweile ja schon etabliert. Und es gab eben andere, die haben vielleicht ein bisschen überzogen. Ich will jetzt keine Namen nennen, aber ein Kollege ist eben nicht mehr dabei, nachdem er Vize-Meister geworden ist.

Das ist aber nicht so schwer zu erraten, wen Sie meinen ...

Funkel: Ja klar, ich meine Domenico Tedesco. Er hat Aue in der zweiten Liga eindrucksvoll vor dem Abstieg gerettet und mit Schalke eine überragende erste Saison gespielt. Aber dann hat er vielleicht zu viel zu schnell gewollt. Als Menschenfänger in der Kabine Vize-Meister zu werden ist eben nicht so schwer, wie diesen Erfolg dann auch zu bestätigen, wenn es nicht so läuft. Als Trainer musst du die Kabine im Griff haben.

Was meinen Sie konkret?

Funkel: Höwedes zu verabschieden, Naldo abzugeben, der im Jahr davor der beste Spieler war, Fährmann als Kapitän abzusetzen - wenn man solche Spieler nicht mehr als Rückhalt in der Kabine hat, dann hast du als Trainer keine Chance mehr. Das sind so Fehler, die man in jungen Jahren macht, weil man vielleicht zu sehr gehypt wird. Vor allem von seiner Art Fußball abzugehen, die vielleicht nicht so attraktiv, aber in der ersten Saison extrem erfolgreich war. Dann auf Ballbesitz-Fußball umstellen zu wollen, weil es vielleicht von der Öffentlichkeit gefordert wird, das solltest du nicht machen. Sonst wäre er vielleicht Dritter oder Vierter geworden und wäre immer noch Schalke-Trainer. Das ist das, was ich so einem jungen Trainer mit meiner Erfahrung mit auf den Weg geben würde. Aber in einer solchen Situation fragst du verständlicherweise keinen Kollegen um Rat. Und Domenico ist natürlich trotzdem ein guter Trainer und wird auch wieder zurückkommen.

Wie haben Sie es geschafft, auch mit 65 Jahren noch auf der Höhe der Zeit zu sein, obwohl sich der Fußball rasant geändert hat?

Funkel: Mir hilft natürlich, dass ich heute 14, 15 Spezialisten an meiner Seite habe, während es früher nur einen Co-Trainer, vielleicht einen Torwarttrainer und einen Physiotherapeuten gab. Da konnte man gar nicht den gesamten Überblick haben, den ich heute habe. Das ist einfach ein gutes Teamwork und am Ende ist es meine Aufgabe, die Entscheidungen zu treffen. Das hält mich natürlich auch jung.

Trotzdem häufen sich die Rücktritte von Leuten aus Ihrer Generation. Uli Hoeneß hat seinen Abschied als Bayern-Präsident auch damit erklärt, dass er mit der Entwicklung des Fußballs hin zum Business große Probleme hat ...

Funkel: Ich verstehe den Uli zu 100 Prozent. Das ist auch nicht mehr mein Fußball so wie früher, weil sich drumherum viel verändert hat. Uli hat mit diesen Beratern und Transferklauseln noch viel mehr zu tun als ich. Ich habe mit Spielern zu tun, die auch anders geworden sind, aber das bekomme ich noch ganz gut hin. Wenn mir die Musik in der Kabine zu laut ist, bleibe ich in der Trainerkabine. Oder die ganzen Tätowierungen, aber andererseits darf man auch nicht vergessen, wie ich früher mit meinem dicken Bart aussah. Oder die Schnelllebigkeit des Geschäfts, mit der wir älteren Menschen etwas mehr Probleme haben als die jungen Leute, weil wir manches teilweise für unnötig halten. Zum Beispiel, wenn man gerade operiert wurde und direkt ein Foto postet. Das muss ich nicht mehr haben, soziale Medien interessieren mich überhaupt nicht. Mir reichen E-Mail, SMS und WhatsApp. Ich habe ein so schönes Leben, mehr brauche ich nicht.