Massimo Mariotti vom FC Schalke 04 im Interview: "Dembele und sein Cousin waren drei Tage nicht erreichbar"

Jochen Tittmar
04. Oktober 201914:36
Massimo Mariotti, Ciro Immobileimago images
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Massimo Mariotti war zehn Jahre lang Jugendtrainer bei Borussia Dortmund, ehe er 2013 vom einen auf den anderen Tag zum Dolmetscher umfunktioniert wurde. Der ehemalige Profispieler übersetzte beim BVB unter anderem für Pierre-Emerick Aubameyang, Ousmane Dembele und Henrikh Mkhitaryan.

Nach 15 Jahren beim BVB wechselte Mariotti 2018 zum VfB Stuttgart. Eine Saison später schloss sich der 57-jährige Schweizer dem FC Schalke 04 an und fungiert dort in selber Rolle wie in Dortmund oder beim VfB - als Integrationsbeauftragter.

Im Interview mit SPOX und Goal spricht Mariotti über seinen Wechsel zu S04, den Start beim BVB, ein brisantes Aubameyang-Interview, Dembeles Streik und einen Vorwurf von Ciro Immobile.

Herr Mariotti, nach zuvor 15 Jahren beim BVB sind Sie seit dieser Saison als Integrationsbeauftragter bei Schalke 04 angestellt. Wie viele Sprüche haben Sie sich rund um Ihren Wechsel anhören müssen?

Massimo Mariotti: Eigentlich gar keine. Mir wurden meist nur nette Dinge gesagt. Am häufigsten kam von BVB-Fans: Du bist jetzt zwar beim falschen Verein, aber wir wünschen dir alles Gute. Das hat mir gezeigt, dass sie gesehen haben, wie ich in all den Jahren immer mit Liebe und vollem Engagement dabei war.

Erst 2018 wechselten Sie von Dortmund zum VfB Stuttgart. Hat Sie das Angebot der Schwaben in gewisser Weise überrascht?

Mariotti: Ja, weil das alles auch mit einem Artikel in der Sport Bild zusammenhing. Darin stand, dass Sebastian Kehl und Matthias Sammer einige Änderungen beim BVB vornehmen werden - unter anderem, dass ich nicht mehr bei den Spielern auf dem Platz dabei sein werde, weil Lucien Favre ja selbst Französisch spricht. Kurz darauf bekam ich mehrere Angebote. Ich wusste gar nicht, dass jemand mit meinem Aufgabengebiet in der Bundesliga so gefragt ist. Ich erhielt dann die Offerte aus Stuttgart, auch zwei andere Bundesligisten waren interessiert. Ich selbst wäre nie auf den Gedanken gekommen, mich irgendwo zu bewerben.

Der BVB verkündete bei Ihrem Wechsel damals, dass dieser auf Ihren Wunsch hin stattgefunden habe.

Mariotti: Nachdem die Anfragen bei mir eintrudelten, habe ich mit Sebastian Kehl gesprochen und ihm gesagt, dass ich nach so vielen Jahren eine Veränderung möchte. Mein Vertrag beim BVB war unbefristet, deshalb habe ich um Auflösung gebeten. Ich war nicht unzufrieden oder sauer, es gab auch keinen Streit.

In Stuttgart waren Sie allein, Ihre Familie blieb im Ruhrgebiet. Nach nur einem Jahr ging es nun wieder zurück in den Pott. Haben Sie die private Dimension vielleicht unterschätzt?

Mariotti: Nein. Ich habe mir die Entscheidung für den VfB gründlich überlegt. Ausschlaggebend für meine Rückkehr waren private Gründe, über die ich aber nicht sprechen möchte.

Kein Problem. Wieso fiel Ihre Wahl letztlich auf Schalke, gehörten die Knappen schon vor einem Jahr zu den interessierten Klubs?

Mariotti: Nach dem Relegationsheimspiel mit dem VfB gegen Union Berlin traf ich im VIP-Raum auf David Wagner. Ich wusste nicht, dass er im Stadion war. Wir haben uns kurz unterhalten und ich habe ihm von meiner privaten Situation erzählt. David meinte, auf Schalke würde man eine Person wie mich suchen. Ich habe daraufhin eine kurze Zeit lang überlegt, letztlich aber meinen Drei-Jahres-Vertrag in Stuttgart auflösen können. Dafür bin ich dem VfB auch sehr dankbar.

Sie stehen zwar in der zweiten Reihe, aber inwiefern machten Sie sich als langjähriger Dortmunder auch darüber Gedanken, ob Sie tatsächlich zum Erzrivalen wechseln sollen?

Mariotti: Ich habe nachgedacht, ob ich das wirklich bringen kann. Dann dachte ich mir: Ich bin ja kein Spieler oder Trainer, sondern eher ein Mitarbeiter, der quasi von Mercedes zu Bosch gewechselt ist. Ich liebe meine Tätigkeit und übe sie jetzt eben für Schalke aus.

Wie sieht Ihre Aufgabe auf Schalke genau aus, wen betreuen Sie dort vor allem?

Mariotti: Alle Jungs, die irgendeine Hilfe von mir brauchen. Ich bin dafür da, ihnen privat viele Dinge abzunehmen, damit sie beispielsweise nicht zwei Stunden lang bei einer Behörde warten müssen. Gerade den ausländischen Neuzugängen erkläre ich, welche Dinge in Deutschland zu tun sind, um hier mit dem Leben zu beginnen. Die Haussuche, Termine organisieren, Behördengänge, die Familienmitglieder oder Kinder im Kindergarten anmelden - ich unterstütze sie einfach, wo es notwendig ist.

In Dortmund begannen Sie mit diesem Job im Jahr 2013. Wie ungewohnt waren die Abläufe zum Beispiel auf den diversen Ämtern für Sie zu Beginn?

Mariotti: Ich kannte mich zunächst kein bisschen aus, aber es ist auch nichts Schwieriges. Man muss einfach alles kennenlernen. Wichtig ist letztlich, diese Dinge so schnell und zuverlässig wie möglich zu erledigen, damit die Spieler merken, sie können mich immer anrufen und auf mich bauen. Mein Job ist nicht besonders, aber einer muss ihn halt machen.

Die deutsche Bürokratie kann Sie also nicht mehr wirklich schocken?

Mariotti: Ausländerbehörde, Einwohnermeldeamt, Straßenverkehrsamt, Schulen, Kindergärten, Umzugsfirmen - ich kenne sie alle. (lacht) In Stuttgart war ich bei der Geburt von Pablo Maffeos Kind sogar im Kreißsaal mit dabei.

Zum damaligen Zeitpunkt war Maffeo Stuttgarts teuerster Neuzugang aller Zeiten, bekam aber kaum ein Bein auf den Boden und stand "quer im Stall", wie Ex-Präsident Wolfgang Dietrich meinte. Wieso hat die Integration bei ihm nicht geklappt?

Mariotti: Er hatte die besten Voraussetzungen für eine gute Integration: Trainer Korkut konnte perfekt Spanisch, dazu gab es viele spanischsprachige Spieler in der Mannschaft. Er hatte von Anfang an eine gute Betreuung, sofort ein Haus, man hat sich bestmöglich um ihn gekümmert. Warum es dennoch nichts wurde? Weil die Integration in der Kabine enorm wichtig ist - und da hat es bei ihm leider nicht optimal funktioniert.

Inwiefern?

Mariotti: Dort müssen die Spieler aufeinander zugehen. Integration liegt manches Mal aber auch an der Qualität des Spielers und inwiefern er sich an die neue Liga und die neue Mentalität gewöhnt. Ein Xabi Alonso kam unter der Woche nach München, hatte am Wochenende aber gleich gefühlte 500 Ballkontakte und war bester Spieler - ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Oder Pierre-Emerick Aubameyang: Der hat nie an einem Deutschunterricht teilgenommen, aber jedes Jahr dutzende Tore geschossen.

Kam Maffeo auch mit der Mentalität in der Bundesliga nicht klar?

Mariotti: Ich habe zu ihm gesagt: In der Bundesliga kriegst du jede Woche Feuer, ob in München oder in Mainz. Es ist komplett egal, dass du einmal vor einem halben Jahr gut gegen Messi ausgesehen hast. In Augsburg interessiert Messi keinen mehr. Es gehört auch zu meinen Aufgaben, den Spielern zu vermitteln, welche Werte in Deutschland und in der spezifischen Region gelebt und gern gesehen werden. Die müssen ja wissen, dass sie jetzt hier von den Schalker Fans, die ihr letztes Hemd für den Verein geben, geliebt werden, wenn sie in jedem Spiel 100 Prozent Kampfgeist zeigen. Ich bin mit den Schalker Neuzugängen durch Gelsenkirchen gefahren und habe ihnen die schönsten und die weniger schönen Ecken gezeigt. Das sind alles Bausteine, die für eine schnelle Integration helfen können.

Lassen Sie uns zum Anfang des Jahrtausends zurückblicken: 2003 haben Sie beim BVB angefangen und jahrelang als Trainer im Jugendbereich gearbeitet. Wie sind Sie einst überhaupt zur Borussia gekommen?

Mariotti: Nach meiner Karriere als aktiver Spieler wollte ich immer Jugendtrainer werden. Deshalb habe ich zunächst die B-Lizenz gemacht und die B-Jugend des BSV Menden übernommen. Im ersten Jahr sind wir aufgestiegen. Ich bekam dann ein Angebot vom VfL Bochum, um dort die U14 und U15 zu trainieren. Das habe ich ab 1999 für drei Jahre und 300 Mark im Monat gemacht. Daraufhin ging ich für ein Jahr zum DFB-Stützpunkt nach Iserlohn. Das war alles nebenbei, hauptberuflich habe ich zehn Jahre lang als Vertriebsleiter bei der Mendener Zeitung gearbeitet. Anschließend hat mich der BVB in Person von Lars Tiefenhoff kontaktiert. Er war dort Jugendkoordinator und Trainer der U13 und U14. Für mich ist er einer der besten Jugendtrainer, den ich je kennengelernt habe. Mit ihm zusammen habe ich dann die U13 übernommen.

Und gleich im ersten Jahr Mario Götze trainiert. Wie war's?

Mariotti: Ich dachte mir: Was sind das hier für fantastische Kicker? Mario war unglaublich gut, absolut sensationell. Ich musste später immer schmunzeln, wenn Trainer von sich behauptet haben, sie hätten Mario entdeckt oder entwickelt, denn so einen Spieler kannst du als Trainer nicht verhindern. Mario war sehr intelligent und enorm bescheiden. Ihn musste man regelrecht pushen, damit er alles zeigt und die anderen nassmacht. Er konnte damals schon fast alle Sachen, die selbst gestandene Bundesligaspieler heute nicht können.

Bis 2011 hatten Sie diesen Posten inne - und wurden dann Co-Trainer von David Wagner bei der zweiten Mannschaft des BVB. Wie ist das geschehen?

Mariotti: Ich denke, ich habe mich als Jugendtrainer profiliert und bin dann einfach befördert worden. Leider musste ich recht schnell nach Saisonstart wieder aufhören, da mein Vater erkrankt war und ich bei ihm in Italien sein musste. Als ich zurückkam, bot mir die Borussia dankenswerterweise wieder die Stelle als U13-Trainer an. Das habe ich dann eine weitere Saison lang gemacht - bis mir ein Gespräch mit dem Dortmunder Platzwart Willi Droste den Weg zu meiner heutigen Aufgabe ebnete.

Erzählen Sie.

Mariotti: Der BVB suchte damals einen Dolmetscher für die Profis. Ich stand eines Tages mit Willi zusammen, wir haben eigentlich nur ein bisschen geflachst. Ich meinte: 'Mensch Willi, warum suchen die einen Dolmetscher? Da können sie auch mich nehmen, ich kann ja mehrere Sprachen.' Willi rief daraufhin bei Michael Zorc an, was ich aber nicht wusste - und am selben Abend saß ich schon in der Kabine und habe für Aubameyang übersetzt.

Wie denn das?

Mariotti: Ich saß um 14 Uhr in der Eisdiele und bekam einen Anruf von Michael Zorc, um 18 Uhr saß ich dann in der Kabine. An diesem Tag fand in Dortmund die Vorstellung der Mannschaft mit anschließendem Benefizspiel im Stadion statt. Ich weiß noch, wie mich Jürgen Klopp nach der Besprechung mit dem Team in seinen Raum holte und furztrocken meinte: 'Und, wie isses? Machst du's oder machst du's nicht?' (lacht)

Sie haben zugesagt und waren sofort gefordert: Nur wenige Tage später ging es ins Trainingslager in die Schweiz.

Mariotti: Genau. Ich musste erst einmal meine Teilnahme an einem Jugendfußball-Kongress in Portugal absagen. In Bad Ragaz habe ich mich noch einmal in Ruhe mit Michael Zorc zusammengesetzt. Für mich war das alles natürlich total spannend: Unter Jürgen Klopp für Top-Spieler wie Aubameyang oder Mkhitaryan und Sokratis zu übersetzen und sehr nah an der Mannschaft zu sein. Trotzdem wusste ich nicht wirklich, was überhaupt auf mich zukommen würde.

Auf einmal sah man Sie als Dolmetscher vor den TV-Kameras und Sie mussten simultan übersetzen - alles andere als eine leichte Aufgabe. Wie denken Sie an diese Startphase zurück?

Mariotti: Das erste Mal werde ich nie vergessen. Wir haben in Augsburg gespielt, Auba hat in seiner ersten Partie gleich drei Tore geschossen. Anschließend war natürlich ein riesiger Medien-Auflauf um ihn. Ich bin das dann relativ entspannt angegangen, habe aber schnell gemerkt, dass das gar nicht angebracht ist. Es schauen viele Leute zu, die jedes Wort interessiert. Und weil ich ja kein ausgebildeter Dolmetscher bin, war das schon immer ziemlich anstrengend. Man musste sich enorm konzentrieren, auch wenn gerade Auba und Mkhitaryan klar und deutlich mit ihrer Sprache waren. Ich habe den Spielern deshalb gesagt, dass sie keine drei Minuten am Stück sprechen sollen. Mit der Zeit gab es natürlich auch kritische Situationen, weil die Fragen kritisch waren. Da musste ich dann auch mal im Sinne des Spielers übersetzen...

Eine solche Situation trug sich am letzten Spieltag der Saison 2016/17 zu, als die Transfergerüchte um Aubameyang hochkochten. Am Sky-Mikrofon sagte er auf Italienisch, dass man sich in der kommenden Woche unmittelbar vor dem Pokalfinale zusammensetzen und über einen Wechsel beraten werde. Sie zögerten dann mit der Übersetzung.

Mariotti:Sky hat es im Anschluss übersetzen lassen, dass ich zu Auba sagte, ob er das wirklich so äußern möchte. Ich wollte ihn nur schützen, denn auch ich wollte Pokalsieger werden und keine Diskussionen im Vorfeld des Spiels zulassen. Einzig darum ging es mir. Auba war in dem Moment wohl auch etwas überrascht, daher meinte er ja dann auch, ich solle einfach sagen, was ich will - weil er wusste, dass es dann eine unverfängliche Antwort sein würde.

Nach zwei Jahren als Dolmetscher unter Klopp ging es für Sie unter Thomas Tuchel zunächst in die von Zorc verantwortete Scouting-Abteilung. Wieso das?

Mariotti: Ciro Immobile hatte den Verein verlassen und Thomas Tuchel sprach mit Auba und Mkhitaryan Englisch. Daher brauchte es keinen Übersetzer mehr. Ich habe mich nebenher weiterhin ein, zwei Mal die Woche um Auba gekümmert, Mkhitaryan stand dagegen schnell auf eigenen Füßen. Die meiste Zeit war ich deshalb bei Sven Mislintat und Chefscout Heiner Finke für die U23 und hin und wieder für die Profis unterwegs. Ich habe mir Spiele in der Regionalliga angeschaut, bin aber auch ins Ausland gereist. Dan-Axel Zagadou habe ich beispielsweise in Frankreich beobachtet, Ousmane Dembele in Venedig mit der französischen U-Nationalmannschaft. In Tuchels zweitem Jahr kamen dann Dembele und Raphael Guerreiro zum BVB und ich wurde wieder gebraucht.

Um die Amtszeit von Tuchel beim BVB gibt es viele Kontroversen, nicht jeder verstand sich gut mit ihm. Wie sind Sie mit ihm klargekommen?

Mariotti: Mir gegenüber war er immer extrem freundlich und fair, ich hatte nicht den Hauch eines Problems mit ihm. Ich durfte bei jeder Sitzung mit dabei sein und viel bei der Trainings- und Spielvorbereitung helfen. Dafür war er auch immer sehr dankbar. Wir haben uns zudem ständig über Fußball unterhalten. Bei ihm habe ich richtig viel mitgenommen, er ist ein absolut überragender Trainer.

Wie empfanden Sie Klopp?

Mariotti: Man musste hellwach sein und sich sputen, wenn man gebraucht wurde. Auf dem Trainingsplatz und beim Spiel war er ein Löwe, danach nahm er dich aber in den Arm und alles war wieder gut. Er hat mich sogar beim 5-gegen-2 oder beim Abschlussspiel mit 10-gegen-10 mitspielen lassen und sich immer kaputtgelacht: 'Boah Massimo, heute kannst du richtig was, aber das brauchst du jetzt nicht mehr. Früher hättest du das gebraucht, aber da konntest du nix.' Rhetorisch wie immer überragend. (lacht) Bei einem Spiel gegen Hannover hat er sogar mal vergessen mir zu sagen, was ich Mkhitaryan übersetzen soll. Dann hat er ihm auf Deutsch irgendetwas zugerufen, aber Mkhitaryan hat das natürlich nicht verstanden. Plötzlich guckte er mich an und schrie: Massimo, was zum Teufel hast du ihm denn gesagt? Er hatte im Eifer des Gefechts einfach vergessen, dass er mit mir noch gar nicht gesprochen hatte.

Seit 2013 haben Sie zu zahlreichen Spielern ein inniges Verhältnis aufgebaut. Mit wem ist oder war es am meisten besonders?

Mariotti: Mit Auba, weil ich mit ihm auch fünf Jahre zusammen war. Er ist ein ganz lieber Mensch. Für ihn habe ich alles erledigt: Ich habe mich um seine Post gekümmert, bei Übersetzungen geholfen, war beim Hauskauf und Notar dabei. Er hat das zwar nicht gefordert, aber sehr gerne gesehen. (lacht) Auch zu seiner Familie habe ich bis heute einen engen Draht.

Auch Dembele hatten Sie sozusagen unter Ihren Fittichen. Nach seinem Wechsel hatte er ein Gerichtsverfahren am Hals, weil er sein Haus in Dortmund zugemüllt haben soll und ihn der Vermieter nach dessen Auszug verklagte. Was wissen Sie darüber?

Mariotti: Das stimmt nicht. Sein Berater hatte mich gebeten, zu seinem Haus zu fahren, um es abzunehmen und Bilder zu machen. Das habe ich im März nach seinem Wechsel getan und dort alles fotografiert. Ich habe die Schlüssel eingesammelt und sie zum Eigentümer nach Rheda-Wiedenbrück gebracht. Und da habe ich keinen Müll gesehen. Er hat das Haus in einem Top-Zustand hinterlassen und auch noch Miete bezahlt. Letztlich wurde die Klage gegen Ousmane ja auch abgewiesen. Er musste 4000 Euro für irgendwelche Rollläden nachzahlen und hat sogar die Kaution zurückbekommen.

Wie hat Dembele in seinem Jahr in Dortmund gelebt, Sie dürften ja mehrfach vor Ort gewesen sein?

Mariotti: Er war nie allein, sein Cousin und sein bester Kumpel lebten mit ihm. Auch die Mutter kam immer wieder vorbei. Ousmane war einfach sehr jung, er brauchte viel, viel Unterstützung. Die waren einfach völlig überfordert. Ousmane selbst war eher entspannt und meinte immer: Der Massimo macht das schon. Auch Thomas Tuchel hat fast täglich mit ihm gesprochen und Videoanalyse gemacht. Er sagte zu mir: 'Massimo, wir brauchen den, der ist so unfassbar gut, kümmere dich um ihn.' Letztlich war sein Lebensstil gut genug, um die starken Leistungen zu bringen, die er beim BVB gebracht hat.

Wie erinnern Sie sich an den Tag, als Dembele nicht mehr beim Training erschien und in den Streik trat, um seinen Wechsel zum FC Barcelona zu forcieren?

Mariotti: Alle kamen zu mir und fragten, wo er denn sei. Ich wusste es aber auch nicht. Ich habe also versucht, ihn und auch seinen Cousin zu erreichen, aber das war vergebens. Sie waren beide drei Tage nicht erreichbar. Irgendwie hatte ich zu dem Zeitpunkt geahnt, dass er auch gar nicht mehr in Dortmund ist. Ich bin dann zu ihm nach Hause gefahren und habe erfahren, dass er am Morgen mit seiner Mutter nach Frankreich gefahren ist.

Ein paar Monate später erzwang auch Aubameyang seinen Wechsel auf diese Weise. Inwiefern waren Sie davon persönlich enttäuscht?

Mariotti: Mich hat das natürlich beschäftigt und mitgenommen, ich war ja beide Male mittendrin. Ousmane war wirklich von heute auf morgen weg und ich war der einzige, der später dann Kontakt zu ihm hatte. Ich habe ihm gesagt, dass er zurückkommen soll, damit wir das anders regeln und er auch den BVB verstehen und sich professionell verhalten muss. Dazu war es allerdings schon zu spät.

Der Dortmunder Maffeo war seinerzeit Ciro Immobile. Sie als Schweizer mit italienischen Wurzeln: Warum wirkte er in Dortmund die ganze Zeit über wie ein Fremdkörper?

Mariotti: Ciro kam in dem Jahr zum BVB, als man nach der Hinrunde auf einmal tief im Tabellenkeller war. Das sagt eigentlich alles. Es war ein Jahr voller Baustellen, fast gar nichts hat geklappt. Er hatte seine Frau und Freunde hier und war umsorgter als Dembele oder andere Spieler. Er fiel ihm nicht leicht, so richtig Deutsch zu lernen, aber er sträubte sich nicht gegen die Integration. Er hat einfach Pech gehabt und das falsche Jahr erwischt. Als Klopp auf 4-2-3-1 umstellte, war Auba im Sturm gesetzt und für ihn ist es noch schwieriger geworden.

Später äußerte er in einem Interview den Vorwurf, dass ihn keiner seiner Mitspieler beim BVB zum Essen eingeladen habe.

Mariotti: Dazu ein Beispiel aus meiner aktiven Laufbahn: Ich war als Profi 1987/88 für eine Saison beim AC Rimini. Obwohl ich perfekt Italienisch spreche und auch einen italienischen Pass habe, war ich in meiner ersten Woche jeden einzelnen Abend bei einem anderen meiner neuen Mitspieler eingeladen - ob in einer Pizzeria oder bei denen zu Hause. Das ist der ganz große Unterschied, den ich auch Ciro klarzumachen versuchte. In Italien wird man nach einem Wechsel mit der ganzen Familie bei einem Mitspieler eingeladen, selbst wenn man gar keine gemeinsame Sprache sprechen würde. In Deutschland herrscht dagegen eine andere Mentalität. Man muss eher auf die Leute zugehen, von allein kommt tendenziell erst einmal niemand zu dir. Diese Unterschiede dürfte er damals wohl gemeint haben mit seiner Aussage.

Herr Mariotti, zum Abschluss: Jetzt nach den ersten Monaten bei S04 - fühlen Sie sich schon als Schalker?

Mariotti: Ich lebe mit dem Verein, ich arbeite jeden Tag mit den Spielern zusammen und freue mich, wenn sie gewinnen. Ich würde lügen, wenn es anders wäre. Das ist ja hoffentlich auch für einen ehemaligen Dortmunder nichts Schlimmes. Ich habe mir für jeden Klub, für den ich gearbeitet habe, nur das Beste gewünscht, das ist doch klar. Die Rivalität zwischen Schalke und dem BVB ist für mich das Salz in der Suppe des Ruhrgebiets, diese Vereine brauchen sich gegenseitig.