Massimo Mariotti vom FC Schalke 04 im Interview: "Dembele und sein Cousin waren drei Tage nicht erreichbar"

Massimo Mariotti, Ciro Immobile
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Massimo Mariotti war zehn Jahre lang Jugendtrainer bei Borussia Dortmund, ehe er 2013 vom einen auf den anderen Tag zum Dolmetscher umfunktioniert wurde. Der ehemalige Profispieler übersetzte beim BVB unter anderem für Pierre-Emerick Aubameyang, Ousmane Dembele und Henrikh Mkhitaryan.
 
 

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Nach 15 Jahren beim BVB wechselte Mariotti 2018 zum VfB Stuttgart. Eine Saison später schloss sich der 57-jährige Schweizer dem FC Schalke 04 an und fungiert dort in selber Rolle wie in Dortmund oder beim VfB - als Integrationsbeauftragter.

Im Interview mit SPOX und Goal spricht Mariotti über seinen Wechsel zu S04, den Start beim BVB, ein brisantes Aubameyang-Interview, Dembeles Streik und einen Vorwurf von Ciro Immobile.

Herr Mariotti, nach zuvor 15 Jahren beim BVB sind Sie seit dieser Saison als Integrationsbeauftragter bei Schalke 04 angestellt. Wie viele Sprüche haben Sie sich rund um Ihren Wechsel anhören müssen?

Massimo Mariotti: Eigentlich gar keine. Mir wurden meist nur nette Dinge gesagt. Am häufigsten kam von BVB-Fans: Du bist jetzt zwar beim falschen Verein, aber wir wünschen dir alles Gute. Das hat mir gezeigt, dass sie gesehen haben, wie ich in all den Jahren immer mit Liebe und vollem Engagement dabei war.

Erst 2018 wechselten Sie von Dortmund zum VfB Stuttgart. Hat Sie das Angebot der Schwaben in gewisser Weise überrascht?

Mariotti: Ja, weil das alles auch mit einem Artikel in der Sport Bild zusammenhing. Darin stand, dass Sebastian Kehl und Matthias Sammer einige Änderungen beim BVB vornehmen werden - unter anderem, dass ich nicht mehr bei den Spielern auf dem Platz dabei sein werde, weil Lucien Favre ja selbst Französisch spricht. Kurz darauf bekam ich mehrere Angebote. Ich wusste gar nicht, dass jemand mit meinem Aufgabengebiet in der Bundesliga so gefragt ist. Ich erhielt dann die Offerte aus Stuttgart, auch zwei andere Bundesligisten waren interessiert. Ich selbst wäre nie auf den Gedanken gekommen, mich irgendwo zu bewerben.

Der BVB verkündete bei Ihrem Wechsel damals, dass dieser auf Ihren Wunsch hin stattgefunden habe.

Mariotti: Nachdem die Anfragen bei mir eintrudelten, habe ich mit Sebastian Kehl gesprochen und ihm gesagt, dass ich nach so vielen Jahren eine Veränderung möchte. Mein Vertrag beim BVB war unbefristet, deshalb habe ich um Auflösung gebeten. Ich war nicht unzufrieden oder sauer, es gab auch keinen Streit.

In Stuttgart waren Sie allein, Ihre Familie blieb im Ruhrgebiet. Nach nur einem Jahr ging es nun wieder zurück in den Pott. Haben Sie die private Dimension vielleicht unterschätzt?

Mariotti: Nein. Ich habe mir die Entscheidung für den VfB gründlich überlegt. Ausschlaggebend für meine Rückkehr waren private Gründe, über die ich aber nicht sprechen möchte.

Kein Problem. Wieso fiel Ihre Wahl letztlich auf Schalke, gehörten die Knappen schon vor einem Jahr zu den interessierten Klubs?

Mariotti: Nach dem Relegationsheimspiel mit dem VfB gegen Union Berlin traf ich im VIP-Raum auf David Wagner. Ich wusste nicht, dass er im Stadion war. Wir haben uns kurz unterhalten und ich habe ihm von meiner privaten Situation erzählt. David meinte, auf Schalke würde man eine Person wie mich suchen. Ich habe daraufhin eine kurze Zeit lang überlegt, letztlich aber meinen Drei-Jahres-Vertrag in Stuttgart auflösen können. Dafür bin ich dem VfB auch sehr dankbar.

Sie stehen zwar in der zweiten Reihe, aber inwiefern machten Sie sich als langjähriger Dortmunder auch darüber Gedanken, ob Sie tatsächlich zum Erzrivalen wechseln sollen?

Mariotti: Ich habe nachgedacht, ob ich das wirklich bringen kann. Dann dachte ich mir: Ich bin ja kein Spieler oder Trainer, sondern eher ein Mitarbeiter, der quasi von Mercedes zu Bosch gewechselt ist. Ich liebe meine Tätigkeit und übe sie jetzt eben für Schalke aus.

Wie sieht Ihre Aufgabe auf Schalke genau aus, wen betreuen Sie dort vor allem?

Mariotti: Alle Jungs, die irgendeine Hilfe von mir brauchen. Ich bin dafür da, ihnen privat viele Dinge abzunehmen, damit sie beispielsweise nicht zwei Stunden lang bei einer Behörde warten müssen. Gerade den ausländischen Neuzugängen erkläre ich, welche Dinge in Deutschland zu tun sind, um hier mit dem Leben zu beginnen. Die Haussuche, Termine organisieren, Behördengänge, die Familienmitglieder oder Kinder im Kindergarten anmelden - ich unterstütze sie einfach, wo es notwendig ist.

In Dortmund begannen Sie mit diesem Job im Jahr 2013. Wie ungewohnt waren die Abläufe zum Beispiel auf den diversen Ämtern für Sie zu Beginn?

Mariotti: Ich kannte mich zunächst kein bisschen aus, aber es ist auch nichts Schwieriges. Man muss einfach alles kennenlernen. Wichtig ist letztlich, diese Dinge so schnell und zuverlässig wie möglich zu erledigen, damit die Spieler merken, sie können mich immer anrufen und auf mich bauen. Mein Job ist nicht besonders, aber einer muss ihn halt machen.

Die deutsche Bürokratie kann Sie also nicht mehr wirklich schocken?

Mariotti: Ausländerbehörde, Einwohnermeldeamt, Straßenverkehrsamt, Schulen, Kindergärten, Umzugsfirmen - ich kenne sie alle. (lacht) In Stuttgart war ich bei der Geburt von Pablo Maffeos Kind sogar im Kreißsaal mit dabei.

Zum damaligen Zeitpunkt war Maffeo Stuttgarts teuerster Neuzugang aller Zeiten, bekam aber kaum ein Bein auf den Boden und stand "quer im Stall", wie Ex-Präsident Wolfgang Dietrich meinte. Wieso hat die Integration bei ihm nicht geklappt?

Mariotti: Er hatte die besten Voraussetzungen für eine gute Integration: Trainer Korkut konnte perfekt Spanisch, dazu gab es viele spanischsprachige Spieler in der Mannschaft. Er hatte von Anfang an eine gute Betreuung, sofort ein Haus, man hat sich bestmöglich um ihn gekümmert. Warum es dennoch nichts wurde? Weil die Integration in der Kabine enorm wichtig ist - und da hat es bei ihm leider nicht optimal funktioniert.

Inwiefern?

Mariotti: Dort müssen die Spieler aufeinander zugehen. Integration liegt manches Mal aber auch an der Qualität des Spielers und inwiefern er sich an die neue Liga und die neue Mentalität gewöhnt. Ein Xabi Alonso kam unter der Woche nach München, hatte am Wochenende aber gleich gefühlte 500 Ballkontakte und war bester Spieler - ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Oder Pierre-Emerick Aubameyang: Der hat nie an einem Deutschunterricht teilgenommen, aber jedes Jahr dutzende Tore geschossen.

Kam Maffeo auch mit der Mentalität in der Bundesliga nicht klar?

Mariotti: Ich habe zu ihm gesagt: In der Bundesliga kriegst du jede Woche Feuer, ob in München oder in Mainz. Es ist komplett egal, dass du einmal vor einem halben Jahr gut gegen Messi ausgesehen hast. In Augsburg interessiert Messi keinen mehr. Es gehört auch zu meinen Aufgaben, den Spielern zu vermitteln, welche Werte in Deutschland und in der spezifischen Region gelebt und gern gesehen werden. Die müssen ja wissen, dass sie jetzt hier von den Schalker Fans, die ihr letztes Hemd für den Verein geben, geliebt werden, wenn sie in jedem Spiel 100 Prozent Kampfgeist zeigen. Ich bin mit den Schalker Neuzugängen durch Gelsenkirchen gefahren und habe ihnen die schönsten und die weniger schönen Ecken gezeigt. Das sind alles Bausteine, die für eine schnelle Integration helfen können.

Lassen Sie uns zum Anfang des Jahrtausends zurückblicken: 2003 haben Sie beim BVB angefangen und jahrelang als Trainer im Jugendbereich gearbeitet. Wie sind Sie einst überhaupt zur Borussia gekommen?

Mariotti: Nach meiner Karriere als aktiver Spieler wollte ich immer Jugendtrainer werden. Deshalb habe ich zunächst die B-Lizenz gemacht und die B-Jugend des BSV Menden übernommen. Im ersten Jahr sind wir aufgestiegen. Ich bekam dann ein Angebot vom VfL Bochum, um dort die U14 und U15 zu trainieren. Das habe ich ab 1999 für drei Jahre und 300 Mark im Monat gemacht. Daraufhin ging ich für ein Jahr zum DFB-Stützpunkt nach Iserlohn. Das war alles nebenbei, hauptberuflich habe ich zehn Jahre lang als Vertriebsleiter bei der Mendener Zeitung gearbeitet. Anschließend hat mich der BVB in Person von Lars Tiefenhoff kontaktiert. Er war dort Jugendkoordinator und Trainer der U13 und U14. Für mich ist er einer der besten Jugendtrainer, den ich je kennengelernt habe. Mit ihm zusammen habe ich dann die U13 übernommen.

 

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