Stürmer Edi Glieder machte in der Saison 2003/04 zwar nur zwei Tore für den FC Schalke 04, gilt aber trotzdem bis heute als Kultspieler. Im Interview mit SPOX und Goal erinnert sich der Österreicher an seinen kuriosen Wechsel vom FC Pasching in die Bundesliga und das gemeinsame Jahr mit Manager Rudi Assauer sowie Trainer Jupp Heynckes.
Außerdem spricht Glieder über seinen guten Freund und jetzigen Eintracht-Frankfurt-Trainer Adi Hütter, den er einst täglich zum Training mitnahm und dessen Co-Trainer er später wurde. Gut befreundet sind die beiden auch mit dem ehemaligen Trainer des FC Bayern München, Niko Kovac, den Glieder neulich im Golfen besiegte.
Herr Glieder, Sie haben Ihre aktive Karriere 2010 beim FC Pasching beendet. Was machen Sie heute?
Edi Glieder: Ich kooperiere seit einigen Jahren als Selbstständiger mit der österreichischen Spielberateragentur More than Sport. Unter anderem steht Stefan Ilsanker von RB Leipzig bei uns unter Vertrag. Ich kümmere mich hauptsächlich um das Scouting von Nachwuchsspielern und versuche, die talentiertesten für unsere Agentur zu begeistern.
In Deutschland sind Sie vor allem für Ihr einjähriges Gastspiel in der Saison 2003/04 beim FC Schalke 04 bekannt. Haben Sie noch einen Bezug zu Ihrem Ex-Klub?
Glieder: Ja, ich halte den Kontakt. Im Dezember fliege ich beispielsweise zum Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt. Wenn ich dort bin, merke ich immer, dass mich die Schalke-Fans noch nicht vergessen haben. Das ist eigentlich komisch, weil ich nur so kurz im Verein war und das schon lange her ist. Sie haben damals aber offenbar gespürt, dass ich Fußball gearbeitet habe. Das hat ihnen gefallen.
Im Sommer 2003 haben Sie erst mit Pasching im UI-Cup gegen Schalke verloren und kurz darauf die Seiten gewechselt. Wie kam der Transfer zustande?
Glieder: Irgendwann im Laufe des Sommers hat mir der damalige Pasching-Manager Stefan Reiter gesagt, dass sich der Rudi Assauer gemeldet und nach möglichen Konditionen eines Transfers gefragt hat. Ich habe das Schalker Interesse aber nicht ernst genommen und Stefan gesagt, dass ich sicher nur einer von vielen Kandidaten bin. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Schalke tatsächlich einen 34-jährigen Österreicher verpflichten will.
Wie ging es weiter?
Glieder: Es sind ein paar Wochen vergangen, bis mich Stefan an einem der letzten Transfertage direkt nach einem Vormittagstraining anrief und meinte, dass ich sofort in sein Büro kommen soll. Ich hatte das angebliche Interesse schon wieder völlig vergessen und wusste zunächst nicht, um was es geht. Als ich ins Büro kam, hielt er mir einen Vertrag von Schalke hin und meinte, dass sich die Vereine schon geeinigt hätten und ich nur mehr unterschreiben muss.
Edi Glieders Karrierestationen
Zeitraum | Verein | Spiele | Tore |
1988 bis 1994 / 1995 bis 1996 | Grazer AK | 176 | 56 |
1995 / 1996 bis 1999 | Austria Salzburg | 154 | 65 |
2000 bis 2002 | FC Tirol | 72 | 18 |
2002 bis 2003 / 2004 bis 2006 / 2008 bis 2010 | FC Pasching | 141 | 77 |
2003 bis 2004 | FC Schalke 04 | 17 | 2 |
2006 | FC Kärnten | 15 | 3 |
2006 bis 2007 | SV Grödig | 11 | 1 |
Ganz ohne ein einziges persönliches Gespräch mit einem Schalker Verantwortungsträger geführt zu haben?
Glieder: Ja, aber ich wollte vorher unbedingt noch mit Rudi Assauer sprechen. Als ich ihn angerufen habe, war er gerade am Flughafen. Ich glaube, es ging nach Mallorca oder Ibiza. Wir haben ein bisschen geredet und noch einige Punkte nachverhandelt. Ich wollte zum Beispiel ein paar Freiflüge pro Jahr für meine Familie, was auch überhaupt kein Problem war. Dann meinte der Rudi noch, dass mich der damalige Trainer Jupp Heynckes unbedingt will, und zwar nicht nur als Ergänzungsspieler. Damit war die Sache durch und ich habe unterschrieben.
Sind Sie direkt nach Gelsenkirchen gereist?
Glieder: Nein, ich habe noch ein letztes Spiel für Pasching gemacht und bin dann am letzten Transfertag nach Gelsenkirchen gefahren.
Was waren Ihre ersten Eindrücke vom neuen Klub?
Glieder: An meinem ersten Tag war Tag der offenen Tür und über 100.000 Leute waren am Vereinsgelände. Ich wurde von Bühne zu Bühne gereicht und allen vorgestellt.
Am 13. September machten Sie Ihr erstes Spiel, kamen gegen den VfB Stuttgart aber nur von der Bank. Die ganze Saison verlief durchwachsen, Sie erzielten nur zwei Tore.
Glieder: Ich war schon ein bisschen enttäuscht, weil ich davor in Österreich einen super Lauf hatte und daran unbedingt anknüpfen wollte. Zunächst bin ich zwischen Startelf und Bank gependelt, dann habe ich mich verletzt. Als ich wieder fit war, war die Situation wie davor: mal Startelf, mal Bank.
Wie war die Arbeit unter Trainer Jupp Heynckes?
Glieder: Jupp war sehr hart und oft angespannt, weil wir nicht so weit oben mitgespielt haben wie erhofft. Vor der ganzen Mannschaft war er nicht immer nahbar. Sobald man aber mit ihm allein in seinem Büro war, konnte man sich über alles unterhalten und auch mal lachen. Generell war er natürlich ein super Trainer, von dem ich auch in meinem damals schon hohen Fußballeralter viel gelernt habe.
Beim FC Bayern München galt er zuletzt als Spielerstreichler. Hat er sich gewandelt?
Glieder: Ja. Schon bei seiner nächsten Station Borussia Mönchengladbach haben sich die Spieler ganz anders über ihn geäußert als bei uns. Mit dem Alter wurde er offenbar lockerer.
imago imagesWie war Ihr Verhältnis zu Manager Rudi Assauer?
Glieder: Wir hatten von Anfang an einen super Draht zueinander. Wenn er das Gefühl hatte, dass in der Mannschaft etwas nicht stimmt, rief er mich an und meinte: "Edi, wir zwei müssen mal quatschen." Dann gingen wir zum Italiener und haben uns über die Probleme und Lösungsmöglichkeiten unterhalten.
Mit welchen Mitspielern hatten Sie den meisten Kontakt?
Glieder: Der Zusammenhalt in der Mannschaft war generell gut. Jeden zweiten Montag gingen wir alle gemeinsam essen. Dann gab es noch eine kleinere Gruppe, mit der ich oft unterwegs war: Simon Cziommer, Nils Oude Kamphuis, Marco van Hoogdalem, Ebbe Sand, Thomasz Hajto. Auf dem Platz hat der Thomasz alle niedergespielt, privat war er völlig bekloppt. Genau wie Jörg Böhme, mit dem ich bis heute Kontakt halte. Wir sind oft gemeinsam in ein Kaffeehaus in Gelsenkirchen-Buer gegangen, von dem ich den Chef gut kannte. Das war nur ein paar Minuten vom Stadion und meiner Wohnung entfernt. Ich habe direkt am Vereinsgelände gewohnt, in der ehemaligen Bleibe von Emile Mpenza.
Nach nur einem Jahr verließen Sie Schalke wieder. Warum?
Glieder: Ich war nur ausgeliehen und als Platzhalter für einen jüngeren Stürmer mit Zukunft gedacht. Deshalb war es absehbar, dass es bei einer Saison bleiben wird. Ich bin dankbar, dass ich mit 34 Jahren in der deutschen Bundesliga und in so riesigen Stadien spielen durfte.
Einer Ihrer besten Freunde erlebt die deutsche Stadionatmosphäre aktuell jede Woche als Trainer: Adi Hütter, der bei Eintracht Frankfurt unter Vertrag steht. Seit wann kennen Sie ihn?
Glieder: Seit wir in der Jugend gemeinsam für den Grazer AK spielten. Ich bin ein Jahr älter als er und als ich mit 18 den Führerschein hatte, nahm ich ihn immer zum Training mit. Er fuhr mit dem Mofa vom Haus seiner Großeltern, wo er damals wohnte, zur Tankstelle bei der Autobahnauffahrt Gleisdorf. Dort holte ich ihn mit meinem Opel Kadett C ab und nahm ihn nach Graz mit. Er nannte mein Auto immer "Kermit", weil es grün war wie ein Frosch. Nach dem Training habe ich ihn bei der Tankstelle wieder abgesetzt.
Es sollte nicht Ihre einzige gemeinsame Station mit Hütter bleiben.
Glieder: Bei Austria Salzburg haben wir später nochmal als Aktive zusammengespielt. Als der Adi 2012 Cheftrainer beim SV Grödig wurde, hat er mich gefragt, ob ich sein Co-Trainer sein will - was ich natürlich wollte.
Wie war es, einen guten Freund als Chef zu haben?
Glieder: Als enge Freunde konnten wir uns natürlich alles ehrlich sagen. Das war einerseits gut, aber auch schwierig, wenn wir unterschiedliche Meinungen vertraten. Er war jedoch der Chef und hat final entschieden. Adi trifft gerne Entscheidungen und meistens auch die richtigen. Seine große Stärke ist die Menschenführung, aber auch taktisch hat er viel Ahnung. Nach den zwei Jahren in Grödig wusste ich, dass aus ihm ein großer Trainer werden würde. Seine Arbeit war einfach Bombe.
Warum sind Sie zu seiner nächsten Station RB Salzburg nicht mitgekommen?
Glieder: Salzburg wollte nicht, dass er einen eigenen Co-Trainer mitbringt. Deswegen habe ich den Job gewechselt und bin Spielerberater geworden. Als der Adi 2015 zu den Young Boys Bern wechselte, wollte ich meinen neuen Job nicht schon wieder aufgeben. Deswegen ist Christian Peintinger sein Co-Trainer geworden, ein guter Freund von uns aus Graz. Die beiden arbeiten auch jetzt in Frankfurt zusammen.
imago imagesWaren Sie schon mal zu Besuch?
Glieder: Ja, schon mehrmals. Zum Beispiel bei den Europa-League-Spielen gegen den FC Chelsea und Inter Mailand in der vergangenen Saison. Im Sommer war der Adi mit Frankfurt in Windischgarsten im Trainingslager. Da habe ich auch vorbeigeschaut. Wir haben uns am Abend gemeinsam mit Frankfurts Präsidenten Peter Fischer getroffen, aber der Adi ist frühzeitig schlafen gegangen. Dann bin ich mit dem Peter an der Hotelbar versumpft und habe noch das eine oder andere Getränk konsumiert. Irgendwann meinte er, dass Adi so einen geilen Job macht und ihn die Fans lieben.
Wie häufig stehen Sie und Hütter in Kontakt?
Glieder: Wenn wir uns länger nicht sehen, telefonieren wir regelmäßig. Ich habe ihn nach dem 5:1-Sieg gegen den FC Bayern München angerufen und ihm gesagt, dass er die Pressekonferenz nach dem Spiel gegenüber Bayern-Trainer Niko Kovac super respektvoll absolviert hat. Ich habe sie mir extra angeschaut, weil ich Niko auch gut kenne. Er hat ein Haus in Salzburg und seine Kinder gehen hier zur Schule. Wir sind in Salzburg alle eng verbandelt: der Adi, der Niko und ich.
Wann haben Sie Kovac letztmals getroffen?
Glieder: Bei der vorletzten Länderspielpause war er mich in Salzburg besuchen und wir haben eine Runde Golf gespielt. Nach einer Niederlage beim letzten Mal habe ich diesmal zum Glück gewonnen.
Das war zwei Wochen vor seiner Trennung vom FC Bayern. Wie hat er auf Sie gewirkt?
Glieder: Niko ist ein harter Arbeiter, der jeden Tag zwölf Stunden schuftet. Wenn wir uns treffen, ist deshalb Abschalten angesagt. Dann nerve ich ihn nicht mit Fragen zu seiner Arbeit. Ich hatte aber nicht den Eindruck, dass ihn seine Situation beim FC Bayern belastet.
Auch einen anderen prominenten Trainer kennen Sie gut: Deutschlands Bundestrainer Joachim Löw, mit dem Sie 2002 mit dem FC Tirol österreichischer Meister wurden. Wie haben Sie ihn erlebt?
Glieder: Natürlich hatte er Ahnung von Fußball, aber seine großen Stärken waren sein Auftreten und seine Rhetorik. Jogis Ansprachen waren sensationell. Sein Dialekt war zwar ein bisschen lustig, aber deswegen gab es keine Kommunikationsprobleme. Er selbst war kein Spaßvogel, sondern hat immer pure Siegesgewissheit ausgestrahlt.