Das vergangene Fußball-Wochenende stand ganz im Zeichen einer Kampagne zahlreicher aktiver Fanszenen gegen Dietmar Hopp. Dieser sagte am Sonntag bei Sport1: "Wenn ich nur im Entferntesten wüsste, was diese Idioten von mir wollen, dann würde es mir alles leichter fallen das zu verstehen." Was wollen sie denn? Und: Wie konnte es so weit kommen?
Dass das Gesicht von Dietmar Hopp im Fadenkreuz gezeigt wird, das geht natürlich gar nicht. Das war 2008 so, als es Fans von Borussia Dortmund nach Hoffenheims Bundesligaaufstieg erstmals taten, und ist zwölf Jahre später Anfang 2020 genauso. In der Zwischenzeit hat sich jedoch einiges getan. Bei den Protesten gegen Hopp geht es anders als damals nämlich eigentlich gar nicht mehr um Hopp.
Ein Rückblick: Hopp hievte seinen Heimatklub TSG Hoffenheim mit erheblichen finanziellen Anstrengungen vom Amateurfußball in die Bundesliga. Das gefiel anfangs weder den aktiven Fans, noch den Verantwortungsträgern anderer Vereine.
Der damalige Manager des FSV Mainz 05 Christian Heidel fand es 2007 schade, dass "so eine Mannschaft (wie Hoffenheim) einen der 36 Plätze im Profifußball wegnimmt". Borussia Dortmunds Vorstandsvorsitzender Hans-Joachim Watzke sagte: "Wie heißt diese THG - oder TSG doch gleich? Wo wären die ohne den weißen Ritter aus Hoffenheim? Wir können eben nicht sagen: Lieber Dietmar Hopp, lass es Geld regnen."
Im deutschen Profifußball gab es zunächst erheblichen Widerstand gegen das Projekt Hoffenheim. In den Führungsriegen der Klubs klang dieser bald ab, was auch damit zu tun hat, dass Hopps Unternehmen SAP mittlerweile unter anderem offizieller Partner des FC Bayern und des DFB ist. Unter aktiven Fans blieb der Widerstand bestehen.
Hopps Hoffenheim stellt dar, was viele aktive Fans ablehnen
Für viele aktive Fans - vor allem denen der Traditionsvereine - stellt Hopps Hoffenheim schlicht vieles dar, was sie ablehnen. Den sogenannten modernen Fußball. Die Macht des Geldes. Die zunehmende Kommerzialisierung. Nachdem Hoffenheim seine erste Bundesligasaison beendet hatte, gründete sich mit RB Leipzig ein Verein, der später noch intensiver angefeindet werden sollte.
Jahrelang gab es Proteste aktiver Fans gegen diese Konstrukte, genau wie es Proteste gegen fanunfreundliche Anstoßzeiten, gegen überteuerte Auswärtstickets oder gegen Trainingslager in Staaten mit fragwürdigen Zuständen im Hinblick auf Menschenrechte gab. Aktive Fans legen großen Wert auf freie Meinungsäußerung.
Deutsche Fankurven und das Wort Hurensohn
Als Dortmunder Fans bei einem Auswärtsspiel in Hoffenheim 2011 Schmähgesänge gegen Hopp anstimmten, wurden (angeblich von einem Einzeltäter) hochfrequente, mobile Lautsprecher eingesetzt, um deren Gesänge zu übertönen.
Man mag es unreif finden, aber auf solche Aktionen, die diesem Recht auf freie Meinungsäußerung entgegenstehen, reagieren aktive Fans vor allem trotzig. Sie machen mit umso mehr Wonne weiter. Während etwa Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz zu allen Beleidigungen konsequent schwieg und somit persönlich niemals in den Fokus geriet, reagierte Hopp immer wieder mit öffentlichen Äußerungen und gerichtlichen Klagen. Das ist natürlich sein gutes Recht, verschärfte den Konflikt jedoch weiter.
Man mag es ebenfalls unreif finden, dass bei den Fan-Protesten auf unpassende Worte wie "Hurensohn" zurückgegriffen wird - doch dieser Sprech ist in deutschen Stadien (und in entsprechender Übersetzung überall auf diesem Planeten) nun mal etabliert. Fans des FC Bayern besingen ihre Dortmunder Gegenüber seit Jahrzehnten als "BVB Hurensöhne", deutschlandweit - auch in Hoffenheim - wird Timo Werner als "Hurensohn" tituliert. Konsequenzen gab es dafür noch nie. Würde jedes Spiel bei Nennung dieses Wortes unterbrochen werden, würde jedes Spiel unterbrochen werden.
"Zum großen Thema wurde das Wort erst, als mit u.a. diesem Wort auf zuspitzende, polemische Art und Weise Kritik an dem Modell Hoffenheim und dessen Protagonisten Dietmar Hopp geübt wurde", heißt es in einer Stellungnahme von aktiven Fans des FC Bayern auf der Website suedkurve-muenchen.org. Gladbacher Fans zeigten beim 1:1 gegen Hoffenheim am vergangenen Spieltag ein Spruchband mit der Aufschrift: "Hurensöhne beleidigen einen Hurensohn und werden von Hurensöhnen bestraft." Gemeint waren die Dortmunder Fans, Hopp sowie der DFB - mittlerweile das wahre Feindbild.
Der Kampf der aktiven Fans gegen Kollektivstrafen
Wichtig ist aktiven Fans neben dem Recht auf freie Meinungsäußerung auch eine Abschaffung von Kollektivstrafen wie Geisterspielen oder Blocksperren. Sie wollen es nicht einsehen, dass alle für das Fehlverhalten Einiger büßen müssen. Auslöser für die Eskalation der Geschehnisse an diesem 24. Spieltag war ein vom Sportgericht des DFB am 20. Februar verkündetes zweijähriges Auswärtsfanverbot für Dortmunder Fans in Hoffenheim.
Damit sahen sie ein zwei Jahre zuvor vom DFB gegebenes Versprechen gebrochen, wonach es keine weiteren Kollektivstrafen mehr gäbe. Deutschlandweit solidarisierten sich daraufhin etliche Fanszenen mit der des BVB. "Auch wenn uns die Strafe nicht betrifft und das Thema Hopp für uns nicht so eine starke Relevanz hat, sehen wir hierin einen Angriff auf Fanrechte im Allgemeinen", heißt es bei suedkurve-muenchen.org.
Alle Protestaktionen gegen Hopp wurden begleitet von Protestaktionen gegen das Vorgehen des DFB. Auf einem von den Fans des FC Bayern in Hoffenheim präsentierten Spruchband stand etwa: "Alles beim Alten, der DFB bricht sein Wort, Hopp bleibt ein Hurensohn." Fans von Union Berlin schrieben: "2017 Kollektivstrafen abgeschafft, nun Hopp hofiert und zwei Schritte zurückgemacht! Fick dich DFB."
Dietmar Hopp ist nur mehr das Symbol des Protests
Hopp ist mittlerweile nur mehr das Symbol des Protests gegen das aus Sicht der aktiven Fans falsche Vorgehen von Vereinen und Verbänden. Der Grund? Diese Personalisierung schafft eine größere Aufmerksamkeit. Üben aktive Fans sachliche Kritik, bleiben sie meist ungehört. Übertreiben und polemisieren sie aber, werden ihre Anliegen thematisiert.
"Es geht schon lange nicht mehr um Dietmar Hopp. Dietmar Hopp ist schlicht und ergreifend zum Sinnbild geworden. Er steht exemplarisch dafür, dass Verbände, Funktionäre und Mäzene die unliebsamen Kurven nach ihren Vorstellungen in ein Korsett stecken möchten", heißt es in einer Stellungnahme auf der Website des Dortmunder Fanzine schwatzgelb.
Aktive Fans fühlen sich zunehmend mundtot gemacht - und wollen dieser Entwicklung mit den getätigten Protesten entgegenwirken. Die Geschehnisse am Wochenende und die darauffolgenden völlig konträren Einordnungen der aktiven Fans auf der einen, sowie beinahe aller anderen Fußball-Protagonisten auf der anderen Seite, stellten eine vorläufige Eskalation dieses Konflikts dar.