Wo kam Ihr persönlicher Ehrgeiz her, es in den Profifußball zu schaffen?
Heidel: Zunächst war ich natürlich immer fußballbegeistert. Ich habe lange selbst in Amateurligen gespielt, war eigentlich Kapitän, Manager und Hauptsponsor meines Heimatvereins. Und ich war immer Fan von Mainz 05, ich kann Ihnen heute noch die Aufstellung unserer Regionalliga-Meistermannschaft von 1973 sagen. Das weiß ja heute kaum einer mehr, dass wir damals schon gegen den KSC, Blau-Weiß 90 Berlin, St. Pauli und Fortuna Köln um den Aufstieg in die Bundesliga gespielt haben. Dieser Verein war für mich alles! Später, als ich in der freien Wirtschaft tätig war, habe ich mich gefragt, wie ich meine zwei Leidenschaften verbinden kann. Und da kam ich 1990 auf die Idee alle Eintrittskarten eines Oberligaspiels des FSV zu kaufen und das Spiel zu vermarkten. Das wurde ein riesiger Erfolg und Harald Strutz kam auf mich zu.
Sie haben sich also in Ihren Lieblingsklub eingekauft!
Heidel: Mit nicht wenig Geld! (lacht) Zuerst habe ich noch abgelehnt, aber 1992 bin ich dann zu Mainz 05 und war zunächst für die zweite Mannschaft zuständig. Da war Mainz 05 schon Zweitligist, aber unsere zweite Mannschaft war die Reserve eines Bundesligaklubs, die am niedrigsten gespielt hat. Wir spielten in der Kreisklasse C, hatten nicht einmal einheitliche Trikots, das Budget lag vielleicht bei 1000 Mark. Meine Aufgabe war dann diese zweite Mannschaft nach oben zu bringen. Ich habe das natürlich sehr ernst genommen. Am Ende waren wir zehnmal aufgestiegen, und waren in der dritten Liga die höchstspielende Amateurmannschaft eines Profiklubs.
Wie lange haben Sie sich um die Zweite gekümmert?
Heidel: Ich glaube bis 1998 oder 1999 und dann haben wir den Trainer zum Manager gemacht, Manfred Lorenz, bis heute auch ein sehr guter Freund von mir. Wir hatten eine tolle Zeit.
Haben Sie selbst für die Mannschaft gespielt?
Heidel: Nein. Aber ich wäre, ohne angeben zu wollen, mit großem Abstand der Beste gewesen. (lacht)
Sie waren bis 2005 ehrenamtlicher Manager des FSV Mainz 05. Wie hat das funktioniert?
Heidel: Es war ja kein Geld da. Und das bisschen, das wir hatten, haben wir für Spieler und Trainer ausgegeben. Ich bin mit dem Verein gewachsen, das war für uns alle learning by doing. Die ersten Jahre habe ich den ganzen Verein in meiner Firma abgewickelt, auch Spielerverträge haben wir dort gemacht. Schritt für Schritt ist bei Mainz 05 alles gewachsen, aber bis ich mein eigenes Büro auf der Geschäftsstelle hatte, war es 2001.
Heidel über Jürgen Klopp: "Er liebte eben schon immer das Risiko"
Bis 2005 waren Sie Geschäftsführer und Kommanditist eines Autohauses. Der frühere Mainzer Spieler Ansgar Brinkmann hat sich einmal beschwert, dass Sie ihn dort zu einem Vertragsgespräch hinbestellt - und ihm dann nur einen Nissan als Dienstwagen gegeben hätten.
Heidel: Ansgar hat natürlich immer die besten Geschichten auf Lager und von der Hälfte seiner Geschichten in Mainz weiß ich gar nichts. Ansgar und Auto war immer etwas Besonderes. Wenn er nur einen Kleinwagen bekommen hat, war das sicher berechtigt. Jürgen Klopp, in Frankfurt wohnhaft, hatte zum Beispiel einen BMW mit Frankfurter Kennzeichen F-SV - und einem Mainz-05-Aufkleber hinten drauf. Er liebte eben schon immer das Risiko.
Sie haben Klopp zum Trainer gemacht - und Jahre vorher seinen Lehrmeister und Mentor nach Mainz geholt. Wolfgang Franks Art, Fußball zu denken, sei eine "Offenbarung" gewesen für ihn, hat Klopp einmal gesagt. Er habe eine ganze Generation von Fußballern geprägt. Hatten Sie im Sinn, den Mainzer Fußball zu revolutionieren, als Sie Frank 1995 holten?
Heidel: Mit Wolfgang fing tatsächlich alles an. Ein toller Mensch und außergewöhnlicher Trainer, ein Visionär, seiner Zeit weit voraus und leider viel zu früh gestorben (Wolfgang Frank erlag 2013 einem Hirntumor, Anm. d. Red.). Wolfgang war eine absolute Kapazität. Aber ich hatte zu Beginn überhaupt keine Ahnung, was da auf mich zukommen würde. Am Anfang war ich nicht total überzeugt. Die Wahrheit ist aber: Damals wollte ja kaum einer mehr Trainer bei uns werden! Der Wolfgang war gerade ohne Job, war in der Vorsaison mit Rot-Weiß Essen aus der Zweiten Liga abgestiegen, hatte aber im DFB-Pokalfinale nur knapp gegen Werder Bremen verloren. Irgendwie hat er sich bei uns beworben, ich habe mit ihm gesprochen. Unser erstes Gespräch war nicht so prickelnd, da hätte ich ihm fast schon abgesagt. Aber dann haben wir uns noch einmal zusammengesetzt und geeinigt.
Wolfgang Frank führte Viererkette und Forechecking beim Abstiegskandidaten ein
Und was war an ihm so besonders?
Heidel: Unsere Mannschaft war Abstiegskandidat aus der Zweiten Liga, aber das war ihm herzlich egal. Er hat auf Platz 18 stehend als erste deutsche Mannschaft die Viererkette und Raumdeckung eingeführt. Nach der Vorrunde waren wir mit fünf Punkten Rückstand Letzter und wurden dann Rückrundenmeister. So etwas gab es noch nie. Unsere Mannschaft hat Forechecking gespielt und gepresst, aggressiv den Ball gejagt und immer mit Tempo. Das war damals eine derart spannende Zeit, wir haben uns Tag und Nacht nur mit Fußball und Mainz 05 beschäftigt. Wolfgang Frank war Visionär, aber eben auch immer ungeduldig und nicht wirklich realistisch.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Heidel: Geld hat für ihn - auch für ihn persönlich - keine große Rolle gespielt. Ihm fehlte ein bisschen die Vorstellungskraft für ganz praktische Probleme. Wir hatten teilweise Kader von 35 Spielern, weil Wolfgang in einem Spieler irgendein Detail gesehen hat, das ihm gefallen hat und welches er entwickeln wollte. Ich kann mich noch erinnern, wie wir eines Abends zusammensaßen und anfingen, von einem Stadionausbau zu träumen. Wie die Tribünen aussehen sollten, wie der Rasen sein müsste. Für Wolfgang war das nach diesem Abend schon beschlossene Sache: Wir bauen ein Stadion. Am nächsten Tag war er fast beleidigt, dass die Bagger noch nicht da waren. Es war eine unglaubliche Zeit mit ihm damals, wir haben mit ihm drei, vier Schritte nach vorne gemacht.
Und doch musste auch er 1997 mitten in der Saison gehen ...
Heidel: Musste? Wir haben Ihn angefleht zu bleiben. Aber es ging ihm alles wieder einmal zu langsam. Er hat mir später mal gestanden, dass dies der größte Fehler in seiner Karriere war. Aber ich habe ihn dann ein Jahr später zurückgeholt! Wir waren wieder im dicksten Abstiegskampf und Wolfgang war zwischenzeitlich bei Austria Wien. Im April 1997 bin ich ohne Vorankündigung nach Wien geflogen und dort einfach beim Training aufgetaucht. Ich habe ihm ins Gesicht gesagt, dass er zurückkommen muss. Er hat mich angeschaut und hat schon angefangen zu überlegen, wie wir den Präsidenten überzeugen konnten, ihn sofort aus dem Vertrag rauszulassen. Irgendwie hat das dann sogar nachts noch funktioniert - und wir sind am nächsten Morgen zusammen nach Mainz zurück und haben natürlich, wie immer, die Klasse gehalten.