In Bochum waren Sie sofort Stammspieler und wurden schnell zum Publikumsliebling. 1996/97 erlebten Sie unter Klaus Toppmöller eine überragende Saison und der Verein wurde als Aufsteiger direkt Fünfter und qualifizierte sich für den Europapokal. Was hat diese Mannschaft ausgemacht?
Wosz: Zunächst hatte Klaus Toppmöller einen großen Anteil daran. Er hatte viele Spieler, fast einen halben Kader, neu geholt. Er hat uns zum Beispiel verboten, lange Bälle zu spielen. Wir sollten bis zur letzten Sekunde versuchen, von hinten heraus zu spielen. Und die Mannschaft harmonierte hervorragend.
Dariusz Wosz: "Wir haben Döner im Entspannungsbecken gegessen"
Sie waren in dieser Zeit der herausragende Akteur des Teams. Was hat den Spieler Dariusz Wosz ausgezeichnet?
Wosz: So habe ich das nie gesehen, das war ein Geben und Nehmen der Mannschaft auf dem Platz. Meine Mitspieler haben mich teilweise auch geschützt, Jörg Schwanke zum Beispiel. Wenn ein Spieler mich angegriffen auf dem Feld hat, kam er und sagte: ‚Hau ab, sonst haue' ich dich um, wenn du den Kleinen nicht in Ruhe lässt.' Wir waren wirklich ein Team, eine Einheit. So etwas gibt es heute kaum noch.
Haben Sie auch abseits des Platzes viel miteinander unternommen?
Wosz: Wir hatten viel Spaß miteinander. Egal, ob im Trainingslager, am Abschlussabend oder einfach in der Kabine. Wir haben sogar Döner gegessen im Entspannungsbecken, wenn die Trainer nicht mehr da waren - oder eine Pizza bestellt. Der Spaß war uns schon wichtig, weil das Leben schon ernst genug ist. Ich hatte auch einen Trainer, der meinte, ich müsse mich am Montag schon auf das Spiel am Sonntag konzentrieren. Das konnte ich nie verstehen.
Es gab in dieser Saison ein weiteres Highlight für Sie - Sie wurden Nationalspieler für die Bundesrepublik. Sie erzielten auch direkt den Siegtreffer in Israel unter Berti Vogts mit Mitspielern wie Kahn, Basler oder Kohler. Wie war es als Bochumer unter diesen Stars?
Wosz: Zunächst muss ich sagen, dass das ja meine achte Einladung war, bei der ich zum ersten Einsatz kam. Bei den ersten Einladungen war ich immer sehr aufgeregt - Namen wie Klinsmann, Matthäus, Häßler. Icke Häßler war schon immer mein Vorbild. Bei meiner ersten Nominierung musste ich nach Frankfurt. Ich war über eine Stunde im Hotelzimmer und wusste danach vor Aufregung nicht mehr, wo ich denn jetzt genau hin muss. Ich kannte meine Mitspieler ja nur aus den Spielen. Aber ein großes Kompliment an Oliver Kahn. Er hat mich super aufgenommen, das hätte ich nie gedacht. Zunächst dachte ich ja, der ist privat genauso verbissen wie im Spiel. (lacht) Aber das war nicht so.
Dariusz Wosz: "Mit Oliver Kahn habe ich auch im Zimmer ein Hefeweizen getrunken"
Das kann man sich wirklich schwer vorstellen ...
Wosz: Teilweise habe ich auch im Zimmer ein Hefeweizen mit ihm getrunken. Bei anderen Mitspielern war er auch anders, vielleicht gingen die ihm auf den Keks. Oder sie haben eben kein Hefeweizen getrunken. (lacht)
In der Saison danach hat der VfL unter anderem gegen Ajax Amsterdam international gespielt. Was war das für ein Gefühl in diesen großen Europapokal-Nächten?
Wosz: Wir haben jedes Spiel so genommen, als wäre es das letzte. Die Zuschauer im Ruhrstadion haben uns gepusht, das kann man sich gar nicht vorstellen. Das hat man auf dem Platz gespürt. Das war pure Euphorie. In der Liga waren wir dafür nicht so gut, aber in diesen Nächten waren wir unglaublich motiviert.
1998 wurde das Kapitel in Bochum dann vorläufig beendet und es ging für Sie nach Berlin. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Wosz: Es gab im Winter schon ein Angebot aus Valencia. Ich kam aus dem Ski-Urlaub und traf mich dann mit dem Präsidenten der Spanier in Düsseldorf. Wir haben uns aber schon über Flüge in die Heimat gestritten, darauf hatte ich wirklich keine Lust und ich brach die Gespräche ab. Im Sommer hatte Paris St. Germain Interesse an mir. Ich habe mir das Angebot aus Frankreich nicht einmal angeschaut. Paris interessierte mich nicht. Wenig später kam dann das Angebot der Hertha, die ein neues Team aufbauen wollte. Das konnte ich mir sehr gut vorstellen und wechselte dann nach Berlin.
Dariusz Wosz: "Wir haben ständig gewonnen und unter der Dusche gesungen 'Keiner weiß warum'"
Der sportliche Erfolg für Sie hielt dadurch weiterhin an. Sie wurden im ersten Jahr Dritter und kamen in die Champions League, mit Mitspielern wie Király, Dárdai oder Preetz. Hat das auf Anhieb gepasst?
Wosz: Jürgen Röber hat mir von Anfang an das gleiche gegeben wie Klaus Toppmöller: ‚Du spielst hinter den Spitzen, mach' was du willst.' Das hat dann richtig geil gepasst. Das war ein so tolles Team mit Deisler, Thom oder Ali Daei. Wir haben ständig gewonnen und unter Dusche gesungen ‚Keiner weiß warum'. Einmal im Monat haben wir uns auch getroffen und sind in die Diskos in Berlin. Das war wirklich überragend damals.
Im Folgejahr haben Sie in der Champions League unter anderem gegen Barcelona mit Figo, Rivaldo und Co. gespielt. Was für ein Erlebnis war das?
Wosz: Ich kann mich noch sehr gut an das 1:0 gegen den AC Milan erinnern. Nach einer Verlängerung von Michael Preetz laufe ich allein auf den Torwart zu und mache das Ding. Es gab damals ja noch zwei Gruppenphasen und wir kamen sensationell weiter gegen Chelsea, Galatasaray und Milan. In der zweiten Gruppe waren dann Prag, Barcelona und Porto die Gegner. Da wurden wir dann leider nur Dritter. Aber das war einfach überwältigend, das Olympiastadion war immer ausverkauft.
Wie kam es dann zum Ende in Berlin?
Wosz: Im dritten Jahr sollte Sebastian Deisler hinter den Spitzen spielen und ich musste damit auf die Bank. Gleichzeitig wurde kurz darauf Marcelinho verpflichtet. Der Verein wollte mich trotzdem halten und den Vertrag sogar verlängern. Dann kam ein Angebot von Schalke, Rudi Assauers damalige Lebensgefährtin (Schauspielerin Simone Thomalla, die Red.) wohnte nur ein paar Häuser weiter in Berlin. Wir waren uns einig, aber die Vereine nicht in puncto Ablösesumme. Ich sagte den Verantwortlichen in Berlin, dass ich weiter Fußball spielen wollte. Daher entschied ich mich nach dem Angebot für die Rückkehr nach Bochum.
Dariusz Wosz: "Peter Neururer hat uns alle wieder vereint"
Bochum war damals nur in der Zweiten Liga. Es ging dann aber sofort nach oben mit Paul Freier, Delron Buckley oder Rein van Duijnhoven. Auch wieder eine tolle Truppe, oder?
Wosz: Nicht ganz. Erst Peter Neururer hat diese Mannschaft in die Spur gekriegt. Es waren viele junge Spieler, die auch ein bisschen neidisch auf mich waren. Ich kam schließlich gerade von einem Top-Klub der damaligen Zeit. Gerade Delron Buckley und mir wurde immer nachgesagt, dass wir Probleme miteinander hätten. Peter Neururer hat uns alle wieder vereint. In Aachen sind wir dann am letzten Spieltag aufgestiegen - für mich der geilste Aufstieg meiner Karriere. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich danach nach Hause kam. Vor lauter Freude bin ich zum Beispiel sogar in den falschen Bus eingestiegen!
Mit Peter Neururer ging es sehr schnell wieder sportlich nach oben - sogar in den UEFA-Cup. Wie wichtig war er?
Wosz: Viele kannten ihn am Anfang gar nicht. Ich hatte ihn schon einmal in Saarbrücken getroffen. Daher kam er zu mir und machte mich zum Kapitän. Es ging von Anfang an ein richtiger Schub durch die Mannschaft. Es gab ein Gerüst aus fünf Spielern und ich habe einfach das volle Vertrauen von ihm gespürt, auch wenn es mal schlecht lief.
Nach einigen weiteren Jahren in Bochum neigte Ihre Karriere sich dann 2007 dem Ende entgegen. In Ihrer letzten Saison wurden Sie nur am 34. Spieltag eingesetzt und erzielten ein Tor. Was waren das für Emotionen?
Wosz: Ich war in dieser Saison nur zwei Mal überhaupt auf der Bank. Marcel Koller hat nicht mehr auf mich gesetzt, aber der Trainer entscheidet nun mal. Nur habe ich in 20 Jahren fast immer gespielt in meiner Karriere, daher war es nicht so einfach für mich, das zu akzeptieren. In dieser Zeit war ich auch wirklich angefressen. Beim letzten Spiel wurde ich dann eingewechselt und mache das Tor. Ich hätte aber lieber zehn Spiele mehr gemacht, als dieses Tor.