Bei einer seiner letzten Amtshandlungen auf Schalke stellte sich David Wagner noch einmal vor seinen Spieler. "Die Szene sieht wahnsinnig unglücklich und nicht gut aus", musste er zugeben, wollte von Absicht aber weder im Sky-Interview am Spielfeldrand noch auf der Pressekonferenz wenig später nichts wissen.
Was war passiert? Kabak hatte Gegenspieler Ludwig Augustinsson in der ersten Halbzeit gegen Bremen (1:3) erst an der Seitenlinie abgeräumt und dann noch in die Richtung des am Boden liegenden Werderaners gespuckt - und ihn getroffen. "Ich kenne Ozan als Charakter", betonte Wagner, dieser würde sowas niemals vorsätzlich tun.
Jetzt ist Wagner auf Schalke Geschichte, und sollte er das angekündigte Gespräch mit dem Innenverteidiger nicht noch am Samstagabend geführt haben, fällt das dem neuen Trainer zu, wer auch immer das sein mag. Fest steht: Kabak hat die königsblaue Krise durch seine Aktion nicht nur noch einmal verschärft, es ist gleichzeitig der erste große Rückschlag in seiner Karriere.
Die ging bislang eigentlich nur nach oben. 15 Millionen Euro hatte es sich der auch damals schon äußerst klamme FC Schalke 04 im Sommer 2019 kosten lassen, Kabak vom Absteiger VfB Stuttgart loszueisen: Eine Rückrunde in der Liga hatte gereicht, um vom "sicherlich größten Talent in Europa auf dieser Position" (Jochen Schneider) vollständig überzeugt zu sein.
Ozan Kabak: Gute Leistungen führten zu Transfergerüchten
Diese Vorschusslorbeeren rechtfertigte der Teenager, nachdem er eine Fußverletzung zu Beginn der Saison überwunden hatte. Er glänzte mit kompromisslosen Zweikämpfen, guter Übersicht und sogar im Abschluss (drei Tore in der Hinrunde). "Ab November robust und torgefährlich" urteilte der kicker in seinem Innenverteidiger-Ranking, im gleichen Monat debütierte Kabak für die türkische A-Nationalmannschaft.
Der Absturz der Knappen in der Rückrunde ging auch an ihm nicht vorbei. Die Leistungen wurden schwankender, Tore erzielte er vor und nach der Pandemie-bedingten Pause nicht mehr. Dennoch konnte man von einer durchaus gelungenen ersten vollen Bundesligasaison sprechen (26 Einsätze), in puncto Zweikampfbilanz platzierte er sich sogar nahe der Ligaspitze.
Kein Wunder, dass er im Tafelsilber des hochverschuldeten Klubs das teuerste Kleinod darstellte - und Topvereine aus ganz Europa auf den Plan rief. Mehrere Premier-League-Vereine, darunter der FC Liverpool, sollen in diesem Sommer angeklopft haben, dazu Lazio Rom und Inter Mailand.
Ozan Kabak bleibt bei Schalke 04: Frust über geplatzten Wechsel?
Nach dem Abgang von Weston McKennie legte sich die sportliche Führung jedoch fest: "Ich kann alle Fans beruhigen: Ozan wird nicht abgegeben", versprach Sportvorstand Schneider vor dem Saisonstart bei Sport1. Der sportliche Turnaround sollte mit dem Leistungsträger geschafft werden, zudem enthält Kabaks bis 2024 datierter Vertrag im kommenden Jahr eine Ausstiegsklausel über rund 45 Millionen Euro. Eine ähnlich große Summe hätte man in diesem Corona-Sommer nicht bekommen.
Nun scheint sich der Niedergang jedoch nicht nur auf Schalke fortzusetzen, sondern auch bei Kabak persönlich. Beim 0:8 gegen Bayern war er wie die komplette Mannschaft heillos überfordert (SPOX-Note 6), aber auch gegen Bremen hatte er grobe Schnitzer im Spiel und handelte sich einen völlig überflüssigen Platzverweis ein, als die Partie längst entschieden war.
Frust darüber, dass ein Wechsel in grünere Gefilde platzte? Dass eine zweite Saison im Abstiegskampf droht? Fest steht: Der kommende Trainer muss seinen immer noch besten Innenverteidiger wieder in die Spur bringen - kurzfristig mit Hinblick auf das noch leere Punktekonto, langfristig im Hinblick auf die erhoffte Ablösesumme.
Kabak droht lange Sperre: Fehlt er Schalke gegen den BVB?
Wobei ihm dafür so oder so ein paar Wochen Zeit bleiben dürften: Alles andere als eine lange Sperre nach der Aktion gegen Augustinsson wäre eine große Überraschung. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Absicht gehandelt hat oder nicht, oder dass sich Kabak noch am gleichen Abend bei seinem Gegenspieler entschuldigte.
Sein früherer Teamkollege Santiago Ascasibar wurde im April 2019 für ein Anspucken von Kai Havertz für sechs Spiele aus dem Verkehr gezogen, obwohl der nach eigener Aussage "neben ihn auf den Platz spucken" wollte.
Kassiert Kabak eine ähnliche Sperre, wäre es für Schalke eine mittlere Katastrophe. Es stehen nämlich nicht nur Auswärtsspiele bei RB Leipzig (3. Oktober) und Borussia Dortmund (24. Oktober) an, sondern auch Duelle mit Union Berlin (18. Oktober), dem VfB (30. Oktober) und Mainz 05 (7. November). Dabei könnte es sich um gleich drei 6-Punkte-Spiele handeln.
S04: Die kommenden Gegner von Schalke 04
Wettbewerb | Datum | Gegner | Ort |
Bundesliga | 03.10.2020 | RB Leipzig | A |
Bundesliga | 18.10.2020 | Union Berlin | H |
Bundesliga | 24.10.2020 | Borussia Dortmund | A |
Bundesliga | 30.10. 2020 | VfB Stuttgart | H |
Bundesliga | 07.11.2020 | Mainz 05 | A |