Anschließend übernahm Tayfun Korkut, doch der ließ sie kaum mehr spielen. Dennoch wollte Sie der VfB unbedingt weiterhin im Kader haben. War das ursprünglich auch Ihr Wille oder wollten Sie beim BVB einen neuen Versuch wagen?
Bruun Larsen: Dortmund hielt die Zügel in der Hand. Michael Zorc sagte mir, dass Lucien Favre unbedingt erst einmal alle Spieler anschauen möchte, bevor irgendwelche Personalentscheidungen getroffen werden. Ich war mir natürlich nicht ganz sicher, worauf das hinauslaufen wird, denn ich hatte beim VfB ja kaum gespielt. Nach dem Saisonende in Stuttgart bin ich kurz in den Urlaub gefahren und habe anschließend zwei Monate am Stück trainiert, um so fit wie möglich in Dortmund anzukommen. Ich wusste, dass ich Favre beeindrucken musste, weil es sonst sehr schwer für mich geworden wäre.
Wie haben Sie Favre erlebt?
Bruun Larsen: Ich habe es geliebt unter ihm. Er ist eine sehr menschliche Person. Als Trainer ist er bekanntermaßen sehr detailliert. Er hat tagtäglich mit mir gesprochen, wollte mir immer helfen und mich besser machen. Ständig hat er mir irgendwelche Übungen gezeigt, das war wirklich imposant.
Sie waren in Favres erster Saison beim BVB auf Anhieb einer der Gewinner der Vorbereitung. Am Ende standen Sie bei 30 Pflichtspielen mit drei Toren und drei Vorlagen, auch in der Champions League spielten und trafen Sie erstmals. Waren Sie selbst davon überrascht, wie gut es auf einmal lief?
Bruun Larsen: Nein. Ich denke nicht, dass ich unter ihm plötzlich ein besserer Fußballspieler war. Mir fiel es im Training leichter als in Stuttgart, da beim BVB die individuelle Qualität so hoch ist und man auch dank seiner Mitspieler einfacher glänzen kann. Es war fantastisch, dass ich bei meinem absoluten Lieblingsverein, bei dem ich schon in der Jugend spielte, auf einmal immer regelmäßiger zum Einsatz kam.
Im zweiten Favre-Jahr hat der BVB mit Thorgan Hazard und Julian Brandt aber die Konkurrenz für Sie noch einmal erhöht. Mit welchen Erwartungen sind Sie in die Saison gegangen?
Bruun Larsen: Es ist normal bei einem solchen Verein, dass er sich jedes Jahr mit Top-Spielern verstärkt. Im Grunde war die Situation ähnlich wie in der Saison zuvor nach meiner Rückkehr aus Stuttgart. Da sah es zunächst auch schwierig für mich aus. Und dann habe ich 17 Mal von Beginn an gespielt und bin 13 Mal von der Bank gekommen. Es war mein erstes richtiges Jahr im Profibereich und eine super Saison. Daher wollte ich nicht vor der Konkurrenz flüchten.
Als Sie in der Winterpause dann in Hoffenheim unterschrieben, sagten Sie: "Ich habe mir die Frage gestellt, wie viel Spielzeit ich in Dortmund bekommen werde." Was war denn die Antwort darauf?
Bruun Larsen: Ich habe mich mit Favre zusammengesetzt und wir haben meine Situation bewertet. Am Ende habe ich mich entschieden, wechseln zu wollen, um mich auf diesem Niveau weiter entwickeln zu können. Das war natürlich ein großer Schritt und sehr emotional für mich. Dortmund war ja meine Heimat. Ich kannte mich dort in der Stadt besser aus als zu Hause in Dänemark.
Wollten Sie unbedingt innerhalb Deutschlands bleiben?
Bruun Larsen: Ja, das war mein Ziel. Ich mag es hier und man kennt mich hier.
In Dänemark werden Glücklichsein oder Gemütlichkeit mit dem Wort "hygge" umschrieben. Wie sieht es damit denn in Hoffenheim aus?
Bruun Larsen: Im Trainingszentrum ist es sehr hygge. (lacht) Die Leute sind alle sehr nett und entspannt, wir haben hier tolle Bedingungen. Mein Start war wie schon in Stuttgart leider etwas kurios, da plötzlich die Pandemie über uns hereinbrach und dann noch der Trainerwechsel hinzukam.
Wie einst in Stuttgart musste mit Alfred Schreuder in Hoffenheim der Trainer, mit dem Sie vor dem Wechsel gesprochen haben, gehen. Wie überraschend kam das für Sie?
Bruun Larsen: So ist eben der Fußball, die Entscheidung gilt es zu akzeptieren. Wir hatten dann noch vier Spieltage vor uns und sind als Mannschaft wahnsinnig eng zusammengerückt, um den internationalen Wettbewerb zu erreichen. Dass und wie wir das geschafft haben, war beeindruckend.
Sie sind in den bisherigen vier Pflichtspielen unter dem neuen Coach Sebastian Hoeneß noch keine Sekunde zum Einsatz gekommen. Wie bewerten Sie Ihre aktuelle Lage, wo stehen Sie genau?
Bruun Larsen: Gute Frage, die richtet sich eher an den Trainer. Mein Anspruch ist es natürlich, in jedem Spiel zu spielen - da bin ich aber nicht der einzige. Wir werden sehen, im Fußball kann sich in kurzer Zeit sehr viel verändern. Das habe ich ja wie gesagt auch selbst schon erfahren. Wir haben in dieser Saison sehr viele Spiele, daher werden alle gebraucht und ihren Beitrag leisten. Unter dem neuen Trainer spielen wir nun auch etwas anders und es gibt ein paar Umstellungen, an die wir uns als Mannschaft noch weiter gewöhnen müssen. Bisher ist das ganz gut gelungen, aber es bleibt für alle ein Prozess, der manchmal auch ein halbes oder sogar ein ganzes Jahr dauern kann. Ich bleibe geduldig, bin aber auch sehr hungrig.
Jetzt haben wir quasi über Ihre gesamte Karriere als Fußballer gesprochen, doch das wichtigste Thema noch gar nicht gestreift: Wie geht es Ihrer Schwester Line?
Bruun Larsen: Sie ist gesund, es ist alles top und die Familie sehr, sehr glücklich. Leider habe ich sie alle seit langer Zeit nicht mehr gesehen, denn wenn man derzeit von Kopenhagen nach Deutschland fliegt, muss man sich 14 Tage lang in Quarantäne begeben. Das ist nicht ganz einfach für mich, aber letztlich vollkommen egal, solange meine Schwester gesund ist.
Line kämpfte zwei Jahre lang gegen den Krebs an, seit Mitte 2019 ist Sie gesund. Wie schwer war es für Sie in dieser Zeit, sich auf den Fußball zu konzentrieren?
Bruun Larsen: Von außen wird man meist nur als Fußballer gesehen. Das ist auch in Ordnung und wird sich nicht ändern, doch hinter jedem Fußballer steckt eben auch ein ganz normaler Mensch. Wir haben uns als Familie in dieser Phase wahnsinnig gegenseitig unterstützt und alle Kräfte gebündelt. Das war das Wichtigste. Ich habe auch viel Hilfe und Nachrichten von Menschen bekommen, die mir privat nah sind. Sie können sich nicht vorstellen, was es für eine unglaubliche Freude war, als wir erfahren haben, dass sie geheilt ist.