Im Interview mit SPOX und Goal spricht Bruun Larsen vor dem Wiedersehen mit dem BVB (Sa., 15.30 Uhr im LIVETICKER) über seinen Wechsel nach Dortmund, "Wahrsager" Tuchel und die schwierige Zeit beim VfB.
Zudem erklärt der Offensivspieler, warum er es unter Lucien Favre geliebt hat, weshalb er dem BVB den Rücken kehrte und wie er die Zeit erlebte, als seine Schwester Line an Krebs erkrankt war.
Herr Bruun Larsen, bald sind Sie seit sechs Jahren in Deutschland. Sie hatten einst beim FC Liverpool und der PSV Eindhoven vorgespielt, sind dann aber im Januar 2015 ins Nachwuchsleistungszentrum von Borussia Dortmund gewechselt. Wie erinnern Sie sich an diese Probetrainings?
Jacob Bruun Larsen: Ich war 13 Jahre alt und bei jedem Verein zweimal eingeladen. Die erste Reise ging nach Liverpool. Dort war ich eine Woche lang und habe auch bei ein paar Testspielen mitgemacht. Das war eine anfangs extreme Erfahrung für mich. Alles fühlte sich sehr groß an, auch später in Eindhoven und Dortmund. Ich habe dort jeweils einen kleinen Teil vom großen europäischen Fußball kennenlernen dürfen. Am Ende hatte ich die freie Wahl und konnte selbst entscheiden, wohin ich gehe. Mein Bauchgefühl hat Dortmund gesagt. Dort hatte ich zwar kein Testspiel absolviert, aber es war trotzdem die absolut richtige Entscheidung.
Wie fremd fühlte sich das Ausland für Sie verglichen mit Dänemark an?
Bruun Larsen: Nicht wirklich, denn ich hatte mich vorab ganz gut auf die neue Umgebung vorbereitet und auch Lust auf das Ausland. Ich wurde in Dortmund sehr gut von allen aufgenommen, was es einfacher gemacht hat. Klar, die ersten drei, vier Monate waren nicht ganz einfach, sie gingen aber auch sehr schnell vorüber. Ich weiß noch, wie ich jeden Tag total platt nach Hause kam, aber auch immer mit viel Vorfreude auf das nächste Training aufgewacht bin. Das Niveau im deutschen Jugendfußball war einfach eine ganz andere Dimension als das, was ich aus Dänemark kannte. Auch wenn am Anfang alles neu war und ich die Sprache nicht konnte, empfand ich es schon damals als wunderschöne Zeit.
Bereits mit 16 trainierten Sie erstmals unter Jürgen Klopp bei den Profis mit. Wie hat er beim ersten Mal auf Sie gewirkt?
Bruun Larsen: Ich habe ihn bereits während meines Probetrainings kennengelernt, weil ich dann noch bei den Profis zuschaute. Kloppo kam zu uns herüber, da er meinen Berater kannte. Er hat sofort irgendwelche lustigen Bemerkungen gemacht, die ich aber damals noch nicht verstanden habe. (lacht) Mein erster Eindruck war, dass er sehr freundlich und ein sehr respektvoller, empathischer Mensch ist - und das hat sich in den Jahren danach voll und ganz bestätigt.
Sie gewannen mit dem Dortmunder Nachwuchs drei Meistertitel in Serie und schossen für U17 und U19 in 71 Pflichtspielen 39 Tore bei 32 Assists. Damals gab es einige Berichte über Sie, in denen das Wort "Supertalent" fiel. Wie sind Sie damit umgegangen?
Bruun Larsen: Dem, was geschrieben wird, habe ich noch nie große Bedeutung beigemessen. Es kommt letztlich auf die Perspektive an. In Dänemark war ich ein Supertalent, da wir dort von maximal zwei Spielern pro Jahrgang reden, die zu einem europäischen Top-Klub wechseln. In Deutschland hatte ich dieses Gefühl nicht, denn dort war ich einer von vielen. In Dortmund bin ich sofort auf viele Spieler getroffen, die schon damals extrem gut waren und heute auf einem sehr hohen Niveau kicken. Das jedoch hat mich gepusht und auch verbessert.
Als beim BVB Thomas Tuchel Trainer wurde, kamen Sie zwar zu Ihrem Pflichtspieldebüt bei den Profis, mehr Einsätze ganz oben gab es aber nicht. Wie eng war Ihr Austausch mit Tuchel?
Bruun Larsen: Ich war 16 und zu diesem Zeitpunkt erst drei Monate in Dortmund, als Tuchel ein paar Nachwuchsspieler und mich mit zu einem Testspiel gegen St. Pauli nahm. Das hat mich schon sehr erstaunt. Wir durften dann auch mit ins Trainingslager. Daher war der Gedanke früh da, eines Tages einmal ganz oben anzukommen. Die Zeit unter Tuchel war letztlich mein erster Schritt in den Profibereich. Ihm habe ich sehr viel zu verdanken, unter ihm habe ich extrem gelernt. Ich weiß noch genau, was er zu uns vor meinem Debüt im Pokal gegen Union Berlin gesagt hat.
Und zwar?
Bruun Larsen: Er hat genau das prognostiziert, was schließlich eingetroffen ist: Er hat uns empfohlen, über deren zwei zentrale Zehner zu spielen, weil dort viel Raum aufgehen wird und wir dann schnell nach vorne kommen. Beim 1:0, an dem ich ja einen kleinen Anteil hatte, ist das genauso passiert. Ich habe mich von Tuchel sehr gut vorbereitet gefühlt und wusste ganz genau, was ich auf dem Feld zu tun habe. Das war echt faszinierend.
Im März 2017 fielen Sie dann mit einem Ermüdungsbruch ein halbes Jahr lang aus. Nur einen Monat später fand der Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus statt. Wissen Sie noch, wo Sie davon erfahren haben?
Bruun Larsen: Ich saß mit ein paar meiner Mitspieler aus dem Nachwuchsbereich zusammen. Plötzlich erhielten wir von Felix Passlack, der damals im Profikader stand, eine Nachricht. Er schrieb, was passiert ist, dass alle glimpflich davongekommen sind und das Spiel ausfallen wird. Wir waren sehr schockiert, uns haben die Worte gefehlt.
Wie erinnern Sie sich, als Sie anschließend das erste Mal auf die Ihnen vertrauten Gesichter trafen?
Bruun Larsen: Es herrschte verständlicherweise eine ganz komische Stimmung. Ich habe natürlich mit der Zeit mit den Jungs gesprochen, aber es war schnell klar, dass es für einen Außenstehenden wie mich vollkommen unvorstellbar ist, wie sich das angefühlt hat. Viele meinten, dass ihr Leben innerhalb von Sekunden an ihnen vorbeigezogen ist. Ich habe totalen Respekt davor, wie sie alle in der Folge damit umgegangen sind. Diese Geschichte hat gezeigt, wie unwichtig der Fußball eigentlich am Ende ist.
Als Sie wieder fit waren, stand Peter Bosz beim BVB an der Seitenlinie, doch Sie verletzten sich erneut und spielten unter ihm nur sieben Minuten. Ab wann war denn klar, dass es im Januar 2018 auf ein Leihgeschäft in der Winterpause hinauslaufen würde?
Bruun Larsen: Man muss das alles etwas weiter gefasst sehen. Es war insgesamt ein sehr schwieriges erstes Jahr im Profibereich. Im Grunde zählt das für mich gar nicht so richtig. Ich erlitt im März 2017 den Ermüdungsbruch und fehlte ein halbes Jahr lang. Im November kamen unter Bosz dann zwei Monate Pause wegen einer Knieverletzung hinzu. Bei ihm spielte ich als Rechtsverteidiger und meine Perspektiven waren nicht so rosig. Daher ergab es Sinn, sich ein halbes Jahr ausleihen zu lassen - nach Stuttgart, wo ich mit Hannes Wolf auf meinen langjährigen Jugendtrainer traf.
Wie problematisch war es beim VfB, dass Sie zuvor fast ein ganzes Jahr ohne Spielrhythmus waren?
Bruun Larsen: Es war schlichtweg ein absolutes Lehrjahr für mich. Ich sage auch ganz bewusst: Ich habe all diese Erfahrungen gerne mitgenommen, denn durch die zahlreichen Erlebnisse fühle ich mich für die Zukunft eindeutig besser aufgestellt.
Was haben Sie denn konkret aus dieser Zeit mitgenommen?
Bruun Larsen: Ich war lange verletzt, immer noch ziemlich jung und dann lebte ich zum ersten Mal ganz allein in einer neuen Stadt, spielte bei einem neuen Verein und kannte das Umfeld nicht. Es waren einfach viele erste Male und schwierige Herausforderungen zu meistern. Fußballerisch war die Zeit beim VfB zwar nix, aber man merkt schnell, dass man trotzdem viel lernt.
Jacob Bruun Larsen: Seine Karriere im Überblick
Verein | Pflichtspiele | Tore | Vorlagen |
Borussia Dortmund U17 | 9 | 3 | 1 |
Borussia Dortmund U19 | 62 | 36 | 31 |
Borussia Dortmund | 42 | 3 | 5 |
VfB Stuttgart | 5 | - | - |
TSG 1899 Hoffenheim | 12 | - | 1 |