Mit 18 Jahren spielte Fabian Klos für seinen Heimatverein SV Meinersen in der Kreisliga. Mit 32 Jahren feierte der Kapitän von Arminia Bielefeld sein Debüt in der Bundesliga. Am Samstag spielt der Stürmer gegen seinen Lieblingsverein Bayern München (18.30 Uhr im LIVETICKER). Im Interview mit SPOX und Goal verrät er, auf welches Duell er sich besonders freut.
Außerdem spricht Klos über das, was er als Ex-Amateur Profis voraus hat, die in einem Nachwuchsleistungszentrum waren und ob es Stürmer einfacher haben als Verteidiger, wenn sie aus den Amateurligen durchstarten wollen.
Zudem geht es im Interview um das neue Image von Arminia Bielefeld als Lieblinksklub der Fußball-Hipster und um die Fragen, was eine WhatsApp, die er im Jahr 2019 an Bielefelds Trainer Uwe Neuhaus schrieb, und sein Glaube an Karmapunkte mit dem Aufstieg Bielefelds zu tun haben könnten.
Herr Klos, bei der Vorbereitung auf dieses Gespräch sind wir auf ein altes Interview mit Ihnen auf SPOX vom Oktober 2012 gestoßen.
Fabian Klos: Jetzt bin ich gespannt!
Die Überschrift damals war: "Ich bin der Inbegriff des Spätstarters." Damals waren Sie 24 und spielten mit Bielefeld in der Dritten Liga. Wie würden Sie sich heute bezeichnen?
Klos: Ich würde diese Aussage heute noch mit einem Ausrufezeichen versehen. Ich weiß nicht, wie viele Spieler es gibt, die mit 32 Jahren ihr Bundesligadebüt feiern durften. Wahrscheinlich nicht allzu viele.
Fabian Klos: "Ich hatte nie einen Karriereplan"
Sie haben mit 18 bei Ihrem Heimatverein SV Meinersen in der Kreisliga Gifhorn gespielt, kamen über die Bezirks- und Oberliga zur zweiten Mannschaft Wolfsburgs und schließlich zum damaligen Drittligisten Bielefeld. Was haben Spieler, die nie in einem Nachwuchsleistungszentrum waren, jenen voraus, die schon als Jugendliche in den Nachwuchsabteilungen der Profiklubs spielen?
Klos: Wir haben nicht den Druck, schon sehr früh permanent Leistung bringen zu müssen. Gott sei Dank wird in den NLZs heute auch sehr viel Wert gelegt auf die schulische Ausbildung, aber natürlich steht da das feste Ziel im Vordergrund, Fußballprofi werden zu müssen. Spielern, die im NLZ waren, fehlt diese Unbekümmertheit, die Spieler wie ich haben. Ich hatte nie einen Karriereplan, ich habe nicht einmal daran gedacht, Profi werden zu können. Ich hatte nie Druck von außen, etwas leisten zu müssen und habe mir auch ganz selten nur selbst Druck gemacht. Ich hatte eine überragende Jugend und habe Fußball gespielt, weil mir Fußballspielen Spaß gemacht hat und weil ich gerne Zeit mit den Jungs verbracht habe.
In großen Vereinen wird schon jungen Spielern von Ämtergängen bis Wohnungssuche vieles abgenommen.
Klos: Das ist ein sehr schmaler Grat. Ich bin der Älteste bei uns in der Mannschaft und muss manchmal den Kopf schütteln, wenn ich sehe, wie viel den jungen Spielern abgenommen wird. Ich finde, dass das zu viel ist. Die Wohlfühloase sollte nie zu groß sein, sonst kannst du keine Leistung bringen und dich nicht entwickeln. Auch menschlich nicht. Aber das ist ja nicht die Schuld der Spieler. Wenn ich als junger Spieler die Möglichkeit gehabt hätte, hätte ich auch nicht drauf verzichtet. Aber in diesem Zusammenhang finde ich eines ganz wichtig ...
Bitte!
Klos: Es ist natürlich einfach, sich hinzustellen und über vermeintlich abgehobene Spieler zu meckern. Oder über Profis, die ihren Reichtum zur Schau stellen. Ich möchte mal - ganz unabhängig von der Branche - einen 20 bis 25-Jährigen, der von heute auf morgen plötzlich unfassbar viel Geld verdient und noch nicht so viel Lebenserfahrung hat sehen, ob er sich anders verhalten würde als mancher Fußballer. Auch bei uns in der Kabine gibt es Riesen-Unterschiede. Es gibt Jungs, die viel Wert auf Markenklamotten legen und immer gut gestylt sind. Ich schmeiße mir morgens ein T-Shirt über, zieh mir ne Hose und Schuhe an und fahre dann los. Ich habe mein Leben lang noch keine Uhr gehabt, mein teuerstes Kleidungsstück ist mein Wintermantel, der ein paar hundert Euro gekostet hat. Aber deswegen bin ich jetzt nicht der vernünftigere Mensch. Ich bin halt so. Wichtig ist doch einfach nur, dass man nicht über seine Verhältnisse lebt.
Fabian Klos: "... dann läufst du gegen eine Wand"
Florian Niederlechner, Hendrik Weydandt, Stefan Schimmer und natürlich Miroslav Klose: Auch andere Profis mit Amateurvergangenheit sind Stürmer. Zufall?
Klos: Es ist natürlich einfacher, als Stürmer mit einer guten Torquote aufzufallen, als wenn du als Linksverteidiger 85 Prozent deiner Zweikämpfe gewinnst. Als Mittelstürmer fällst du eher auf. Und je besser deine Mitspieler werden, umso schneller kommst du als Stürmer in gute Abschlusssituationen, die dich wiederum glänzen lassen. Das ist sicherlich so. Aber es gehört natürlich viel Arbeit dazu. Gegen Flo Niederlechner habe ich zum Beispiel auch in der Dritten Liga schon gespielt. Die Entwicklung, die er gemacht hat, ist schon phänomenal.
Kann man sich mental auf die Bundesliga vorbereiten?
Klos: Weiß ich nicht. Ich kann für mich nur sagen: Selbst wenn ich versucht hätte, mich darauf vorzubereiten, hätte ich mich nach dem ersten Spiel genauso wenig vorbereitet gefühlt wie ich es war. Ich habe am 1. Spieltag schon in der Halbzeit zum Trainer gesagt, dass es auch mit 32 Jahren in einem gehobenen Fußballeralter möglich ist, Lehrgeld zu zahlen. Ich dachte, ich hätte den Fußball verstanden, aber die Bundesliga ist noch einmal was ganz anderes. Gerade in Sachen Cleverness und Zweikampfführung. Hut ab!
Inwiefern? Was machen Bundesligaspieler anders als Zweitligaspieler?
Klos: Sie machen im richtigen Moment die richtigen Sachen. Entweder eine Bewegung nach vorne oder zur Seite oder hier mal ein Stoß an der richtigen Stelle. Das hat aber nicht nur etwas mit Körperlichkeit zu tun, da sind wir als Mannschaft den anderen Bundesligisten sicher nicht unterlegen. Aber dass uns Erfahrung fehlt, kann man nicht wegdiskutieren. Aber wir sind sehr lernwillig und lernen sehr schnell.
Sie gelten nicht als Mannschaft, die Ihre Gegner auf ihr eigenes Niveau herunterziehen möchte.
Klos: Das würde auch nicht funktionieren. Man muss sich anpassen als Aufsteiger, jedoch ohne seine eigene Identität zu verlieren. Das ist ein schmaler Grat. Paderborn hat in der letzten Saison zum Beispiel viel Lob bekommen für die Art und Weise, wie die Mannschaft Fußball gespielt hat. Wahrscheinlich auch zu Recht. Aber vom Lob kriegt man keine Punkte. Wenn du gegen jede Mannschaft versuchst, dein Spiel durchzuziehen als Aufsteiger und versuchst, die Gegner an dein Niveau anzupassen, dann läufst du gegen eine Wand.
Wieso hat Union Berlin den Klassenerhalt geschafft?
Klos: Ich weiß nicht, ob Union so viele Punkte gesammelt hätte, wenn noch mehr Spiele ohne Zuschauer hätten stattfinden müssen. Union lebt von der Atmosphäre in der Alten Försterei und spielt sehr körperlich. Grundsätzlich hat Union aber genau das gemacht, was Paderborn nicht gemacht hat: Die Mannschaft hat sich angepasst, hat geguckt, wie sie gegen den jeweiligen Gegner das Beste herausholen kann und hat deswegen auch so viele Punkte gemacht.
Ihr Trainer Uwe Neuhaus legt im Training und im Spiel sehr viel Wert aufs Positionsspiel. Hat sich da was in der Vorbereitung auf die Bundesliga geändert?
Klos: Nein. Wir haben uns natürlich vorher gesagt, dass die Gegner ein besseres Pressing spielen werden als in der Zweiten Liga und wir daher den ein oder anderen Ball auch mal lang schlagen müssen. Aber wir wollten den Ballbesitzfußball, der uns stark gemacht hat, auch weiter vorantreiben. Unser Positionsspiel ist ja nicht nur dazu da, uns von hinten nach vorne durchzukombinieren, sondern auch, um die Gegner vor Aufgaben zu stellen.
Stimmt es eigentlich, dass Sie nach Union Berlins Aufstieg 2019 Ihrem Trainer Uwe Neuhaus eine WhatsApp geschrieben haben mit dem Inhalt: "Da will ich auch hin!"?
Klos: Das ist richtig, ja.
Was hat er geantwortet?
Klos: Ich glaube, der genaue Wortlaut war: "Da nagele ich dich drauf fest." Nach unserem Aufstieg hat er mir auch gesagt, dass diese Nachricht für ihn das Beste war, was passieren konnte. Immer, wenn ich mal ein bisschen nachgelassen habe in der letzten Saison musste er mich einfach nur an diese Nachricht erinnern. Diese WhatsApp war für den Trainer das beste Druckmittel auf mich.
Und für Sie selbst?
Klos: Ich habe diese Nachricht ja nicht an den Trainer geschrieben, weil ich in dem Moment in irgendeinem Traumland war. Ich habe ja nicht geschrieben, dass ich im Lotto gewinnen möchte oder sowas. Ich wusste damals nach unserer starken Rückrunde schon, wie gut wir sein können. Und ich wusste, dass in der folgenden Saison wahrscheinlich meine größte Chance sein würde, doch noch mal in die Bundesliga aufzusteigen. Ich habe diese WhatsApp schon genau so gemeint und wollte das unbedingt.
Wussten das ihre Mitspieler auch?
Klos: Ich glaube, dass es dem Trainer und mir gelungen ist, diesen Gedanken schon in der Vorbereitung auf die Saison in die Mannschaft reinzutragen, ja.
Klos: "Habe Hummels und Boateng richtig abgefeiert"
Joshua Kimmich sprach beim Champions-League-Finalturnier von einem Gefühl der Unbesiegbarkeit der Bayern. Kennen Sie das auch?
Klos: Wir haben natürlich eine geringere Qualität in der Mannschaft als Bayern München. Aber wenn du, so wie wir letzte Saison, bis zur Winterpause nur zwei Spiele verlierst und dann auch gut in die Rückrunde startest, dann ist natürlich irgendwann der Punkt da, an dem du im Spiel das Gefühl hattest, dass du allerhöchstens mal Unentschieden spielen könntest. Das kann man schwer erklären, das ist ein Gefühl, dass schon alles gut gehen würde. Aber darauf darf man sich auch nicht ausruhen.
Das Gefühl der Unbesiegbarkeit ist also kein Selbstläufer?
Klos: Bei den Bayern offenbar manchmal schon. Bei uns in der Zweiten Liga war das ein bisschen anders.
Auf welche Gegenspieler freuen Sie sich in der Bundesliga besonders?
Klos: Ich freue mich grundsätzlich auf jeden, weil ich von jedem noch was lernen kann. Aber ehrlicherweise habe ich 2014, als wir mit Bielefeld gerade wieder in die Dritte Liga abgestiegen waren, Mats Hummels und Jerome Boateng bei der WM richtig abgefeiert. Das waren meine Helden. Dass ich jetzt höchstwahrscheinlich gegen beide spielen darf und beide meine direkten Gegenspieler sein werden: Da hab ich schon Bock drauf.
Haben Sie schon eine Idee, wie Sie die beiden schlagen könnten?
Klos: Ne Idee? (lacht) Keine Ahnung. Letztendlich werden unsere Trainer wie immer versuchen, mögliche Schwächen der Gegner herauszuarbeiten. Aber bei den beiden werden sie nicht so viele finden. Ich werde das wohl oder übel auf mich zukommen lassen.
Hin und wieder wirken beide mittlerweile ein bisschen hüftsteif und nicht mehr ganz so schnell wie früher.
Klos: Okay, aber ich bin jetzt auch keine 1,60 Meter und spiele jeden Gegenspieler mit vier Übersteigern aus.
Nach dem Aufstieg hatte man ein bisschen den Eindruck, dass Arminia Bielefeld mittlerweile sowas wie der Lieblingsklub der Fußball-Hipster ist, Leute wie Kevin Kühnert haben sich als Bielefeld-Fans offenbart. Ist es modern, Bielefeld zu mögen?
Klos: Ich denke, unsere Entwicklung hat den meisten Menschen mit Fußball-Sachverstand imponiert. Wir haben uns alle gegenseitig besser gemacht in den letzten Jahren und nicht für großes Geld von außen Spieler dazu geholt. So wie ich ganz persönlich mit Traditionsvereinen sympathisiere - dass ich seit 2011 ununterbrochen hier bin hat natürlich auch viel damit zu tun, dass ich hier bei einem Traditionsverein bin, mit dem ich mich identifizieren kann - so glaube ich, dass viele Fußballinteressierte unseren Weg ganz geil finden. Als es letzte Saison Richtung Aufstieg ging, hatte ich definitiv das Gefühl, dass wir nur positiv wahrgenommen wurden und dass sich auch Menschen, die sonst nicht so viel mit Arminia Bielefeld am Hut haben, gefreut haben, dass wir zurück in die Bundesliga können.
Mit dieser Entwicklung war von außen betrachtet ja wirklich nicht zu rechnen.
Klos: Von innen auch nicht. Wir sind nicht losgegangen und haben nicht versucht, uns den Aufstieg auf dem Transfermarkt zu erkaufen. Es wurde gezielt geschaut, welche Spieler und welche Charaktere uns weiterhelfen können. Vor allem Samir Arabis (Bielefelds Manager, die Red.) Job möchte ich definitiv nicht haben! Spieler von einem Verein zu überzeugen, ohne tief in die Tasche greifen zu können, das ist in der heutigen Zeit definitiv nicht einfach.
Fabian Klos: "Arminia war ein absoluter Chaosverein"
Als Sie 2011 nach Bielefeld kamen: Was war Arminia damals für ein Verein?
Klos: Ein absoluter Chaosverein, da muss man ehrlich sein. Die Jahre vorher herrschte hier einfach pures Chaos und auch in den ersten Jahren, als ich hier war, ging es ziemlich wild zu. Als ich ankam, gab es keinen Hauptsponsor und auch noch keine Lizenz für die Dritte Liga. Was die handelnden Personen in den letzten neun Jahren geschaffen haben ist beispiellos. Ebenso die Entwicklung, die der Verein genommen hat. Unsere Kurve ging aber natürlich auch nicht immer nur nach oben.
Sie sind zwischendurch wieder in die Dritte Liga abgestiegen...
Klos: Das macht einen Verein eigentlich nur sympathischer, wenn er wieder mal kurz vorm Tod ist und ihm doch noch von der Schippe springt. Aber die Situation damals war brutal. Da habe ich auch Druck gespürt. Ich habe mich extrem verantwortlich gefühlt für die Mitarbeiter und ihre Arbeitsplätze. Das war ja mit ein Punkt, wieso ich nach dem Abstieg geblieben bin. Wenn ich was verbocke, dann will ich auch dafür geradestehen und es wieder richten.
Sie haben mal gesagt, Sie glauben an Karmapunkte.
Klos: Das ist so und wird auch so bleiben. Wenn du Gutes gibst, wirst du auch Gutes zurückbekommen. Davon bin ich fest überzeugt. Wir sind jetzt sicherlich nicht nur aufgestiegen, weil ich damals nach dem Abstieg hiergeblieben bin. Da gehört auch sehr viel harte Arbeit dazu, aber grundsätzlich gehe ich mit dieser Einstellung durchs Leben.
Klos: "Bin froh darüber, Aushängeschild dieses Vereins zu sein"
Sie haben vorhin gesagt, dass Sie nach der Karriere auf keinen Fall Manager werden wollen. Wie sieht es mit dem Trainerberuf aus?
Klos: Grundsätzlich muss ich im Moment leben, um meine Leistung zu bringen. Daher beschäftige ich mich nicht so genau mit dem, was mal kommen könnte. Aber natürlich macht man sich mit fortschreitendem Alter seine Gedanken. Und ja: Trainer könnte ich mir möglicherweise vorstellen. Aber vorerst nur im Jugendbereich.
Warum?
Klos: Ich bin froh darüber, Aushängeschild dieses Vereins zu sein und als das Gesicht von Arminia Bielefeld zu gelten. Das macht mich stolz und ich weiß um meine Rolle. Aber ich möchte nicht aus dem Vordergrund sofort wieder in einen Bereich wechseln, in dem ich wieder im Vordergrund stehe.
Sie haben auch mal gesagt, dass Sie womöglich auch ein journalistischer Beruf reizen könnte. Darum zum Abschluss: Gibt es eine Frage, die Ihnen vielleicht noch nie gestellt wurde und die Sie aber gerne beantworten würden?
Klos: Boah, das hat mich echt noch nie jemand gefragt, da haben Sie mich total überrumpelt. Da fällt mir spontan keine Frage ein.
Gibt es dann vielleicht ganz allgemein eine Frage, die Sie gerne beantworten würden?
Klos: Es wurde oft darüber diskutiert, dass ich zu viele Gelbe Karten wegen erhöhter Emotionalität bekommen würde. Da möchte ich einmal nur zu sagen, dass ich das zurückgefahren habe, dass es mich aber auch ausmacht.
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