Borussia Dortmund versinkt nach dem 2:2 gegen die TSG Hoffenheim im Mittelmaß. Auch, weil mit Marwin Hitz und Roman Bürki gleich zwei verunsicherte Kandidaten um den neuralgischen Platz im Tor kämpfen.
Dass er nicht genügend warm geschossen wurde, kann Marwin Hitz wohl nicht für sich geltend machen. Bei frostigen Minusgraden im früheren Westfalenstadion mühten sich die frechen Gäste aus Hoffenheim nach Kräften, den BVB-Keeper am Laufen, Springen und in Bewegung zu halten: 13:7 Torschüsse, 7:1 Ecken, dazu etliche weitere Angriffe Richtung Dortmunder Tor standen am Ende für die TSG und als Frostschutz für Hitz zu Buche.
Trotzdem ließ sich der Schweizer einmal ziemlich kalt erwischen und boxte sich einen Ball quasi selbst ins Tor. Mit ein Grund, warum es für die Borussia nur zu einem enttäuschenden 2:2 reichte. Der nächste Rückschlag für die ambitionierten Westfalen, das Minimalziel Champions League gerät ernsthaft in Gefahr.
Obwohl Hitz durchaus gute Szenen hatte und die neunte Niederlage dieser BVB-Saison letztlich auch verhinderte; obwohl auf Dortmunder Seite erneut der Referee sowie vermeintliche Fortschritte im Fokus standen - der Patzer des Ersatzkeepers dürfte in der Aufarbeitung nachhallen.
Zumal es Hitz' dritter Fehlgriff in Folge war. Schon beim recht glücklichen Sieg über Zweitligist Paderborn im DFB-Pokal sowie bei der Liga-Pleite in Freiburg hatte der Schweizer daneben gegriffen.
Terzic: "Anzahl der individuellen Fehler einfach zu hoch"
"Die Anzahl der individuellen Fehler ist einfach zu hoch momentan,", kritisierte Trainer Edin Terzic nach der Partie, und meinte wohl auch die Aktion von Hitz, der eine Flanke auf Hoffenheims Ihlas Bebou faustete, von dem der Ball ins Tor prallte. Als gebe es nicht genügend Baustellen, hat die Negativ-Spirale spätestens jetzt auch ein veritables Torwart-Problem offenbart.
Noch vor wenigen Monaten hätten Hitz und Stammtorhüter Roman Bürki bei fast allen Klubs außer dem FC Bayern wohl als Startelfkandidaten gegolten. Zum Saisonstart behielten beide in wechselnder Besetzung in fünf von sechs Spielen eine weiße Weste und der BVB durfte sich kurzzeitig "beste Defensive der Liga" nennen. Unvorstellbar aus heutiger Sicht.
Von dieser Luxus-Situation ist nichts übrig geblieben. Längst beherrschen hässliche Vokabeln wie "Standardschwäche" und "Anfälligkeit bei Distanzschüssen" die Analysen. 31 Gegentore hat die Borussia kassiert und zuletzt in acht Spielen in Folge nicht mehr zu Null gespielt, was auch die Trainerdiskussion kräftig in Fahrt bringen dürfte. Von Aufbruchstimmung ist nichts mehr zu spüren.
In schlechter Regelmäßigkeit hat die Abwehr mit Panik-Attacken zu kämpfen. Gerade jetzt, wo ein selbstbewusster, stabiler Rückhalt für eine bis ins Mark verunsicherte Mannschaft gefragt wäre, gesellen sich zwei Sorgenkinder im Tor dazu, und irgendwie wirkt es wie ein Problem mit Ansage.
gettyBVB: Schon Favre hat die Torwart-Diskussion eröffnet
Schon in der ersten Saisonhälfte hatte der damalige Trainer Lucien Favre die Diskussion über die Nummer eins aus dem Nichts heraus eröffnet, als er Bürki nach einer Atemwegsinfektion länger als eigentlich nötig auf der Bank schmoren ließ. Dass sich Favre nie zur Personalie äußerte, sorgte im Umfeld für Unruhe.
Das Job-Sharing ließ sich als Warnschuss interpretieren und hatte zur Folge, dass Bürkis Standing bereits angekratzt war, als er nach dem Jahreswechsel - nun unter Terzics Regie - in den Topspielen gegen Leverkusen und Gladbach schlecht aussah und in die öffentliche Kritik geriet. Die Zweifel werden auch bei seiner Rückkehr ins Team, wann immer das sein mag, nicht sofort verschwinden.
Bürkis Stärken sind die außergewöhnlichen Reflexe auf der Linie und die Abgebrühtheit im Duell Eins-gegen-Eins - außer bei Elfmetern. In der Strafraumbeherrschung hapert es seit jeher, was nun, im Zuge der eklatanten Standardschwäche, extrem zu Tage tritt und sich auch wechselseitig bedingt.
Die von Mats Hummels organisierte Abwehr ist nur selten in der Lage, solch prekäre Situationen vom eigenen Tor fernzuhalten und den 30 Jahre alten Keeper zu entlasten. Selbst ohne Bürkis aktuelle Schulterverletzung, zu deren Details oder Dauer sich der BVB im Übrigen nicht äußert, hätte sich wohl kein Beobachter über den jüngsten Torwartwechsel gewundert.
BVB: Längst wird über eine neue Nummer eins spekuliert
Doch auch Landsmann Hitz lässt die BVB-Talfahrt offensichtlich nicht kalt. Eigentlich strahlt der 33-Jährige mehr Gelassenheit und Ruhe aus als Bürki. Er ist etwas stärker mit dem Ball am Fuß und besitzt mit 1,94 Metern Körperlänge die größere Reichweite. Ansonsten hat er aber fast die gleichen Defizite.
Für ihn böte sich gerade die große Chance auf einen Platz als Nummer eins, wenn schon nicht in Dortmund, dann bald bei einem anderen Klub. Sein Vertrag läuft im Sommer aus und einige zusätzliche Auftritte für Schwarz-Gelb hätten die perfekte Bewerbung sein können.
Stattdessen sind die Nutznießer nun die gegnerischen Abwehrreihen. Und der Boulevard, der die Misere dankbar aufgreift und längst wild über eine neue Nummer eins spekuliert, die weder Bürki noch Hitz heißt.
Leipzigs Peter Gulacsi wird oft als Kandidat genannt, weil er in 13 Pflichtspielen dieser Saison ohne Gegentor blieb. Angeblich ist er für unter 15 Mio. Euro zu haben, sollte er denn wechseln wollen.
Lazio Roms Keeper Thomas Strakosha brachte sich selbst ins Gespräch und erklärte: "Es wäre schon interessant, in Dortmund zu spielen." Ob einer der beiden Dortmund wirklich weiterbrächte, scheint aber unklar. Ein echter Weltklasse-Keeper ist für die börsennotierte Borussia in schwierigen Corona-Zeiten dagegen kaum finanzierbar und wohl auch nicht in Sicht.
Bundesliga: Tabelle nach den Samstagsspielen
Platz | Team | Sp. | Tore | Diff | Pkt. |
1. | Bayern München | 20 | 58:26 | 32 | 48 |
2. | RB Leipzig | 21 | 37:18 | 19 | 44 |
3. | Wolfsburg | 20 | 32:19 | 13 | 38 |
4. | Bayer Leverkusen | 21 | 39:23 | 16 | 36 |
5. | Eintracht Frankfurt | 20 | 41:29 | 12 | 36 |
6. | Borussia Dortmund | 21 | 41:31 | 10 | 33 |
7. | Borussia M'gladbach | 20 | 37:31 | 6 | 32 |
8. | SC Freiburg | 21 | 35:33 | 2 | 31 |
9. | 1. FC Union Berlin | 21 | 34:25 | 9 | 30 |
10. | VfB Stuttgart | 21 | 38:35 | 3 | 26 |
11. | Werder Bremen | 20 | 24:27 | -3 | 23 |
12. | TSG Hoffenheim | 21 | 32:39 | -7 | 23 |
13. | FC Augsburg | 21 | 21:34 | -13 | 22 |
14. | 1. FC Köln | 20 | 20:33 | -13 | 21 |
15. | Hertha BSC | 21 | 26:37 | -11 | 18 |
16. | Arminia Bielefeld | 19 | 15:32 | -17 | 17 |
17. | 1. FSV Mainz 05 | 21 | 21:42 | -21 | 14 |
18. | Schalke 04 | 21 | 15:52 | -37 | 9 |