Der Wechsel von Adi Hütter zu Borussia Mönchengladbach ist allein schon wegen des Tabellenstands eine fragwürdige Entscheidung des Eintracht-Trainers. Doch der Österreicher hat nicht nur durch einen Wortbruch seinen Ruf aufs Spiel gesetzt, sondern treibt auch noch ein gefährliches Spiel mit seiner Karriere. Ein Kommentar.
Es ist gerade einmal 44 Tage her, da saß Adi Hütter bei Sky90 und sagte klipp und klar, dass er sich nicht mit Spekulationen um seine Person und ein angebliches Interesse von Borussia Mönchengladbach beschäftige. Im Gegenteil. "Ich bleibe, habe Vertrag und fühle mich in Frankfurt wohl. Da gibt es keine Diskussionen", stellte Hütter klar. Eineinhalb Monate später ist aber plötzlich alles anders.
Hütters warme Worte für die Fan-Seele im kalten Business Profifußball waren nicht mehr als Schall und Rauch. Ausgerechnet vier Tage vor dem direkten Duell zwischen der Borussia und Hütters sensationell auf Champions-League-Kurs liegenden Frankfurtern wurde sein Wechsel an den Niederrhein offiziell und es ist mehr als nur ein Geschmäckle dabei.
Nicht nur hat Hütter mit seinem Wortbruch zumindest gegenüber den Fans seinen Ruf als glaubwürdigen Trainer aufs Spiel gesetzt, der einen Verein nicht nur als Durchlaufstation auf dem Weg nach oben sieht. Er wagt außerdem auch ein gefährliches Spiel mit seiner Karriere als Trainer.
Das hoch emotionale Novum, mit der SGE möglicherweise erstmals in der Klubgeschichte in der Königsklasse zu spielen und das auch noch eventuell in einem ausverkauften Waldstadion, ersetzt Hütter mit Druck, den er in Gladbach anders als in Frankfurt unmittelbar allein schon aufgrund der höchsten Trainer-Ablöse der Bundesliga-Geschichte (7,5 Mio. Euro) haben wird.
Hütters schwierige Gladbach-Mission: Europa und "etwas Blechernes"
Da wäre zum einen die Tatsache, dass Gladbach in dieser letzten Spielzeit von Marco Rose außer in der Champions League deutlich unter den eigenen Erwartungen spielt und vermutlich maximal nur die Conference League erreichen wird. Hütter wird mit der Vorgabe den neuen Job am Niederrhein angehen, dies schleunigst geradezurücken, also mindestens mal die Europa-League-Qualifikation zu schaffen.
Und diese Mission muss er möglicherweise ohne Leistungsträger wie Neuhaus, Thuram, Zakaria, Plea oder Ginter antreten. Denn angesichts einer drohenden Saison ohne internationalen Wettbewerb stehen kleine bis große Fragezeichen hinter deren Verbleib in Gladbach.
Auch in Frankfurt würde ihm aufgrund des großen Erfolges wohl ein personeller Umbruch drohen, aber da stünde zumindest die kommende Saison im Falle der Champions-League-Qualifikation unter dem Motto "Alles kann, nichts muss, außer der Klassenerhalt".
In Gladbach gibt es aktuell nur das "Muss" und sogar noch mehr: Denn dort muss Hütter auch noch mit Eberls Sehnsucht, mit der Borussia "mal etwas Blechernes in den Himmel recken" zu wollen, umgehen. Ein Wunsch, der sich in den vergangenen vier Jahren seitdem er ihn äußerte, nicht sonderlich geändert haben dürfte.
Hütter in Gladbach: Mehr Argwohn als offene Arme
Einzige realistische Option ist da nur der DFB-Pokal, der in Frankfurt nicht gerade Hütters Spezialdisziplin war. Einmal Halbfinale, ein Zweitrunden-Aus gegen Leverkusen (1:4) und ein Erstrunden-Aus gegen Ulm in Hütters erstem Spiel als Eintracht-Trainer stehen in dessen Pokal-Vita.
Statt Königsklassen-Rausch und Legendenstatus bei den Frankfurter Fans lässt sich Hütter also auf ein gefährliches Spiel mit seiner Trainer-Karriere ein. Und das in einem Fan-Umfeld, das ihn nach seinem Lippenbekenntnis zu Frankfurt und dem anschließenden Wechsel gerade eher mit Argwohn als mit offenen Armen begrüßen wird - müssen die Gladbacher doch Roses Wechsel zum BVB verdauen.
Scheitert Hütter an den in Gladbach höheren Erwartungen als in Frankfurt, würde ihn das weiter zurückwerfen als ein möglicherweise schwieriges, aber erlebnisreiches Bonus-Jahr mit der SGE in der Champions League.