Philipp Förster war 19, als der VfB Stuttgart ihm sagte, dass es nicht reichen würde für eine Karriere beim Bundesligisten. Über Umwege bei Waldhof Mannheim, dem 1. FC Nürnberg und dem SV Sandhausen landete er 2019 wieder bei seinem Jugendverein, der sogar Ablöse für den heute 26-Jährigen zahlte. Von den Fans wurde er nicht nur mit offenen Armen empfangen.
Seit der vergangenen Rückrunde ist Förster beim VfB Stuttgart, der am zweiten Bundesliga-Spieltag am Freitag auf RB Leipzig (20.30 LIVE auf DAZN und im LIVETICKER) trifft, unter Trainer Pellegrino Matarazzo gesetzt. Im Interview mit SPOX und Goal spricht der offensive Mittelfeldspieler über private Trainingseinheiten mit Tim Lobinger, seine Vorliebe für Schnauzbärte und über jugendliche Obstschlachten mit Joshua Kimmich im Jugendinternat des VfB Stuttgart.
Herr Förster, Sie haben von 2010 bis 2014 in der Jugend des VfB Stuttgart gespielt, doch dann schickte der VfB Sie im Alter von 19 Jahren weg. Wie haben Sie das damals empfunden?
Philipp Förster: Ich habe das damals während des Gesprächs erst gar nicht glauben können, habe mir gedacht: "Was sagt der da?" Bis dahin war es für mich immer nur nach oben gegangen und dann wurde mir gesagt, dass es für mich nicht mehr weitergeht beim VfB Stuttgart. Das war ein harter Schlag ins Gesicht.
Haben Sie darüber nachgedacht, dem Fußballgeschäft den Rücken zu kehren?
Förster: Nein. Für mich war klar, dass es im Fußball weitergehen sollte. Ich habe dann Gott sei Dank einen Physiotherapeuten kennengelernt, der mir verdeutlicht hat, dass Fitness und harte Arbeit das A und O sind. Ich habe begonnen, mit ihm zu arbeiten und dann hat es bei mir Gott sei Dank Klick gemacht.
Inwiefern?
Förster: Ich habe mich bis dahin vielleicht zu viel auf mein Talent verlassen. Erst als ich gemerkt habe, dass es nicht mehr weiterging und der VfB irgendwann 'Halt, Stopp!' gesagt hat, wurde für mich klar, dass es nur mit harter Arbeit funktioniert. Das habe ich dann verinnerlicht. Und seitdem ging es auch wieder kontinuierlich nach oben. Ich bin zu Waldhof Mannheim gewechselt und habe dort meine Karriere in der Regionalliga begonnen. Ich bin sozusagen über den zweiten Bildungsweg Profi geworden.
Philipp Förster: Stationen als Profi
Zeit | Verein | Spiele | Tore | Assists |
2014 - 2017 | Waldhof Mannheim | 77 | 12 | 25 |
2017 | 1. FC Nürnberg II | 4 | 0 | 0 |
2017 - 2019 | SV Sandhausen | 65 | 10 | 8 |
seit 2019 | VfB Stuttgart | 57 | 6 | 7 |
VfB-Profi Philipp Förster: Extraschichten mit Tim Lobinger
Dass es ohne "harte Arbeit" nicht geht, würden wahrscheinlich alle Profis sagen. Wie sieht diese harte Arbeit bei Ihnen aus?
Förster: Ich mache regelmäßig zusätzlich zum Mannschaftstraining beim VfB Krafttraining und versuche einmal die Woche zu Tim Lobinger zum Personal Training zu fahren. Zweimal die Woche mache ich Yoga. Mit der Zeit versteht man, um was es geht, was wichtig ist und was einem gut tut. Fußball ist mein Beruf und dafür lebe ich.
Muss man als Profi heute Extraschichten einlegen?
Förster: Es gibt ja diesen Spruch, "mach immer ein bisschen mehr als die anderen". Da ist was dran. Wenn man viel in seinen Körper investiert - auch regenerativ - bekommt man viel zurück. Man ist auch nicht mehr so verletzungsanfällig.
Wie kam die Zusammenarbeit mit dem früheren Stabhochspringer und heutigen Personal Coach Tim Lobinger zustande?
Förster: Über Joshua Kimmich, der ihn schon sehr lange kennt. Ich arbeite seit ungefähr eineinhalb Jahren mit Tim Lobinger zusammen mittlerweile.
Mit Kimmich waren Sie gemeinsam im Jugendinternat des VfB Stuttgart. Trainieren Sie heute noch zusammen bei Lobinger?
Förster: In der Regel sind die Einheiten individuell. Es kam schon mal vor, dass Jo vor mir oder direkt nach mir dran war und wir uns dann gesehen haben, aber wir machen die Einheiten nicht zusammen.
imagoVfB zahlte Rekordablöse für Förster an SV Sandhausen
Woran arbeiten Sie mit Lobinger?
Förster: Hauptsächlich an meiner Beinkraft und Sprintschnelligkeit.
Was kann Tim Lobinger in München besser als ein Trainer in Stuttgart?
Förster: Es geht gar nicht darum, ob jemand etwas besser oder schlechter kann. Aber das Personal Training ist einfach individueller. Bei 25 Spielern im Kader ist es allein zeitlich nicht möglich, in dem Maße auf jeden Einzelnen und dessen Bedürfnisse einzugehen. Wenn du dich also in einem bestimmten Bereich verbessern willst, musst du schauen, dass du das individuell machst. Das liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen.
Als Sie noch Spieler des SV Sandhausen waren, wurden Sie in einem Entweder-Oder-Frageformat gefragt "VfB Stuttgart oder Waldhof Mannheim". Sie haben "Waldhof Mannheim" geantwortet.
Förster: (Lacht) Damals waren meine Erinnerung an das Aus beim VfB wahrscheinlich einfach noch zu frisch.
2019 holte der VfB Sie vom SV Sandhausen zurück und zahlte sogar 3 Millionen Euro Ablöse. Damit waren Sie damals der Rekordtransfer eines Sandhäusers. Haben Sie Genugtuung gespürt?
Förster: Es war einfach ein wunderschönes Gefühl, wieder zurück zu sein. Ich habe hier viele bekannte Gesichter von früher wiedergetroffen, was es für mich einfacher gemacht hat, mich wieder einzuleben. Es war wie nach Hause kommen.
Ist noch einer von den Trainern da, die Sie damals weggeschickt haben?
Förster: Nein. Aber "weggeschickt haben" halte ich als Begriff auch für übertrieben. Die Trainer waren damals der Meinung, dass es nicht reichen würde. Was zum damaligen Zeitpunkt ja wahrscheinlich auch die richtige Einschätzung war.
Sie wurden 2019 nicht von allen VfB-Fans gut aufgenommen. Wie haben Sie das empfunden?
Förster: Ich habe schon mitbekommen, dass es von einigen Seiten etwas kritischer gesehen wurde. Aber das war nichts, was mich belastet hätte. Ich versuche, jedes Wochenende mein Bestes zu geben, alles rauszuhauen und unsere Fans und Zuschauer mit Leistung zu überzeugen.
Worauf führen Sie den "Hass" der Leute zurück?
Förster: Das kann ich nicht genau sagen.
Ihr Trainer Pellegrino Matarazzo sagte einmal, dass es womöglich ein wenig am Verständnis für Ihre Stärken fehle. Wie würden Sie Ihre Stärken beschreiben?
Förster: Grundsätzlich ist es mir lieber, wenn das andere beurteilen. Aber ich denke, dass ich technisch gut bin und einen guten linken Fuß habe.
VfB Stuttgart: Jugendliche Obstschlachten mit Joshua Kimmich
Eigentlich Eigenschaften, die man auch als Fan von der Tribüne aus sehen könnte. Womöglich wollte Matarazzo darauf hinaus, dass sie gewisse Schwächen haben, die für alle ersichtlich sind, aber Ihre Stärken sich nicht auf den ersten Blick erschließen.
Förster: Vielleicht liegt es auch daran, dass ich relativ häufig zum Abschluss komme, aber den Ball zu selten im Tor unterbringe. Daran muss ich definitiv arbeiten.
Haben Sie sich schon mal eine Tormarke gesetzt?
Förster: Nein, aber dieses Jahr werde ich mir das vornehmen.
Wie viele Tore wollen Sie schießen?
Förster: Die genaue Zahl behalte ich erstmal für mich. In der vergangenen Saison sind mir drei Tore gelungen. Ein paar mehr dürfen es gerne sein.
Der VfB hat die vergangene Saison auf einem ordentlichen neunten Platz abgeschlossen, zwischenzeitlich sah es sogar so aus, als ob mehr hätte drin sein können. Was ist das Ziel diese Saison?
Förster: Wir wollen wieder die Klasse halten, das ist das Ziel und dafür wollen wir schnell die nötigen Punkte holen.
Und ein bisschen weniger aus dem Lehrbuch für Fußballprofis?
Förster: Das ist keine Floskel. Das zweite Jahr nach dem Aufstieg ist immer schwieriger als das erste. Daher sind wir gut beraten, demütig zu bleiben und uns nicht auszuruhen auf der letzten Saison.
Philipp Förster: "Der Schnauzer kommt wieder"
Sie sind dafür bekannt, mit verschiedenen Bartarten zu experimentieren. Als Sie einmal einen Schnauzbart trugen, meinten Sie, Jo Kimmich hätte ihnen dazu geraten.
Förster: Der Schnauzer kommt wieder! Es stimmt, ich mag es, zwischendurch andere Sachen zu machen. Sei es mit meiner Frisur oder eben mit meinem Bart.
Ist Kimmich ein besserer Modeberater oder ein besserer Freund?
Förster: (Lacht) Ein besserer Freund. Wobei es übertrieben wäre, unsere Freundschaft als besonders eng zu bezeichnen. Dafür sehen wir uns zu selten. Wir sind beide viel unterwegs, leben in unterschiedlichen Städten. Aber wir schreiben oft, tauschen uns aus.
Haben Sie eine Anekdote aus ihrer gemeinsamen Jugend auf Lager?
Förster: Wir haben natürlich sehr viel gemeinsam erlebt. Im Internat haben wir einmal eine Obstschlacht gemacht und da war Jo auch dabei. Und so klug wie er ist, hat er genau gewusst, wann er sich aus dem Staub macht. Wir anderen haben weitergemacht und wurden am Ende natürlich erwischt und haben richtigen Ärger bekommen. Jo hat immer genau gewusst, wann er sich aus dem Staub machen musste, um keinen Ärger zu bekommen. Vielleicht ist das auch ein Grund, wieso ich ein bisschen später durchgestartet bin als Profi (lacht). Aber im Ernst: Bei Jo passte schon als Jugendlicher alles. Er ist sehr ehrgeizig und bringt fußballerisch alle mit. Die Mischung bei ihm ist top.