BVB-Thesen nach Sieg über Mainz 05: Ein Sorgenkind weniger - Haaland und Bellingham als Fan-Flüsterer

Patrick Brandenburg
17. Oktober 202111:10
Erling Haaland hat gegen Mainz sein Comeback gegeben.imago images
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Erling Haaland und Antreiber Jude Bellingham profitieren ganz besonders von der Rückkehr der Fans ins Stadion. Zwei Akteure aus der zweiten BVB-Reihe nutzen ihre Chance und ein Sorgenkind ist möglicherweise gar keins mehr. Ein Abwehrspieler hätte mehr Spielanteile verdient. Drei Thesen zu Dortmunds Sieg über Mainz 05.

BVB-Star Haaland und Bellingham auf nächstem Level

Dortmunds Stürmerstar Erling Haaland gelingt zurzeit alles, nun ist er auch Fachmann für Deeskalation. Als nach Abpfiff der Partie gegen Mainz 05 ein Fan-Flitzer über den Rasen schoss und einige Ordner wohl Schweißperlen auf der Stirn bekamen, nahm Haaland den Eindringling einfach in den Arm, gab ihm sein Trikot und führte ihn persönlich Richtung Ausgang. Sicherheitsproblem gelöst. Wie zuvor das Projekt fünfter Heimsieg, auf das der Norweger mit dem Tor zum 3:1 den Deckel legte.

Haaland und die Fans, das ist eine besondere Beziehung. Mit der Rückkehr der großen Kulissen wird sie noch verstärkt. Zum ersten Mal seit Start der Pandemie durften gegen Mainz wieder gut 64.000 ins frühere Westfalenstadion. Wie kaum ein anderer Spieler versteht der Angreifer das Spiel mit den Emotionen. Haaland ist mit Eigenmotivation bereits üppig versorgt, so zieht er aber noch mehr Power für sich raus.

Wie vor dem Elfmeter zum 2:0, als die Südtribüne ihren Liebling schon beim Anlauf lautstark aufs Tor trieb. "Öööhrling" donnerte dann den Ball mit 108 km/h unbarmherzig in die Maschen. Oder nach seinem neunten Saisontreffer. Oder wie bei fast jedem Konter: Das ganze Stadion geht aus dem Sattel, sobald Haaland seine Attacken Richtung Tor fährt.

In dem 21-jährigen Ausnahme-Athleten schlummert auch ein Entertainer, der das Publikum liebt und von ihm lebt. Die BVB-Fans wiederum wissen genau, dass ihre Zeit mit diesem einmaligen Typen nur geborgt ist und überschütten ihren Star mit Zuneigung. Falls sich Haalands Abschied irgendwie verzögern ließe, dann vermutlich am ehesten über diese besondere Chemie.

Bellingham ein Kandidat als BVB-Kapitän der Zukunft

Ähnliches gilt auch für Jude Bellingham. Jeder Ballgewinn des erst 18-Jährigen wird von den Rängen gefeiert. Als zweikampfstarker Mittelfeldmotor treibt er das Spiel an. Aber genauso wichtig ist seine Rolle als emotionaler Leader. Wenn Bellingham etwa Mainz-Stürmer Karim Onisiwo an der eigenen Torauslinie fast zehn Sekunden lang in Schach hält, kocht das Stadion.

Im Gegensatz zu anderen Spielern wird Bellingham im Spielverlauf oftmals stärker - so als würden seine Batterien durch all die Scharmützel um den Ball und die Anfeuerungen erst aufgeladen. Als gäbe jeder abgerissene Kilometer einen Extra-Schub Energie.

Auch gegen Mainz begann er bedächtig, ehe er mit dem Pausenpfiff fast ein Tor erzielte und im zweiten Durchgang dann abermals aufdrehte: Er rettete den BVB vor einem frühen Gegentor. Das 3:1 tief in der Nachspielzeit resultierte allein aus seiner Balleroberung, seinem Spirit und seiner Übersicht.

Bellingham geht in der Rolle auf. Er motiviert die Mitspieler, pusht sogar die zweite Reihe. Das bemerkte kürzlich bereits Abwehrchef Mats Hummels, der Bellingham als "der reifste, seriöseste 18-Jährige, den ich je gesehen habe" adelte.

Und Tatsache: Der englische Nationalspieler steht fast immer auf dem Platz und interagiert ständig mit den Rängen. Es gehört nicht viel dazu, sich den Engländer in mittelbarer Zukunft mit Kapitänsbinde vorzustellen. Die Fans würden das sicher gerne sehen, zumal Bellingham ihnen eine Liebeserklärung schickte: "Es war mein erstes Spiel vor so vielen Fans und ich empfinde es als Privileg, für so einen großen Klub zu spielen."

BVB-Reservisten Can und Schulz sind nach Verletzungen wichtig

Ein Kandidat dafür, Bellingham mal zu entlasten, ist Emre Can. Als Mittelfeld-Abräumer stand der Allrounder nun gegen Mainz neben Bellingham aber sogar in der Startelf - erstmals überhaupt diese Saison.

"Er ist ein wichtiger Faktor für uns, für ihn geht es jetzt erst richtig los", hatte Trainer Rose kürzlich über den Nationalspieler gesagt. Can hatte große Teile der bisherigen Saison mit einer Muskelverletzung verpasst und gab erst kurz vor der Länderspielpause sein Comeback.

Dass er wochenlang fehlte, fiel gegen die Rheinhessen kaum auf. Im Gegenteil: Mit 16 Balleroberungen hatte der robuste Can großen Anteil am Dortmunder Übergewicht. 70 Prozent gewonnene Zweikämpfe sprechen außerdem eine deutliche Sprache. Der 27-Jährige sammelte wertvolle 85 Minuten Einsatzzeit und war ein stiller Matchwinner. Angesichts des immer wiederkehrenden Dortmunder Verletzungspechs wird Can in eben jener Mainz-Form dringend gebraucht.

Das gilt auch für Nico Schulz, der sich vom großen Transfer-Flop zum wichtigen Backup gemausert hat. Im Nachhinein war es für den BVB ein Glücksfall, dass sich im Sommer kein Käufer für den Streichkandidaten gefunden hat. Denn nach dem Ausfall von Raphael Guerreiro ist Dortmund auf der linken Abwehrseite bis auf Schulz blank. Der Außenverteidiger kann nun Eigenwerbung betreiben, dank des Champions-League-Spiels bei Ajax Amsterdam sogar auf internationaler Bühne.

Schon bei Guerreiros Ausfall zu Saisonbeginn fungierte der 25-Millionen-Einkauf von 2019 als Ersatz und hatte seine Sache trotz spielerischer Limitierung ordentlich gemacht. Im Supercup gegen den FC Bayern honorierten sogar die ihm gegenüber nach zwei schwachen Spielzeiten kritisch eingestellten Fans das Bemühen mit "Schuuuulz"-Rufen. Gegen Mainz spielte das BVB-Sorgenkind, das offensichtlich gar keines mehr ist, ebenfalls gut mit und sammtelte am Ende gar 121 Ballkontakte - Bestwert auf Seiten des BVB.

Schulz braucht Selbstvertrauen und bekommt vom Klub dafür alle Unterstützung. Trainer Rose wies im Sommer bereits auf die Qualitäten seines Schützlings hin und honorierte zuletzt den Trainingseinsatz, nachdem Schulz mit einem Faserriss einige Wochen gefehlt hatte.

Ein Sonderlob gab es von Sebastian Kehl: "Nico hat eine positive Entwicklung genommen", sagte der Sportdirektor in spe den Ruhr Nachrichten. "Er hat gezeigt, dass er sich viel vorgenommen hat."

Plötzlich wieder wichtig: Nico Schulz und Emre Can gaben überzeugende Comebacks nach ihren langfristigen Muskelverletzungen.imago images

BVB-Innenverteidiger Pongracic hätte mehr Spielzeit verdient

Verletzungspech und Belastungssteuerung sind DIE Themen in Dortmund, schon seit Saisonstart. Umso weniger verständlich ist die Tatsache, dass der BVB nicht viel exzessiver rotiert. So gab Trainer Rose nach dem Sieg über Augsburg zu, dass Mats Hummels fast ohne Vorbereitung, dafür mit Schmerzen im Knie ins Spiel ging. Gegen Mainz biss der Abwehrchef erneut auf die Zähne und hielt lange durch.

Dabei hat der BVB in Marin Pongracic einen mehr als soliden Ersatz, das deutete er bereits bei seinem starken Startelf-Debüt gegen Bayer Leverkusen an (4:3). Der kroatische Nationalspieler kommt wettbewerbsübergreifend bislang aber erst auf 197 Spielminuten. Obwohl er spät zum Team stieß und kaum Zeit zur Eingewöhnung hatte, erledigte er seine Arbeit meist souverän - so auch in der Schlussphase gegen Mainz.

Pongracic wäre durchaus in der Lage, Hummels oder dem ebenso stark beanspruchten Manuel Akanji eine Erholungspause zu verschaffen, ohne dass die Defensive auseinanderzufallen droht. Spätestens nach dem Champions-League-Spiel gegen Ajax am Dienstag bieten sich für Pongracic einige Gelegenheiten, auf mehr Spielzeit zu kommen, denn dann trifft der BVB in der Liga auf Bielefeld und Köln sowie im DFB-Pokal auf Zweitligist Ingolstadt.

BVB-Spielplan in den kommenden Wochen

DatumAnpfiffWettbewerbGegnerOrt
19.10.21 UhrChampions LeagueAjax AmsterdamAmsterdam
23.10.15.30 UhrBundesligaArminia BielefeldBielefeld
26.10.20 UhrDFB-PokalFC IngolstadtDortmund
30.10.15.30 UhrBundesliga1. FC KölnDortmund