Coach Holger Fischer im Interview: "Gregor Kobel ist ein unglaublich intelligenter und hochsensibler Mensch"

Holger Fischer arbeitet als Coach unter anderem mit BVB-Keeper Gregor Kobel zusammen.
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Das Thema Umgang mit der Öffentlichkeit ist auch ein großes, was Karrieren killen kann. Thomas Strunz erzählt im Buch, dass Sie ihn wieder neu zusammenbauen mussten, als er am Boden lag. Was war der Hintergrund?

Fischer: Thomas ist ein gutes Beispiel dafür, wie das Thema Öffentlichkeit unterschätzt wird. Er war nicht darauf vorbereitet, als Fußballer so im Rampenlicht zu stehen und hat einen hohen Preis dafür bezahlt - zum Beispiel durch schwere Verletzungen. Wir dürfen nicht vergessen, dass Fußballer während ihrer Karriere die ganze Zeit eine Rolle spielen. Sie müssen eine Rolle spielen. Welcher Spieler stellt sich denn vor eine Kamera und sagt: Mein Mitspieler ist so schlecht und der Trainer ist übrigens auch eine Pfeife. Das macht ja keiner.

Sie schreiben von den fünf Bs einer Karriere. Worum geht es da?

Fischer: Man kann an den Reaktionen von außen die verschiedenen Etappen einer Karriere erkennen. Zuerst wirst du belächelt. Wie bitte? Du willst Profisportler werden? Na dann viel Glück. Wenn du das dann schaffst, wirst du bekämpft. Dann hast du Konkurrenten. In jedem Fußballteam will einer deinen Platz. Er will dich verdrängen. Wenn du da durchkommst, wirst du beneidet. Zwischen Stufe zwei und drei bleiben die meisten hängen. Sie werden abwechselnd bekämpft und beneidet, bekommen Druck von oben und unten gleichzeitig, schaffen es aber nicht weiter. Viele halten das auch nicht aus. Da trennt sich die Spreu vom Weizen. Die vierte Stufe wäre dann, respektiert und vielleicht auch bewundert zu werden. Dann hast du am Ende die Chance, zu bewegen und zu bestimmen. Das kommt nicht mehr von außen, sondern aus dir selbst. Das ist die absolute Weltklasse. Das sind so Menschen wie Ronaldo oder Elon Musk. Jeder Satz von ihnen kann ein Erdbeben auslösen.

Ein Bild, das Sie im Buch malen, ist der Karrierebahnhof. Warum ist er so wichtig?

Fischer: Ich arbeite sehr gerne mit sprachlichen Bildern. Der Karrierebahnhof, den man auch als Lebensbahnhof bezeichnen könnte, ist dafür sehr gut geeignet. Das Wichtigste ist dabei die Erkenntnis, dass wir immer und überall eine Wahl haben im Leben. Gerade im Sport höre ich es oft, dass geglaubt wird, man hätte keine Wahl. Das stimmt nicht. Wir haben immer die Wahl, in welchen Zug wir einsteigen. Immer wieder stehen wir an Bahnhöfen, es kommen die unterschiedlichsten Züge vorbei und wir entscheiden, in welchen wir einsteigen. Vielleicht lassen wir auch mal einen Zug vorbeifahren, oder wir müssen mit einem Zug eine Strecke zurück fahren, weil wir feststellen, in den falschen Zug eingestiegen zu sein. Viele Sportler, das gilt aber auch für uns alle, steigen irgendwann in den Zug ein, auf dem "Zweifel" steht. Immer wieder in einer Karriere. Im besten Fall schaffen wir es, irgendwann diesen Zug vorbeiziehen zu lassen und lieber in den Zug "Vertrauen" einzusteigen.

Das Kapitel mit dem Karrierebahnhof hat oben drüber einen Spruch von Hansi Flick. "Der Erfolg ist kein Besitz, er ist nur gemietet, und die Miete wird jeden Tag fällig." Warum haben Sie das Zitat ins Buch genommen?

Fischer: Ich finde diesen Spruch sensationell und würde nur zu gerne wissen, wo er ihn herhat. Er ist unglaublich treffend. Er beschreibt genau das, worüber wir vorhin schon gesprochen haben. Im Erfolg werden die schlimmsten Fehler gemacht. Wenn ein 18-Jähriger zwei Tore gegen Bayern macht, ist er danach oftmals erst mal ein anderer Mensch. Wie soll so jemand damit klarkommen? Das ist brandgefährlich. Wie viele Sportler spielen eine unfassbar starke Saison und sind in der nächsten plötzlich weg vom Fenster. Entweder sie können es nicht bestätigen oder sie verletzten sich. Du hast diese Angst, dass ich das, was ich erreicht habe, wieder verliere. Und dann entsteht durch Erfolg natürlich auch Gier. Wenn ich ein Unterbewusstsein von 2000 Euro habe, dann aber 200.000 Euro im Monat verdiene, ist das ein Problem. Gier frisst Hirn auf. Und diese Gier spielt dann mit der Angst Ping-Pong. Es gibt so viele Speichen im Erfolgsrad, wenn eine davon mal angeknackst ist, geht es noch, aber spätestens bei der dritten eiert das Rad und irgendwann bricht es dann zusammen.

Holger Fischer arbeitet als Coach unter anderem mit BVB-Keeper Gregor Kobel zusammen.
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Holger Fischer arbeitet als Coach unter anderem mit BVB-Keeper Gregor Kobel zusammen.

Fischer: "Viele Spieler sind freiwillige oder gemachte Opfer"

Sie haben insgesamt 12 Speichen des Erfolgsrades definiert. Eine davon heißt: Vorgesetzte und Trainer.

Fischer: Und ich sage provokant: Viele Spieler sind freiwillige oder gemachte Opfer. Das hört sich hart an, aber manchmal muss man es hart ausdrücken, um einen Prozess des Nachdenkens anzuregen. Wenn ich auf der Bank sitze und nicht spiele, ist doch völlig klar, wer der Schuldige ist: der Trainer. Und die Spieler bekommen das ja auch aus ihrem Umfeld suggeriert. Der Trainer ist blöd, der Verein ist schlecht, an dir liegt es sicher nicht. Es liegt an jedem Einzelnen, aus dieser Opferrolle herauszukommen. Es liegt aber auch an den Chefs, oder im Fußball den Trainern, offen und ehrlich zu kommunizieren. Trainer können Karrierekiller sein. Hansi Flick ist das Paradebeispiel für einen Karriereförderer. Deshalb ist er auch so erfolgreich. Er nimmt die Spieler mit und jeder weiß immer, wo er bei ihm steht. Ich hatte einmal ein paar Spieler bei mir, die unter Jose Mourinho bei Inter gespielt haben. Diese Spieler wären für Mourinho durchs Feuer gegangen - sogar die Ersatzspieler! Das ist die große Kunst eines Trainers.

Eine weitere Speiche sind Kollegen und Mitspieler.

Fischer: Rein statistisch betrachtet ist es so: Wenn du in einen Raum, oder sagen wir in eine Kabine kommst als Spieler, in der zehn Menschen sitzen, dann werden dich immer zwei super finden, egal was du sagst oder tust. Zwei werden dich ablehnen, den anderen sechs bist du egal. Das zeigt schon, welche Kunst es auch ist, einen Kader zusammenzustellen, der eine gute Mischung hat aus verschiedenen Persönlichkeiten. Einer der größten Fehler im Fußball ist es, wenn ein Trainer den Kapitän bestimmt oder generell künstlich eine Hierarchie aufbauen will. Eine Hierarchie kannst du nicht vorgeben. Wenn du in eine Kabine reinkommst, wirst du immer eine natürliche Hierarchie spüren. Und wenn du das nicht spürst, dann weißt du eh sofort, dass du falsch eingekauft hast. Das war von außen betrachtet ja übrigens auch eine große Stärke von Hansi Flick, das zu erkennen und diese Hierarchie einfach Eins-zu-eins auf den Platz zu bringen.

Abschließend: Ihr Buch soll Wege aufzeigen, um Karrierekiller zu vermeiden. Was ist das Wichtigste, was jeder Sportler bzw. jeder von uns beherzigen sollte?

Fischer: Der Mensch ist leider von Natur aus sehr träge. Wir reagieren nur auf Schmerz oder durch Selbstreflexion - die aber auch meistens schmerzhaft ist. Ich würde mir einfach wünschen, dass das Thema Weiterentwicklung für jeden Einzelnen einen immer höheren Stellenwert bekommt. Wir sind alle bisweilen betriebsblind und brauchen Menschen, die uns Feedback geben. Im Sport kommt das leider immer noch oftmals so rüber, als ob jemand einen an der Murmel hat. Oder mental schwach ist. Das ist aber Quatsch. Es geht um Persönlichkeitsentwicklung. Für den 100-Millionen-Stürmer genauso wie für Sie oder mich. Wir müssen dahin kommen, dass das für jeden ein ganz normales Thema wird.

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