VfB Stuttgart und die Gefahr des Erfolgs: Zukunft auf wackeligen Beinen?

Von Tim Ursinus
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Der VfB Stuttgart ist zweifellos die Überraschungsmannschaft der laufenden Spielzeit. Doch so eine Erfolgswelle bringt für verhältnismäßig finanzschwache Vereine bekanntlich ihre Gefahren mit. Auf die Schwaben wartet eine äußerst spannende Zukunft.

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Acht Siege, 24 Punkte, ein Torverhältnis von 29:14 und Platz drei nach elf Spieltagen: Hört ein Verein nicht gerade auf den Namen FC Bayern München, hätte diese Bilanz wohl jeder Bundesligist vor der Saison unterschrieben. Dass diese Zahlen auf den VfB Stuttgart zutreffen, hätte wohl selbst bei Winamax niemand gewettet.

Seitdem die Schwaben in der vorherigen Spielzeit dem Abstieg (mal wieder) nur knapp von der Schippe gesprungen waren, zeigt der Kader aber endlich das, von dem der geneigte Fußballexperte schon mehrfach in der Vergangenheit gesprochen hatte. Der Tenor: Mit diesem Kader hast du im Tabellenkeller eigentlich nichts zu suchen.

Das "eigentlich" schaffte Trainer Sebastian Hoeneß nach bereits guten Ansätzen in der Vorsaison nun zu streichen. Der VfB spielt den vielleicht ansehnlichsten Fußball seit der letzten Meisterschaft 2007. Der Höhepunkt war der beeindruckende Auftritt gegen den BVB (2:1) vor der Länderspielpause, als hinterher sogar von einem Klassenunterschied zugunsten der Stuttgarter die Rede war.

"Ich bin sehr stolz auf meine Truppe", sagte Hoeneß nach dem Spiel. Die Frage ist nur, wie lange er mit jener noch zusammenarbeiten kann. Grund für etwaige Zweifel liefern allerhand frühere Beispiele und ein genauer Blick auf die Kadersituation.

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VfB Stuttgart droht Ausverkauf: Kaum Geld für Guirassy?

Es bedarf keinem weitreichenden Rückblick bei der Suche nach Vereinen ohne große finanzielle Mittel, die nach erfolgreichen Saisons in der Bundesliga gleich mehrere Leistungsträger verloren haben. In erster Linie wären da beispielsweise Eintracht Frankfurt nach dem Triumph in der Europa League oder der SC Freiburg zu nennen.

Das gleiche Schicksal könnte auch dem VfB blühen. Allen voran Torgarant Serhou Guirassy, der in lediglich zehn Pflichtspielen 16-mal erfolgreich war, dürfte nur schwer zu halten sein. Der 27-Jährige kann Stuttgart dank einer Ausstiegsklausel angeblich schon im Winter für 17,5 Millionen Euro verlassen. Sie war eine Bedingung für seine Vertragsunterschrift im Sommer, als der Klub vom Neckar die Kaufoption für ihn zog.

Zwar ist es durchaus denkbar, dass Guirassy die Saison beim VfB beendet, doch mehrere Topklubs sollen bereits Schlange stehen. Genannt werden finanzstarke Klubs aus der Premier League wie Newcastle United oder die AC Milan aus Italien. Hält er seine Form auch nur ansatzweise und zieht sich keine weitere Verletzung zu, scheint spätestens im Sommer ein Verkauf nicht zu verhindern zu sein. Daran dürfte auch die mögliche Qualifikation für das internationale Geschäft nicht viel ändern, wozu ohnehin noch ein langer Weg zu gehen ist.

Durch die im Verhältnis zu Guirassys unfassbarer Torbilanz niedrige Ausstiegsklausel würde wohl auch kaum finanzieller Spielraum für neue Spieler oder auslaufende Verträge hinzukommen. Zumal das millionenschwere Invest von Porsche vorrangig nicht in die Kader-Zusammenstellung fließen soll.

Chris Führich
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VfB Stuttgart: Zukunft steht auf wackeligen Beinen

Ein weiterer schmerzhafter Abgang, der abzusehen ist, stellt Alexander Nübel dar. Die Nummer eins wird nach dem Ende seiner Leihe vorerst zum FC Bayern München zurückkehren. Dort hat er angesichts der Rückkehr von Manuel Neuer zwar weiterhin keine Perspektive, doch der 27-Jährige hat sich längst für höhere Aufgaben empfohlen.

Sein Vertrag beim deutschen Rekordmeister läuft noch bis 2025. Denkbar also, dass die Münchner im Sommer die letzte Chance wahrnehmen, um für Nübel eine Ablöse zu generieren. Ob diese für den VfB stemmbar wäre, ist nur schwer vorstellbar. Schließlich war schon kaum Geld da, um die Leihgebühr in Höhe von einer Million Euro zu bewältigen. Zudem soll Nübel auf die Hälfte seines Gehalts verzichtet haben.

Mit Deniz Undav, der Guirassy nach dessem wochenlangen Ausfall mit vorzeigbaren Leistungen ordentlich vertrat und schon auf sechs Tore kommt, ist die Zukunft eines weiteren Leihspielers ungeklärt. Die Kaufoption für den 27-Jährigen soll sich auf über zwölf Millionen Euro belaufen. Auch für die ebenfalls geliehenen Anthony Rouault (zehn Millionen), Leonidas Stergiou und Jamie Leweling (beide drei Millionen) müsste bei einer Verpflichtung Geld in die Hand genommen werden.

Darüber hinaus laufen die Verträge der Stammspieler Pascal Stenzel (2024), Waldemar Anton, Enzo Millot und Chris Führich (jeweils 2025) schon bald aus. Gerade letztere beiden haben die Aufmerksamkeit von Klubs auf sich gezogen, die mindestens ein Regal über den Schwaben anzusiedeln sind. Führich ist sogar zum Nationalspieler aufgestiegen.

Deutlich wird: Die Zukunft des VfB steht auf wackeligen Beinen.

Alexander Wehrle, VfB Stuttgart, Bundesliga
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VfB Stuttgart: Die auslaufenden Verträge 2024 und 2025

  • Leihspieler wurden nicht berücksichtigt
Vertrag bisSpieler (Position)
2024Fabian Bredlow (Tor)
2024Florian Schock (Tor)
2024Pascal Stenzel (Abwehr)
2024Roberto Massimo (Abwehr/Mittelfeld)
2024Genki Haraguchi (Mittelfeld)
2024Lilian Egloff (Mittelfeld)
2025Waldemar Anton (Abwehr)
2025Nikolas Nartey (Mittelfeld)
2025Enzo Millot (Mittelfeld)
2025Chris Führich (Angriff)
2025Thomas Kastanaras (Angriff)

VfB Stuttgart: Wehrle und Wohlgemuth müssen liefern

Die Verantwortlichen um Vorstandschef Alexander Wehrle und Sportdirektor Fabian Wohlgemuth haben also schon jetzt alle Hände voll zu tun, um den Entwicklungsplan von Hoeneß zumindest nicht komplett auf Null zurückzusetzen.

Hoffnung macht derweil die durchaus vielversprechende Nachwuchsarbeit. In Dennis Seimen hat der VfB eines der größten Torhüter-Talente in seinen Reihen. Dem 17-Jährigen wird zugetraut, auf lange Sicht die Nummer eins zu werden. Auch Mittelfeldspieler Laurin Ulrich wird eine große Zukunft vorausgesagt.

Außerdem hat sich Neuzugang Angelo Stiller bereits als verlängerter Arm von Hoeneß in der Zentrale bewiesen. Der Mittelfeldspieler ist bis 2027 an den Verein gebunden. Bei Josha Vagnoman, Silas, Atakan Karazor und Dan-Axel Zagadou herrscht ebenfalls noch kein großer Handlungsbedarf (Verträge bis 2026).

VfB Stuttgart, Sven Mislintat
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VfB Stuttgart zehrt noch von Sven Mislintat

Hervorzuheben ist auch die Tatsache, dass mit Wataru Endo (FC Liverpool), Konstantinos Mavropanos (West Ham United) und Borna Sosa (Ajax Amsterdam) vor dieser Spielzeit bereits drei absolute Leistungsträger den Verein verlassen haben - und das offensichtlich kompensiert wurde. Das darf sich jedoch hauptsächlich Hoeneß auf die Fahne schreiben.

Abgesehen von Stiller wurde keiner der genannten Spieler auf ähnlichem Niveau ersetzt. Ohnehin müssen sich Wehrle und Wohlgemuth den Vorwurf gefallen lassen, dass neben dem ehemaligen Hoffenheimer und Nübel kein derzeitiger Startspieler aus deren Feder stammt. Ein Großteil des Stammkaders geht auf die Arbeit von Ex-Sportdirektor Sven Mislintat zurück.

Jetzt gilt es für das Führungsduo, den Verein deutlich nachhaltiger aufzustellen und immerhin mit Spielern wie Führich oder Millot zu verlängern. Denn wer weiß, wie lange der VfB noch auf seiner Erfolgswelle schwimmt.

VfB Stuttgart: Restprogramm in der Hinrunde

DatumWettbewerbGegner
25. November, 18.30 UhrBundesligaEintracht Frankfurt (A)
2. Dezember, 18.30 UhrBundesligaWerder Bremen (H)
6. Dezember, 20.45 UhrDFB-PokalBorussia Dortmund (H)
10. Dezember, 15.30 UhrBundesligaBayer Leverkusen (H)
17. Dezember, 19.30 UhrBundesligaFC Bayern München (A)
20. Dezember, 20.30 UhrBundesligaFC Augsburg (H)
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