Eigentlich sollte Robin Gosens bei Union Berlin bleiben - und gegen den St. Pauli spielen. Eigentlich.
Es war Freitag, kurz nach 16 Uhr, als Robin Gosens die Fußball-Welt in Berlin-Köpenick für einen Moment aus den Angeln hob. Eigentlich war mitterweile klar, dass der Nationalspieler trotz aller Wechsel-Gerüchte bei Union Berlin bleiben werde. Eigentlich. Denn nur wenige Stunden vor Schluss des Transferfensters - und dem Heimauftakt gegen den FC St. Pauli - flatterte eine Nachricht aus Italien herein. Und plötzlich war alles anders.
Mit einem Mal war Gosens weg, verliehen an die AC Florenz - laut Medienberichten mit Kaufpflicht. Und das, obwohl ihn Trainer Bo Svensson fest für die Startelf gegen St. Pauli vorgesehen hatte. In der Mannschaft sorgte der Zeitpunkt des Deals für Unmut. "Da muss ich ehrlich sagen, das ist eine Katastrophe. Da sollten sich die schlauen Menschen mal Gedanken drüber machen, dass wir zwar Fußballspieler, aber auch Menschen sind", sagte Rani Khedira nach dem 1:0 (1:0) gegen St. Pauli bei DAZN.
Angefressen berichtete der Mittelfeldspieler, dass Gosens "fast schon mit Tränen in den Augen da stand und völlig aufgelöst war", sagte Khedira: "Beim Mittagessen war es klar, dass er bei uns bleibt, dass er spielt. Und zwei Stunden später, nach seinem Mittagsschlaf, kommt dann die Nachricht, dass es dann doch so aufgeht." In Sachen Transferschluss forderte er: "Entweder man macht es nach dem Spieltag oder ganz klar noch vor dem Spieltag, aber nicht am Spieltag selbst."
Denn nun musste Svensson rasch umplanen, den erst 19 Jahre alten Tom Rothe auf die Gosens-Position stellen. "Man bereitet sich vor, will so und so spielen, man denkt, dass so der Kader aussieht. Und innerhalb weniger Minuten ändert sich das", sagte der Däne bei DAZN. Wie es zu dieser Kuriosität, einer weiteren in der Geschichte des "Deadline Days", kommen konnte, erklärte Unions Sport-Geschäftführer Horst Heldt - und das klang ein wenig anders als bei Khedira.
Demnach habe Gosens am Freitagmorgen noch trainiert, alles war bereit für einen Einsatz gegen St. Pauli. Die Mannschaft war gerade dabei, die Zuteilung für die Standardsituationen gegen die Paulianer zu besprechen, als es heiß wurde mit der Fiorentina. Schon in den Wochen zuvor hatte Gosens seinen Wechselwunsch mitgeteilt. Immer wieder wurden Klubs aus Italien gehandelt, wo Gosens bereits für Atalanta Bergamo und Inter Mailand gespielt hatte.
Nachdem es mit bisherigen Interessenten aber nie so richtig gepasst hatte, sei Gosens, so Heldt, nach der Anfrage aus Florenz auf ihn und Svensson zugekommen und habe bekundet, "dass er das gerne machen möchte." Letztlich gebe es für den Abgang "keine sportlichen, sondern private Gründe." Also ließ Heldt ihn ziehen. Union brauche Spieler, "die voll und ganz alles für Union geben", so Heldt weiter: "Und damit einer für Union alles geben kann, müssen auch alle in seinem Umfeld sich mit der Sache identifizieren."
Gosens selbst hat dies in diesem einen schwierigen Jahr in Berlin, das fast mit dem Abstieg geendet war und ihn die Heim-EM kostete, stets getan - wie er auch in der Pressemitteilung zu seinem Abschied bekundete. Er habe bei Union "Freunde gefunden, mir meinen Traum von der Bundesliga erfüllen können und bin den Fans, den Mitarbeitern, dem Trainerteam und meinen Mannschaftskollegen und Freunden dankbar", sagte Gosens, der all diese Personen "immer positiv in Erinnerung behalten" werde.