Der Blutdruck stand am Freitag noch bei 120 zu 70, der Ruhepuls lag bei 60. Doch am Montag schossen die Werte bei Jupp Heynckes gleich wieder ordentlich in die Höhe. Voller Tatendrang, Adrenalin und Optimismus ist der 72-Jährige um 11.31 Uhr nach über vier Jahren im Ruhestand auf die große Fußball-Bühne zurückgekehrt.
Dass er der schwierigen Mission bei Bayern München wegen seines fortgeschrittenen Alters nicht gewachsen sein könnte, schloss der rüstige "Rentner" bei seiner Vorstellung in der Allianz Arena vehement aus. "Andere sind mit 45 schon alt, andere mit 70 noch jung. Dazu zähle ich mich. Ich bin körperlich fit, der Geist macht mit", betonte Heynckes. Dies habe ihm sein Internist erst vor wenigen Tagen bestätigt.
Nachdem er nach dem Triple-Triumph 2013 die Zeit mit seiner Frau Iris und die Spaziergänge mit Hund Cando genossen hatte, hat Heynckes die Lust am Fußball wieder gepackt. Die Lust daran, einen FC Bayern aus der (Sinn)Krise wieder in die Erfolgsspur zu führen.
Heynckes steht vor 1012. Bundesliga-Spiel
"Ich hatte mich total zurückgezogen. Ich habe auch nichts vermisst. Aber die Aufgabe reizt mich und freut mich inzwischen auch, weil ich eigentlich nicht mehr wollte", sagte er über seinen "Freundschaftsdienst" für Präsident Uli Hoeneß.
Doch wer ab Samstag (15.30 Uhr im Liveticker) beim Heimspiel gegen den SC Freiburg jetzt den gesetzten Trainer-Opa Heynckes auf der Bayern-Bank erwartet, dürfte sich getäuscht haben. Heynckes fürchtet vor seinem 1012. (!) Einsatz als Spieler oder Trainer in der Bundesliga zwar nicht um seinen legendären Ruf ("Es geht nicht um mich, ich habe keine persönlichen Ambitionen."), er hat aber auch nicht vor, diesen vorzüglichen Ruf beschädigen zu lassen.
Heynckes "weiß, wie der Fußball funktioniert"
"Ich habe einen ganz klaren Plan und weiß, wie ich das anpacken muss", unterstrich er wiederholt. Seine Aufgabe sei es, "die Situation zu entkrampfen, zu entschleunigen, zu beruhigen. Ich bin zuversichtlich, dass die Mannschaft, die Klasse hat, wieder ein anderes Gesicht zeigen wird. Ich bin überzeugt, dass mir das gelingen wird." Auch wenn es viele Skeptiker gebe, die sagen würden, "dass ich vier Jahre raus bin: Ich weiß, wie der Fußball funktioniert und wo ich ansetzen muss."
Bei den Bayern sei es nach dem schlechten Saisonstart nun vorrangig, so Heynckes weiter, "eine Mannschaft zu formen, die wirklich zusammenspielt und zusammenarbeitet." Neun Spieler kennt er noch aus der Triple-Saison bestens.
Es sei zudem "wichtig, eine ganz klare Hierarchie zu installieren und den Spielern das Vertrauen in ihre Möglichkeiten zu geben". Als Spitze gegen den entlassenen Carlo Ancelotti wollte er dies ausdrücklich nicht verstanden wissen.
Hoeneß und Rummenigge demonstrieren Einigkeit
Im Gegensatz zum Italiener genießt Heynckes immerhin die volle Rückendeckung der Verantwortlichen. Präsident Uli Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge sprachen in zuletzt seltener Einigkeit von der "idealen Lösung" in der aktuell schwierigen Lage und gelobten im Zuge der Vorstellung sogar, ihre Dissonanzen beizulegen.
"Wir werden auch in unserer Zusammenarbeit ein neues Kapitel aufschlagen, das kann dem FC Bayern nur gut tun", sagte Hoeneß. Man habe von außen betrachtet durchaus "zum Entschluss kommen können, dass es Unebenheiten gegeben hat. Das kam in den letzten zehn Jahren immer wieder vor. Jetzt wurde es aber zu sehr in der Öffentlichkeit ausgetragen, den Schuh ziehe ich mir an", räumte der Präsident ein.
Deshalb gab es von den beiden Bossen am Montag auch keinerlei Einlassungen zu den vielen Gerüchten (Nagelsmann, Tuchel, Löw), wie es im Sommer 2018 weitergehen soll. Nur eines könne er klar sagen, so Rummenigge, "dass wir 2017 nicht verkünden werden, was am 1.7.2018 passiert. Da werden wir uns viel Zeit lassen." Die Personalie Heynckes gebe dem FC Bayern, ergänzte Hoeneß, "die Zeit, in aller Ruhe die Baustellen zu befrieden".