Der FC Bayern hat das Werben um Thomas Tuchel verloren, der ehemalige Trainer des BVB wird wohl den FC Arsenal oder Paris Saint-Germain übernehmen. Für die Münchner ist das ein empfindlicher wie vermeidbarer Rückschlag, der den Rekordmeister in eine gefährliche Lage bringt.
Wenn Interna aus dem Innenleben eines Vereins an die Öffentlichkeit geraten, ist es freilich nie verkehrt, deren Echtheit zu hinterfragen. Wenn es aber stimmt, was über den vergangenen Freitag beim FC Bayern aktuell durch die Medien geistert, dann hat sich die Chefetage des Rekordmeisters ordentlich verzockt.
Die Süddeutsche Zeitung schreibt von einer Telefonkonferenz, die an eben diesem Freitag eher hektisch als gemütlich anberaumt worden war. Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Hasan Salihamidzic hatten sich mit Thomas Tuchel in Verbindung gesetzt. Jenem Tuchel, der die Großkopferten der Münchner am Vortrag darüber in Kenntnis gesetzt hatte, einen Topklub zu übernehmen. Einen Topklub, der nicht Bayern München heißt.
Es half wenig, dass die Bayern Tuchel ad hoc und persönlich dann doch noch zum Wunschkandidaten ausriefen. Denn während es bis zu diesem Telefonat kein konkretes Angebot an den 44-Jährigen gab, wartete dieser nicht monatelang auf Lebenszeichen der Münchner. Dem kicker zufolge verhandelte Tuchel mit Paris Saint-Germain und dem FC Arsenal. Und wird einen der beiden Vereine im Sommer übernehmen.
Uli Hoeneß hielt zu lange an Jupp Heynckes fest
Die Reaktion der Münchner Chefetage zeigt, wie empfindlich die Bayern diese Absage trifft.
Es ist nurmehr ein offenes Geheimnis, dass es Uli Hoeneß war, der einen tatsächlichen Vorstoß beim ehemaligen Dortmund-Trainer lange blockierte. Der Zweifel hatte am als schwierig geltenden Taktiker und lieber Luftschlösser baute um ein weiteres Jahr mit seinem guten Freund Jupp Heynckes an der Seitenlinie. Dass sich der FC Bayern unter dem 72-Jährigen "auf einer Wolke" befindet war nur eine von zahlreichen, oft fast schon dreisten Umschmeichelungen, an deren Ende sich der Präsident das einhandelte, was Heynckes wiederum seit seiner Amtswiederübernahme angekündigt hatte: ein 'Nein'.
Die Bayern stehen jetzt, da die Saison bestenfalls beinahe auf den Tag genau noch zwei Monate läuft, wieder am Anfang der Trainersuche. Einem gefährlichen Anfang. Denn die Pläne A und B - Heynckes und Tuchel oder Tuchel und Heynckes, je nach dem, wen aus der Führungsriege der Münchner man danach fragen würde - sind vom Tisch. Der neue Mann im Sommer wird die C-Lösung sein.
Nun ist es natürlich nicht ausgeschlossen, dass auch Plan C den bevorstehenden Umbruch moderieren und die Mannschaft erfolgreich führen kann. So eine dritte Wahl beim FC Bayern wird immer noch ein Trainer sein, den sich mit der Ausnahme einer Hand voll Klubs beinahe jeder Verein wünschen würde. Der Druck auf den neuen Mann wäre allerdings unverändert immens. Denn: Ein weiteres verschenktes Jahr kann sich der FC Bayern nicht leisten.
gettyJupp Heynckes macht Carlo Ancelottis Job
Nach dem Abschied von Pep Guardiola 2016 entschied man sich an der Isar zur Entschleunigung. Carlo Ancelotti sollte das Level dieser Weltmannschaft konservieren, sie durch seine Erfahrung endlich zum richtigen Zeitpunkt der Saison auf Topniveau bringen und den letzten Schritt in der Königsklasse gehen, an dem Guardiola drei Jahre in Folge gescheitert war.
Ancelotti war eine auf den ersten Blick logische Wahl - scheiterte aber krachend. Sein Laissez-faire kam bei der auf Perfektionismus getrimmten Mannschaft nicht an. Ancelotti ließ das Team taktisch verkommen und überwarf sich mit den Führungsspielern. Ein riesiges Missverständnis war das alles. Unerwartet, aber von Anfang an.
Mit dem reaktivierten Heynckes bekam die Mannschaft im Oktober wieder die gewünscht strenge und ordnende Hand, was Taktik und Hierarchie angeht. 29 Spiele haben die Bayern seither gespielt, nur dreimal haben sie nicht gewonnen. Die Ergebnisse stimmen, die sechste Meisterschaft ist seit Wochen nur noch Formsache.
Die Bayerntrainer der vergangenen 20 Jahre
Trainer | Amtszeit |
Giovanni Trapattoni | 01.07.1996 bis 30.06.1998 |
Ottmar Hitzfeld | 01.07.1998 bis 30.06.2004 |
Felix Magath | 01.07.2004 bis 31.01.2007 |
Ottmar Hitzfeld | 01.02.2007 bis 30.06.2008 |
Jürgen Klinsmann | 01.07.2008 bis 27.04.2009 |
Jupp Heynckes | 28.04.2009 bis 30.06.2009 |
Louis van Gaal | 01.07.2009 bis 09.04.2011 |
Andries Jonker | 10.04.2011 bis 30.06.2011 |
Jupp Heynckes | 01.07.2011 bis 30.06.2013 |
Pep Guardiola | 01.07.2013 bis 30.06.2016 |
Carlo Ancelotti | 01.07.2016 bis 28.09.2017 |
Willy Sagnol | 29.09.2017 bis 08.10.2017 |
Jupp Heynckes | seit 09.10.2017 |
Doch ist es ein trügerischer Rausch, in dem sich der Klub aktuell befindet. Heynckes hat das geschafft, was Ancelottis Auftrag gewesen war: das hohe Niveau der Mannschaft stabilisieren und halten. Das macht der 72-Jährige ohne Frage meisterlich, doch sollten für die Bayern all die Partien, die eben gewonnen werden, weil man den überlegenen Kader hat, nicht der Anspruch sein. Will man sich weiterentwickeln, will man dranbleiben an den großen Spaniern, an Guardiolas City, dann braucht es eine Vision. Es braucht Neues, es braucht einen Masterplan.
Hasenhüttl, Kovac, Nagelsmann - Trainerkandidaten mit Fragezeichen
Tuchel, dessen Art auch ein Grund war, warum Hoeneß mit seinem Einverständnis zögerte, wäre ein Coach gewesen, der eben diese Dinge mitbringt. Der die Ideen von Guardiola und Louis van Gaal weiterspinnen hätte können. Der Katalane und der Niederländer, die übrigens beide als keine einfachen Charaktere gelten, unter denen der FC Bayern in den letzten bestimmt zehn Jahren aber die größten Sprünge gemacht hat.
Für die Münchner sind das aber nur noch leere Gedankenspiele. Denn die - und das hat man an der Säbener Straße wohl auch spät erkannt - beste und zudem einzig frei verfügbare Alternative für die Thronfolge von Jupp Heynckes ist mittlerweile vergeben.
Und jetzt? Die Führung hat sich auf einen deutschsprachigen Kandidten festgelegt, was viele Kandidaten mit noch mehr Fragezeichen mit sich bringt. Ralph Hasenhüttl wäre jetzt wohl die logischste Wahl, wenn der sich nicht selbst vor Kurzem zu wenig internationale Erfahrung für den Rekordmeister attestiert hätte. Beim zu Saisonbeginn gehypten Julian Nagelsmann ist man in München mittlerweile zur Einsicht gekommen, dass das Amt als Bayern-Trainer für den 30-Jährigen noch eine Nummer zu groß ist. Für den sehr guten aber auch sehr unerfahrenen Trainer Niko Kovac spricht manches, mehr spricht aber gegen ihn.
Nun wird die bayerische Welt freilich nicht untergehen, egal, wer da im Sommer an der Säbener Straße vorgestellt wird. Es ist Kritik auf höchstem Niveau, der sich der FC Bayern ausgesetzt sieht - weil sich der Klub aber gerne auf selbigem sieht, muss er sich dem auch stellen. Denn ein jahrelanger Status Quo hilft den Ansprüchen des Rekordmeisters nicht weiter.
Das haben auch die Spieler in den vergangenen zwei Spielzeiten gemerkt. Anfang des Jahres sagte Jerome Boateng ganz offen, dass der FC Bayern in der Champions League "nicht mehr zu den Top-Favoriten" gehöre. Um in Zukunft diesen Status wieder innezuhaben, und zwar dauerhaft wie in den Jahren zuvor, muss der nächste Trainer die Mannschaft wieder auf ein anderes Niveau heben.
Einer, der das sicherlich gekonnt hätte, trainiert wohl bald in London. Oder Paris.