Mats Hummels wechselt für bis zu 38 Millionen Euro vom FC Bayern München zu Borussia Dortmund. Damit macht der FCB einen großen Fehler. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Nino Duit.
"Geht's eigentlich noch?", fragte der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, Karl-Heinz Rummenigge, irgendwann bei der legendären Pressebeschimpfungskonferenz im vergangenen Herbst. Es ging darum, dass die beiden vereinseigenen Innenverteidiger Jerome Boateng und Mats Hummels in der deutschen Öffentlichkeit laut Rummenigge als "Altherrenfußballer" dargestellt worden wären.
Damals war der FC Bayern gerade in eine sportliche Krise geschlittert und sowohl Boateng als auch Hummels - die sich in der Innenverteidigung an der Seite des jüngeren Niklas Süle abwechselten - kriselten nach der desaströsen Weltmeisterschaft mit der deutschen Nationalmannschaft etwas. An der Tabellenspitze zog unterdessen Borussia Dortmund davon.
Daran, dass der FC Bayern in der Rückrunde aber eine beeindruckende Aufholjagd startete und sich doch noch zum Meister krönte, hatte Hummels einen großen Anteil. Nach der Winterpause erkämpfte er sich den Stammplatz neben Süle und machte ausgerechnet beim wichtigsten auch sein bestes Spiel: beim 5:0-Sieg gegen den damaligen Tabellenführer Dortmund. Er köpfelte das 1:0 und glänzte ansonsten mit Übersicht, Spielintelligenz und nicht zuletzt mit Siegeswillen. Wie so oft in der Rückrunde.
Hummels-Wechsel: Sportlich unerklärlich, strategisch falsch
Und nun verkauft der FC Bayern Hummels trotz laufenden Vertrags bis 2021, also völlig ohne Not? Noch dazu an den größten Rivalen? Für eine Summe von angeblich maximal 38 Millionen Euro, die auf dem aktuellen Transfermarkt fast schon mickrig erscheint? Da stellt sich schon die Frage: Geht's eigentlich noch?
Klar, das Verhältnis zwischen Hummels und Trainer Niko Kovac ist bekanntlich nicht das beste und ihre Sicht auf den Fußball womöglich bis ziemlich sicher unterschiedlich. Doch gerade bei einem erfolgsgetriebenen Verein wie dem FC Bayern ist eine rege Diskussionskultur, sind meinungsstarke Spieler, eigentlich erforderlich. Gerade nach den Abschieden der erfahrenen Franck Ribery und Arjen Robben.
Klar, der Verein will sich erneuern und einen Umbruch vollziehen. Dass Hummels diesem zum jetzigen Zeitpunkt zum Opfer fällt, ist sportlich gesehen jedoch völlig unerklärlich und strategisch gesehen falsch. Trotz seiner 30 Jahre hätte Hummels den Verein zumindest bis zum Ende seiner Vertragslaufzeit weiterbringen können.
Ein Boateng-Abschied wäre sinnvoller (gewesen)
Anders als Boateng, sein langjähriger Partner in der Innenverteidigung, liegen Hummels' Stärken seit jeher eher im Bereich Spielverständnis als körperliche Dynamik. Sein Spiel leidet unter dem natürlichen Alterungsprozess weniger als Boatengs.
Strategisch gesehen viel sinnvoller wäre es also (gewesen), Boateng zu verkaufen. Anders als Hummels konnte er seinen sportlichen Abwärtstrend in Folge der WM nicht stoppen. Gegen Ende der Saison wirkte er außerdem nicht mehr wie ein Teil der Mannschaft, woraufhin ihm Präsident Uli Hoeneß mehr als deutlich empfahl, den FC Bayern zu verlassen.
Hummels hätte den Druck auf die Neuzugänge verringert
Sollte Boateng trotz des Hummels-Transfers ebenfalls gehen, würde der Verein Stand jetzt mit drei 23-jährigen, eher unerfahrenen Innenverteidigern in die neue Saison starten: neben Niklas Süle mit Benjamin Pavard und Lucas Hernandez, die eigentlich auch als Außenverteidiger-Backups eingeplant waren.
Die beiden französischen Weltmeister haben darüber hinaus jeweils eine schwierige Saison hinter sich. Pavard enttäuschte über weite Strecken, Hernandez fehlte lange verletzt. Beide sind zweifelsohne talentiert, wie schnell sie sich aber an das neue Umfeld in München gewöhnen, ist völlig unklar. Selbiges gilt natürlich auch für jeden weiteren potenziellen Neuzugang, wie den zuletzt gehandelten 19-jährige Ozan Kabak vom VfB Stuttgart.
Mit Hummels im Kader wäre der Druck auf die neuen (oder demnächst neuen) Verteidiger deutlich geringer gewesen, ihnen wäre mehr Anpassungs- und Entwicklungszeit geblieben. Rein sportlich gesehen hätte Hummels darüber hinaus weiterhin das Potenzial zum Stammspieler gehabt - was er fortan beim größten Rivalen abrufen wird.