Niko Kovac ist einer dieser Trainer, die dafür stehen, mit ihrer emotionalen Art Feuer in ihren Mannschaften zu entfachen. Mannschaften mitzureißen. Mannschaften zu Mentalitätsmonstern zu formen.
Dass ihm das beim FC Bayern anders als bei Eintracht Frankfurt nicht gelang, stellte sich spätestens am Samstag an seiner einstigen Wirkungsstätte heraus. Dort im Waldstadion wurde Kovac nicht nur von seinen alten Bekannten vorgeführt.
Aus Eintracht-Kreisen war nach der Partie zu vernehmen, ein Bayern-Spieler hätte vor dem Anpfiff erzählt, er und seine Kollegen würden sich schon seit einigen Wochen schwer tun, die Vorgaben ihres Trainers weiter umzusetzen.
Umso weniger überraschend folgte eine 1:5-Niederlage, die höchste in der Bundesliga seit zehn Jahren. Und tags darauf die einvernehmliche Trennung zwischen Kovac und den Münchnern.
Trennung von Kovac zeugt von gesundem Menschenverstand
Der Double-Trainer der vergangenen Saison selbst war es, der laut der Pressemitteilung des Rekordmeisters seinen Rücktritt anbot, obwohl die Granden des Vereins ursprünglich angedacht hatten, ihm mindestens noch die beiden Heimspiele gegen Olympiakos Piräus und Borussia Dortmund zu geben.
Der Schritt, auf eine Gnadenfrist zu verzichten und sich umgehend zu trennen, zeugt von gesundem Menschenverstand. Er ist alternativlos und zum Wohle aller Beteiligten, denn unter Kovacs Regie glich die Bayern-Familie zuletzt einem Pulverfass.
Daran war Kovac gewiss nicht allein schuld. An ihm haftete seit seinem Amtsantritt im Juli 2018 die Bürde, nicht der Wunschtrainer der Verantwortlichen gewesen zu sein. Besonders Karl-Heinz Rummenigge, der nach der misslungenen Charmeoffensive von Uli Hoeneß bei Jupp Heynckes den früheren BVB-Trainer Thomas Tuchel favorisiert hatte, ließ ihn das in Form von öffentlichen Rüffeln immer wieder spüren.
Hoeneß selbst verteidigte "den jungen Herrn Kovac" im Gegensatz zu Rummenigge zwar hin und wieder vor laufender Kamera, gebot der intern stetig wachsenden negativen Grundhaltung gegenüber dem 48-Jährigen aber ebenso wenig Einhalt. Unabhängig davon hat die suboptimale Kaderzusammenstellung mit nur einem klassischen Sechser auch Sportdirektor Hasan Salihamidzic zu verantworten. Und für die vielen Verletzungen in den vergangenen Wochen konnte niemand etwas.
Kovac machte sich das Leben selbst schwer
Gleichwohl machte sich Kovac das Leben an der Säbener Straße auch selbst schwer. Er hätte sich etwa auf eine offensivere Spielweise einlassen können, wie sie die meisten Spieler unter Jupp Heynckes oder Pep Guardiola gewohnt waren.
Er hätte sich in so manchem Interview klüger artikulieren können. Er hätte auch seinen Kader nach der 7:2-Gala gegen Tottenham Hotspur besser moderieren können, wie die Fälle Thomas Müller und Javi Martinez zeigten. Er hätte jüngeren Spielern wie Lars Lukas Mai oder Jann-Fiete Arp zumindest andeuten können, dass sie ihm nicht ganz egal sind.
Dieses Sammelsurium an Missgeschicken führte letztlich dazu, dass Kovac wie Carlo Ancelotti vor zwei Jahren seinen Feind im eigenen Bett hatte. Sei es Publikumsliebling Müller, der sich ausgerechnet dann über seine sporadischen Einsätze unter Kovac beschwerte, wenn ein Aufwärtstrend zu erkennen war.
Sei es Joshua Kimmich, der Dauermahner, der intern schon länger Trübsal bläst, weil er am liebsten immer im defensiven Mittelfeld statt auf der rechten Verteidigerposition spielen würde. Oder Manuel Neuer, wohlgemerkt der Kapitän, der schon nach dem Pokalspiel in Bochum zwischen den Zeilen Kovacs Beschwerde über die schwierigen Wetterbedingungen in Piräus kritisierte und nach dem Spiel in Frankfurt meinte, das Gezeigte sei "kein riesiges Wunder", sondern habe sich vielmehr "abgezeichnet".
Kovac wäre auch so keine langfristige Lösung gewesen
Wie soll ein Trainer eine Mannschaft führen und besser machen, die nicht bedingungslos hinter ihm steht?
Selbst wenn der FCB gegen Piräus und Dortmund eine Trotzreaktion gezeigt hätte, so wäre Kovac nicht die langfristige Lösung gewesen, um den stotternden Bayern-Motor wieder auf Hochtouren zu bringen.
Ein Neuanfang ist daher das Beste für alle Beteiligten. Auch wenn die Spieler gleichermaßen wie die Verantwortlichen fortan mehr denn je unter Beweis stellen müssen, dass das "Mia san mia" noch existiert.