Im Sommer 2009 wurde Lucio beim FC Bayern sein rechter Fuß zum Verhängnis.
Weil der damals neu gekommene Trainer Louis van Gaal der Meinung war, dass ein linker Innenverteidiger den Ball vorzugsweise auch mit dem linken Fuß spielen sollte, sah er keine Verwendung mehr für den Publikumsliebling und Weltmeister von 2002. Rechtsfuß Lucio hielt fortan die Abwehr von Inter Mailand beisammen und verzückte die Fans der Nerazzurri mit seinen langen, wilden Läufen in die Spitze. In München ging dafür der Stern des eigentlich beidfüßigen, fortan aber vor allem mit dem linken Fuß kickenden Holger Badstuber auf.
Elf Jahre später könnte für Lucas Hernandez, den Weltmeister von 2018 und mit Anstand teuersten Spieler der Bundesligageschichte, nun auch noch sein starker linker Fuß zum Problem werden beim FC Bayern.
FC Bayern: Linksfuß Hernandez wohl keine Alternative für Rechtsfuß Boateng
Trainer Hansi Flick hat seine Stamm-Viererkette paritätisch mit Links- und Rechtsfüßern besetzt: Linksfuß Alphonso Davies gibt als Linksverteidiger den stürmischen "Meep-Meep-Meep-Bayern-Roadrunner" (Copyright Thomas Müller), Linksfuß David Alaba hat sich als linker Innenverteidiger als Protagonist neu erfunden, Rechtsfuß Jerome Boatentg ist daneben plötzlich wieder wichtig und Benjamin Pavards rechter Fuß agiert ebenso zuverlässig wie der ganze Rechtsverteidiger-Weltmeister.
"Wenn eine Viererkette gut funktioniert und harmoniert, dann ist es so, dass man als Trainer erst einmal auf diese Sicherheit setzt", hatte Flick vor der Englischen Woche gesagt. Daran dürften auch die zwei Siege gegen Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund nichts verändert haben. Obwohl den Bayern die achte Meisterschaft in Serie kaum mehr zu nehmen ist, stehen die Signale auch vor dem nächstem Spiel gegen Fortuna Düsseldorf am Samstag (18.30 Uhr im LIVETICKER) nicht auf Rotation. Und sollten Boatengs muskuläre Probleme den Einsatz des 2014er-Weltmeisters verhindern, wäre der Weltmeister von 2018 eben auch nicht unbedingt der logische Ersatz: Dass Hansi Flick seine Viererkette mit drei Linksfüßen besetzt, ist nicht unmöglich, bedürfte aber doch tiefergreifender Änderungen in der Spielstatik.
Lucas Hernandez hat eigentlich nichts falsch gemacht
"Wir werden versuchen, Lucas immer die Möglichkeit zu geben, zu spielen", versprach Flick zwar seinem "Spieler mit viel Herz" auch, doch damit dürften wohl weitere mehr oder weniger lange Einsätze als Einwechselspieler gemeint gewesen sein. Fünf von insgesamt 693 Minuten waren es bei seinem 13. Bundesligaeinsatz in Dortmund, 17 beim zwölften gegen Frankfurt.
Hernandez hat eigentlich nichts falsch gemacht, seit er - schon schwer am Innenband verletzt - nach München wechselte, aber er hatte eben auch nicht nur Pech. Vielmehr ist er gewissermaßen ein doppeltes Opfer: erst eines total überdrehten Transfermarktes, dann seiner Verletzungen. Und ein wenig auch der Corona-Pandemie.
Der FC Bayern hatte sich 2019 ja anstecken lassen von der allgemeinen Fiebrigkeit auf dem Transfermarkt. Die Verantwortlichen hatten lange gebraucht, um sich mit den immer schwindelerregenderen Transfersummen anzufreunden, wollten dann aber unbedingt auch aufs immer schneller drehende Karussell aufsteigen. Bayern wollte einen Riesentransfer machen, koste es, was es wollte. Womit in Hernandez' Fall nicht einmal die im alten Arbeitspapier bei Atletico Madrid festgeschriebenen 80 Millionen Euro Ablöse gemeint sind, sondern die Tatsache, dass der mittlerweile 24-Jährige in München durch den Medizincheck fiel.
Lucas Hernandez verpasste gleich mal 178 Tage
Hernandez hatte bereits wegen einer Knieverletzung 16 Spiele für Atletico verpasst in der letzten Saison, als er Ende März nach München reiste, um seinen neuen Vertrag zu unterschreiben. Die Ärzte des Rekordmeisters entdeckten dann eine schweren Schaden am Innenband, durch eine Cortisonbehandlung soll das Band regelrecht durchlöchert gewesen sein. Der Kämpfer musste in den OP, Bayern verpflichtete ihn trotzdem. Sportdirektor Hasan Salihamidzic wollte vielleicht seinen großen Prestigetransfer. Andererseits ergab die Verpflichtung Sinn: Ein aggressiver, nie aufgebender, vielseitiger, laufstarker und wendiger Verteidiger mit guter Technik, als Links- und Innenverteidiger einsetzbar und gestählt unter der Anleitung des Blut-Schweiß-und-Tränen-Trainers Diego Simeone, schien perfekt zu passen zur Art des damaligen Trainers Niko Kovac, Fußball zu denken.
178 Tage dauerte es, bis Hernandez sein Debüt feiern durfte für Bayern. Er kam in eine Mannschaft voller Probleme, und kaum war er dabei, riss im Oktober das Innenband im Sprunggelenk, wieder fiel er drei Monate aus. Als Hernandez wieder spielen konnte, war Kovac längst Geschichte und hatte Hansi Flick nebenbei die gesamte Struktur des Bayernspiels auf links gedreht.
FC Bayern: Hernandez will sich in München durchsetzen
Vorne darf Thomas Müller wieder Thomas-Müller-Dinge machen, die Flügelspieler arbeiten gegen und mit dem Ball, im Mittelfeld dirigeren der Super-Energiker Joshua Kimmich und der Super-Stratege Thiago. Oder eben Leon Goretzka, neuerdings auch mit Super-Muckis ausgestattet. Und hinten erschuf Flick eine Viererkette, die spätestens nach der demnächst erwarteten Rückkehr von Niklas Süle auch bei der europäischen Konkurrenz Neid hervorrufen dürfte.
Ein wilder Kämpfer wie Hernandez scheint da nur noch bedingt - oder allenfalls für besondere Spiele - ins System zu passen. Viele Gelegenheiten, das Gegenteil zu beweisen, wird es in dieser Saison wohl auch nicht mehr geben. Weil die Form der Stammspieler nicht unter der Corona-Unterbrechung litt. Vor allem aber auch, weil die Champions League coronabedingt weiter pausiert.
Die Verpflichtung aber schon jetzt als komplettes Missverständnis einzuschätzen, wäre unfair. Dafür war Hernandez zu lange verletzt. Dafür ist diese Spielzeit coronabedingt einfach nicht richtig zu bewerten. Wie der Münchner Merkur und die tz berichteten, sollen die Bayern den Verteidiger zwar während der laufenden Gespräche mit Manchester City und Inter Mailand über die Transfers von Leroy Sane und Ivan Perisic als Tauschsubjekt ins Gespräch gebracht haben.
Unabhängig von der Belastbarkeit der Infos: Ohne Einwilligung des Spielers ginge ohnehin nichts. Und Hernandez soll sich, wie SPOX und Goal am Freitag zum wiederholten Mal aus dem Umfeld des Spielers erfuhren, dem Konkurrenzkampf stellen wollen. Hernandez wolle unbedingt zeigen, dass er noch eine wichtige Rolle für Bayern spielen kann, dass die 80 Millionen Euro Ablöse keine Fehlinvestition waren. Auch der Klub soll ihm signalisiert haben, trotz der durchwachsenen ersten Saison, weiter auf ihn zu zählen.
Lucas Hernandez im Steckbrief
geboren | 14. Februar 1996 in Marseille (Frankreich) |
Größe | 1,82 m |
Gewicht | 76 kg |
Position | Innenverteidiger, linker Verteidiger |
starker Fuß | links |
Stationen | Rayo Majadahonda Jugend, Atletico Madrid Jugend, Atletico Madrid, FC Bayern |