Eigentlich wollte der FC Bayern Sergino Dest als Backup für Benjamin Pavard verpflichten. Stattdessen kam kurz vor der Deadline Bouna Sarr von Olympique Marseille an die Isar. SPOX und Goal stellen den Franzosen vor.
Pathosschwangere Musik, ein symbolträchtiger Kuss aufs Wappen und die Worte: "Jetzt geht der Traum in Erfüllung." Das Vorstellungsvideo, das der FC Barcelona anlässlich der Unterschrift Sergino Dests veröffentlichte, wäre vermutlich so oder zumindest so ähnlich von der Medienabteilung des FC Bayern gedreht worden, hätte sich der US-Amerikaner für einen Wechsel nach München entschieden.
Tat er aber nicht. Dest, lange Zeit als Bayern-Wunschspieler für die Position des Rechtsverteidigers deklariert, zog es in die katalanische Mittelmeermetropole, zum spanischen FCB. Sollte die ewige Baustelle rechts hinten, die bis dato etatmäßig nur von Benjamin Pavard und aushilfsweise von Joshua Kimmich oder jüngst Chris Richards bearbeitet wurde, also abermals nicht ausreichend besetzt bleiben?
Es machte den Anschein, ehe die Verantwortlichen kurz vor Schließung des Transferfensters mit Bouna Sarr überraschenderweise eine recht unbekannte Alternative aus dem Hut zauberten.
"Wir haben ein Vorbereitungsspiel gegen sie absolviert. Ich habe ganz gut gespielt. Ihr Trainer schätzte meine Leistung und sagte mir, er wolle mich holen", verriet Sarr gegenüber RMC Sport. Daraufhin habe sich sein Berater zusammen mit Bayern-Vorstand Hasan Salihamidzic "um alles gekümmert".
Bouna Sarr: Vom Rechtsaußen in die Defensive
Sarr wurde in Lyon geboren und machte seine ersten fußballerischen Gehversuche beim FC Gerland. Im Alter von 13 Jahren heuerte das veranlagte Talent in der renommierten Nachwuchsabteilung von Olympique Lyon an, vier Spielzeiten später zog es Sarr nach Metz an die Mosel. Beim ehemaligen Klub von Bayern-Ikone Franck Ribery avancierte Sarr zum Profi, feierte als 19-Jähriger sein Debüt in der zweiten französischen Liga.
Vornehmlich als offensiver Außenbahnspieler aufgeboten, entwickelte sich Sarr schnell zum Stammspieler bei Les Grenats, trug ab 2012 gar die prestigeträchtige Nummer zehn auf dem Rücken. Nachdem der Traditionsverein zwischenzeitlich in die Drittklassigkeit abgerutscht war, marschierten Sarr und Co. in die Ligue 1 durch, wobei dem damaligen Youngster zwei Tore und drei Vorlagen in seinem ersten Beletage-Jahr gelangen.
2015 wechselte Sarr zu Olympique Marseille, musste sich aber besonders in seinen ersten beiden Jahren bei den Südfranzosen mit der Reservistenrolle begnügen. Zwar standen insgesamt 62 Pflichtspieleinsätze für Sarr zu Buche, in die Startelf schaffte es der dynamische Flügelflitzer jedoch nur selten.
Sein Status änderte sich, als Rudi Garcia, mittlerweile Coach bei Olympique Lyon, 2017 entschied, Sarr mit einer neuen Rolle zu betrauen. "Er hat bei Metz und Marseille lange als Rechtsaußen fungiert, dann hat Rudi Garcia ihn in der Defensive eingesetzt", sagt Benjamin Quarez, Frankreich-Korrespondent bei Goal.
Plötzlich mehrten sich die Spielminuten, Partien über die volle Distanz wurden unter Garcias Ägide eher Regel denn Ausnahme. Nachdem Garcia zum Ende der Saison 2018/19 bei Marseille aufgehört und Andre Villas-Boas die Geschicke übernommen hatte, gestaltete sich Sarrs Situation noch positiver.
Frankreich-Experte: "Marseille wird seinen Abgang schnell spüren"
Sarr habe in den vergangenen Monaten große Fortschritte gemacht, sei zum "Schlüsselspieler" geworden, berichtet Naim Beneddra von Goal Frankreich. "In seinen ersten Jahren bei Marseille wirkte er hektisch und nicht sonderlich konstant. Er hat sich aber nach und nach verbessert und sich einen Stammplatz erspielt."
Mit Blick auf Sarrs Stärken sagt Beneddra: "Er macht sehr viele Meter und betreibt einen großen Aufwand während des Spiels. Er hat an seiner Physis gearbeitet und sich im Zweikampf deutlich verbessert. Auch seine Hereingaben haben sich zum Positiven entwickelt, in der vergangenen Saison brachte er 75 Prozent seiner Flanken an den Mitspieler." Es sei nicht vermessen, zu behaupten, mit Sarr verliere die Ligue 1 einen der besten Außenverteidiger, erklärt Beneddra und schiebt nach: "Marseille wird seinen Abgang schnell spüren."
Salihamidzic hob nach offizieller Bekanntgabe des Transfers vor allem Sarrs Interpretation der Rolle hervor: "Bouna Sarr ist ein dynamischer Rechtsverteidiger, der sehr gut zu unserer Spielauffassung passt. Er wird uns auf einer wichtigen Position helfen", wurde Brazzo auf der vereinseigenen Homepage zitiert. "Sarr bringt mit seinen 28 Jahren Erfahrung und Stabilität ein." Außerdem glaube man, Sarr könne beim Rekordmeister noch einmal den nächsten Karriereschritt machen.
Und Sarr selbst? Der sagte: "Für mich geht ein Traum in Erfüllung." Zumindest diesbezüglich war Sergino Dest auch nicht kreativer.