Als Joshua Kimmich in der 34. Spielminute des Bundesliga-Topspiels seines FC Bayern München bei Borussia Dortmund auf dem Rasen des Signal Iduna Park lag, sich das rechte Knie hielt und vor Schmerzen weinte, musste man sofort an den heranwachsenden Kimmich denken. Und zwar aus zwei Gründen.
Erstens: Kimmich weinte, was er übereinstimmenden Erzählungen langjähriger Weggefährten zufolge als Kind und Jugendlicher äußerst regelmäßig tat. Zum Beispiel, wenn er ein Spiel verloren hat. Vielleicht auch, wenn mal ein Pass nicht perfekt angekommen ist.
Zweitens: Kimmich drohte eine Verletzung und das letzte (und bisher einzige) Mal in seiner Fußballerkarriere, dass er mit ernsthaften Verletzungsproblemen zu kämpfen hatte, war in seiner Jugendzeit beim VfB Stuttgart. Über drei Jahre plagte sich Kimmich damals mit einer Schambeinverletzung herum. "Ich hatte deswegen zeitweise die Sorge, gar nicht mehr schmerzfrei Fußball spielen zu können", erzählte er mal der SportBild.
Lange versuchte Kimmich die Verletzung schlicht zu ignorieren, erst nach seinem Wechsel zu RB Leipzig im Sommer 2013 wurde er zu einer Zwangspause bis zur vollständigen Ausheilung der Verletzung gezwungen. Seitdem verpasste Kimmich lediglich acht Pflichtspiele verletzt oder krank, seit seiner Ankunft beim FC Bayern 2015 sind es drei.
Joshua Kimmich ist der Spieler für die wichtigen Momente
Dass Trainer Hansi Flick nun auf Kimmich verzichten muss, ist also für alle Beteiligten eine neue Situation. "So ein Ausfall wäre für uns nicht ganz einfach wegzustecken", untertrieb Flick nach dem Abpfiff maßlos. Am Sonntag hatte er dann Gewissheit, auch wenn sich die schlimmsten Befürchtungen nicht bestätigten. "Wir sind froh, dass Joshua uns voraussichtlich in einigen Wochen wieder zur Verfügung stehen wird. Wir werden ihn bei seiner Reha bestmöglich unterstützen", sagte Bayern-Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Die zuletzt ohnehin schon wackelige Defensive des FC Bayern erhielt trotzdem nochmal eine entscheidende Schwächung.
Seit Flick Kimmich vor einem Jahr dessen großen Wunsch erfüllte und ihn von rechts hinten ins defensive Mittelfeld beorderte, ist er wegen seiner Ballsicherheit und Kampfstärke dort der absolute Schlüsselspieler - vor allem aber wegen seiner Mentalität. "Joshua ist ein absoluter Profi, ein Mentalitätsmonster, einfach immer im Spiel, gibt nie auf, treibt immer weiter an", lobte Flick nach dem 6:2-Sieg beim FC Salzburg.
Kimmich war zuletzt der Spieler für die wichtigen Momente: Er erzielte die Siegtore beim Meistertitel-vorentscheidenden Bundesligaspiel in Dortmund im Mai sowie beim deutschen Supercup im September und bereitete außerdem Kingsley Comans 1:0 im Champions-League-Finale gegen Paris Saint-Germain vor.
Als Typ ist Kimmich nicht zu ersetzen, wie kann Flick aber seinen Ausfall als Fußballer auffangen? Für die zwei Positionen im defensiven Mittelfeld in Flicks bewährtem 4-2-3-1-System kommen nun sechs Spieler in Frage.
Leon Goretzka und Corentin Tolisso: Die logischsten Vertreter
In dieser Saison fehlte Kimmich bisher lediglich zweimal. Beim 3:0-Sieg im DFB-Pokal gegen den 1. FC Düren weilte er bei der deutschen Nationalmannschaft, im defensiven Mittelfeld begannen Javi Martinez und Marc Roca. Beim 4:1-Sieg bei Arminia Bielefeld erwartete seine schwangere Freundin das zweite gemeinsame Kind, es liefen Leon Goretzka und Corentin Tolisso auf.
Hinsichtlich ihrer Klasse und Spielzeit in der bisherigen Saison wären Goretzka (646 Pflichtspielminuten) und Tolisso (660), der in Dortmund für Kimmich eingewechselt wurde, die logischsten Vertreter. Die logischste Lösung sind sie jedoch nicht.
Goretzka und Tolisso, die zuletzt beide angeschlagen fehlten, sind im Vergleich zu Kimmich andere, ähnliche Spielertypen: klassische Achter, Box-to-Box-Spieler wie man heutzutage sagt. Aus Gründen der Mannschaftsstatik wäre es also denkbar, dass Flick stets einem der beiden vertraut und ihm einen etwas defensiver orientierten Nebenmann zur Seite stellt.