Während der Dauerstreit zwischen Trainer Hansi Flick (56) und Sportvorstand Hasan Salihamidzic (44) weiter vor sich hin köchelt, wird immer deutlicher: Das Einzige, was den Trainer über das Saisonende hinaus noch beim FC Bayern München halten könnte, ist seine Mannschaft. Im historischen Kontext gesehen ist das durchaus brisant.
Als der FC Bayern München letztmals bei Paris Saint-Germain zu Gast war, da hatte Hansi Flick noch ganz andere Sorgen als die Teilnahme an einem Champions-League-Halbfinale und seine Beziehung zu einem Mann namens Hasan Salihamidzic.
Damals, im September 2017, hatte er nach insgesamt 22 Jahren gerade sein Sportgeschäft "Hansi Flick Sport und Freizeit" in seinem Heimatort Bammental (Rhein-Neckar-Kreis) geschlossen. Angetreten hatte er dagegen einen Posten als Geschäftsführer Sport bei der TSG Hoffenheim (ebenfalls Rhein-Neckar-Kreis), den er nach rund einem halben Jahr aber wieder aufgab.
Beim FC Bayern verlor ein Trainer unterdessen wie man so schön sagt seine Mannschaft. Wochenlang wurde schon gemunkelt über die vermeintliche Unzufriedenheit der Führungsspieler mit dem Betreuerstab um Meistertrainer Carlo Ancelotti (zu wenige Einheiten, zu viel Zigarettenqualm) und dann kam das Champions-League-Gruppenspiel bei PSG.
Ancelotti wollte ein sogenanntes Zeichen setzen und verbannte die angeblich kritischsten Führungsspieler Mats Hummels, Jerome Boateng, Franck Ribery und Arjen Robben aus der Startelf. Der Poker ging nicht auf: Nachdem Ancelotti die Mannschaft verloren hatte, verlor sie das Spiel mit 0:3 und der Trainer am nächsten Tag seinen Job.
Uli Hoeneß, heute Ehren- und damals noch richtiger Präsident, ließ sich warum auch immer ins Hit Radio FFH zuschalten und sagte dort ein paar fetzige Sätze, beispielsweise: "Du kannst als Trainer nicht deine prominentesten Spieler als Gegner haben. Ich habe in meinem Leben einen Spruch kennengelernt: 'Der Feind in deinem Bett ist der gefährlichste.' Deswegen mussten wir handeln." Die Spieler bekamen also ihren Willen, der Trainer musste gehen.
Flick und Salihamidzic: Im Stile einer Seifenoper
Und damit zurück zu Flick, der mit seiner Mannschaft die Bundesliga anführt, im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League gegen PSG am Dienstag (21 Uhr im LIVETICKER) das 2:3 aus dem Hinspiel aufholen muss und sich seit Monaten in einem mal öffentlich, mal eher verdeckt ausgetragenen Dauerstreit mit Sportvorstand Salihamidzic befindet.
Im Stile einer Reality-Seifenoper erscheinen aktuell regelmäßig neue Folgen zur zerrütteten Beziehung zwischen den beiden. Hier die neuesten Wendungen: Statt dem von Salihamidzic verpflichteten Alvaro Odriozola wollte Flick im vergangenen Winter offenbar einen bei Schachtar Donezk spielenden Brasilianer namens Dodo; Thiago und David Alaba sollen gegenüber Flick "mangelnden Respekt bei den Verhandlungen" mit Salihamidzic als hinderlichen Grund für Einigungen angeführt haben; Flicks "Halt's Maul"-Aussage soll sich im Vorfeld eines Bundesligaspiels bei Eintracht Frankfurt am 22. Spieltag zugetragen haben.
Aufgrund dieser und aller anderen Vorkommnisse erscheint eine gemeinsame Zukunft der beiden beim FC Bayern über das Saisonende hinaus trotz laufender Verträge bis 2023 immer unwahrscheinlicher. Flick selbst will sich über seine Beziehung zu Salihamidzic nicht mehr äußern. Bei Fragen danach sagt er neuerdings stets nur "nächste Frage" und wirkt mit jedem weiteren "nächste Frage" einen Tick genervter.
Hansi Flick und seine Beziehung zur Mannschaft
Hell wird Flicks Miene aktuell nur, wenn er über "meine Mannschaft" und sein Verhältnis zu ihr spricht und das tut er derzeit ziemlich viel und ziemlich gerne. Egal, ob er danach gefragt wird oder nicht. "Ich spüre, dass meine Mannschaft mir gegenüber absolut loyal ist", sagte Flick beispielsweise am Freitag. "Geil" nannte er sie sogar und es hat durchaus etwas zu bedeuten, wenn der sonst eher bedacht formulierende Flick tatsächlich das Wort "geil" ausspricht.
Die Loyalität zwischen Trainer und Mannschaft beruht auf Gegenseitigkeit. Wohl stellvertretend für seine Kollegen nannte Kapitän Manuel Neuer Flick nach dem 1:1 gegen Union Berlin am Wochenende "den richtigen Trainer für uns" und sagte: "Wir freuen uns, wenn es so weiter geht."
Tatsächlich gab es zwischen der Mannschaft und dem stets für seine Empathie gelobten Trainer seit seinem Amtsantritt im November 2019 keine bekannten Probleme und stattdessen nur gegenseitiges Lob. Oder, um es mit Hoeneß' Worten zu sagen: Eigentlich passt alles im Mannschafts-Bett, Flick-Feinde sind dort jedenfalls keine erkennbar - und davon war die Zukunft von Trainern des FC Bayern neben den unter Flick sowieso gegebenen sportlichen Erfolgen bisher meist abhängig.
Noch kein Spieler beklagte sich öffentlich über die Taktik, das Training, eine ungerechte Behandlung, Reservistendasein oder sonst etwas - nicht einmal Lucas Hernandez oder Alexander Nübel, die vermeintlichen Vorzeige-Personalien von Flicks Widersacher Salihamidzic. Das höchste der Gefühle sind in dieser Hinsicht Leihgeschäfts-Vorschläge von Nübels Berater Stefan Backs.
Bei all den zehrenden Querelen zwischen Flick und Salihamidzic bekommt man als Beobachter immer mehr den Eindruck: Das einzige, was Flick über das Saisonende hinaus noch beim FC Bayern halten könnte, ist seine Mannschaft.
Flick wirkt nicht siegesbesessen und öffentlichkeitsgeil wie manch andere Trainer, außerdem hat er mit dem Sextuple ohnehin schon alles gewonnen. Es scheint, als könnte er auf all die Begleiterscheinungen problemlos verzichten. Bis zum Alter von 54 Jahren kam er schließlich auch ganz hervorragend damit klar, sich um sein Sportgeschäft zu kümmern, Hoffenheim in der Regionalliga zu trainieren oder im Hintergrund als Co-Trainer und Sportdirektor beim DFB zu arbeiten. Nein, es ist vor allem das Verhältnis zu seiner Mannschaft, das ihn antreibt.
Der FC Bayern und seine mächtigen Führungsspieler
Das ist deshalb der Rede wert, weil es sich bei seinem Klub um den FC Bayern handelt - den Klub also, bei dem die Führungsspieler traditionell mächtig sind wie nirgendwo sonst und am Ende meistens den Trainer bekommen oder behalten, den sie wollen. Flicks Vorgänger Ancelotti und Niko Kovac wollte die aktuelle Mannschaft irgendwann nicht mehr, also mussten sie gehen. Stattdessen wollten sie immer mal wieder Jupp Heynckes, den sie auch alle paar Jahre bekamen.
Womöglich am eindrucksvollsten haben die Führungsspieler des FC Bayern ihre Macht aber 1979 bewiesen. Als der langjährige Präsident Wilhelm Neudecker damals den eher erfolglosen aber beliebten (und wie Flick vom Co- zum Interimstrainer beförderten) Pal Csernai durch den Disziplinfanatiker Max Merkel ersetzen wollte, ließ ihm Sepp Maier ausrichten: "Der Mannschaftsrat und ich als Kapitän möchten Ihnen übermitteln: Wenn am Montagmorgen ein neuer Trainer da ist, dann kommen wir nicht ins Training, dann streiken wir."
Die Konsequenz: Csernai blieb Trainer, Neudecker trat zurück - und im Zuge der Neustrukturierung der Führungsetage übernahm am Ende der Saison der damals erst 27-jährige Uli Hoeneß das Amt des Managers. Gemeinsam mit Trainer Csernai holte er in den ersten beiden Saisons jeweils den Meistertitel und folgt mit dieser Erfahrung im Hinterkopf bei seinen Entscheidungen seitdem meist der Meinung der Führungsspieler. Hauptsache es passt im Mannschafts-Bett!
Uli Hoeneß befindet sich in einem Interessenskonflikt
Auch wegen dieser Historie befindet sich Hoeneß, offiziell zwar nur mehr Ehrenpräsident aber weiterhin mächtiger Meinungsmacher im Hintergrund, nun in einem Interessenskonflikt: Der mittlerweile 69-Jährige gilt im Klub schließlich als größter Förderer von Flicks Widersacher Salihamidzic, die Führungsspieler aber stehen - unabhängig von der Personalie Salihamidzic - vollkommen hinter ihrem Trainer.
Was nun? Geäußert hat sich Hoeneß zu der Thematik in den letzten Tagen öffentlich nicht, Ende März sagte er als RTL-Experte lediglich, dass ein Abschied Flicks "gar kein Thema" sei. Der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge sprach sich mehrmals offensiv für einen Verbleib Flicks aus, sein designierter Nachfolger Oliver Kahn hält sich bisher bedeckt.
Sollte es am Saisonende aber letztlich zu einer Trennung kommen, könnten einige seiner geschätzten Spieler womöglich trotzdem weiterhin in den Genuss kommen, ihr - nun ja - Bett mit Flick teilen zu dürfen. Und zwar dann, wenn Flick Joachim Löw als Bundestrainer beerben würde. In dieser Rolle müsste sich Flick nicht mehr Salihamidzics Bett-Wunschbesetzung beugen, könnte sie sich stattdessen ganz alleine aussuchen und sogar Boateng einladen, der den FC Bayern im Sommer verlassen muss.
FC Bayern München: Die restlichen Termine im Überblick
Wettbewerb | Datum | Gegner | Ort |
Champions League | 13.04. | PSG | A |
Bundesliga | 17.04. | VfL Wolfsburg | A |
Bundesliga | 20.04. | Bayer Leverkusen | H |
Bundesliga | 24.04. | FSV Mainz 05 | A |
Bundesliga | 08.05. | Borussia Mönchengladbach | H |
Bundesliga | 15.05. | SC Freiburg | A |
Bundesliga | 22.05 | FC Augsburg | H |
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