Vor etwas mehr als 15 Jahren gelang dem FC Bayern München und seinem damaligen Manager Uli Hoeneß ein Transfer, der die Geschichte des Klubs für immer verändern sollte. Franck Ribéry kam im Sommer 2007 von Olympique Marseille. Es war ein Coup, der lange auf der Kippe stand, Hoeneß am Ende gar den Führerschein kostete - und dem FCB eine der Vereinsikonen des neuen Jahrtausends bescherte, die heute Ihre Karriere endgültig beendete.
Eigentlich ist Uli Hoeneß kein Mann für die ganz verückten Dinge. Zumindest auf dem Transfermarkt. Dort - und diese Devise hat er beim FC Bayern München bis heute an seine Nachfolger Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn weitergegeben - werden die ganz großen Risiken und Summen vermieden.
"Ich bin nur kalkurlierbare Risiken eingegangen", sagte er rückblickend beim preisgekrönten Podcast 11 Leben, der das Wirken des Bayern-Machers in 17 Episoden mit einem großen abschließenden Interview beleuchtet (Hier gibt es alle Folgen gratis). Manchmal aber, so zumindest sagte es Hoeneß dort, habe ihn "fast so ein Jagdfieber" gepackt, "wenn ich mich mal an so einem Spieler festgefressen habe. Dann habe ich auch mal Dinge gemacht, die ziemlich unvernünftig waren".
Auf der Suche nach einem Beispiel nannte er sofort den Namen Franck Ribéry. "Da war ich so überzeugt", sagte der heute 69-Jährige und erzählte von diesem "Jagdfieber", das ihn in einem für den FC Bayern im Nachhinein betrachtet geschichtsträchtigen Sommer 2007 wieder einmal gepackt hatte.
Damals hatten sich die Machtverhältnisse im deutschen Fußball urplötzlich und sehr zum Missfallen von Hoeneß radikal verändert. "Seine" Bayern hatten die Saison 2006/07 nur auf Platz vier abgeschlossen, Meister war der VfB Stuttgart geworden. Und die Bayern? Die mussten sich tatsächlich mit dem UEFA Cup anstelle der Champions League begnügen. "Cup der Verlierer" (Franz Beckenbauer) statt das große Geld der Königsklasse. Selters statt Sekt. Pappe statt Schale.
FC Bayern - Hoeneß: Berater? "Hätte ihn umbringen können"
Um die Macht zumindest im deutschen Fußball zurückzuerobern, öffnete Hoeneß also im Sommer 2007 die Schatzschatulle des Rekordmeisters - im Münchner Sprachgebrauch auch "Festgeldkonto" genannt. Der Blick von Hoeneß ging ins Ausland, auf der Suche nach Spielern, die den FCB wieder zum Branchenprimus machen konnten. Zunächst wanderte er nach Italien, wo Luca Toni bei der Fiorentina spielte. Den Weltmeister-Stürmer holte Hoeneß als ersten Hochkaräter für rund elf Millionen Euro.
Anschließend wanderte sein Blick nach Westen, genauer gesagt nach Frankreich, wo ein junger Flügelspieler, der 2006 schon bei der WM in Deutschland groß aufgespielt hatte, soeben aus seiner zweiten starken Saison bei Olympique Marseille kam: Franck Ribéry.
"Da gab es einen deutschen Berater, der hat uns gesagt: 'Ihr könnt den für 15 bis 20 Millionen haben.' Daraufhin sind Karl Hopfner (damaliger Geschäftsführer, Anm. d. Red.) und ich in einem Privatjet ganz aufgeregt nach Paris geflogen", erzählte Hoeneß. Das Ziel sei der 20. Stock eines Hotels gewesen, die Suite eines gewissen Pape Diouf, von 2005 bis 2009 Präsident von Marseille.
Bis zu 20.000 Euro soll das laut Hoeneß gekostet haben. Aber so ist das, wenn einen das "Jagdfieber" packt. Da macht selbst ein Uli Hoeneß "Dinge, die ziemlich unvernünftig" sind. Den durchschlagenden Erfolg brachte die Audienz beim Herrscher von Marseille aber nicht. Im Gegenteil.
"Er hat uns gefragt, ob wir einen Kaffee trinken wollen. Karl Hopfner und ich hatten vereinbart, dass ich mal anfange und ich sagte: 'Wir könnten uns 15 und mit Prämien ein bisschen mehr vorstellen'", führte Hoeneß weiter aus. Sein erstes Angebot für den begehrten Ribéry entlockte Diouf jedoch nur ein müdes Lächeln.
"Meine Herren, ich glaube, das ist ein Missverständnis. Unter 30 Millionen geben wir den Spieler nicht her", soll Diouf, der im März des vergangenen Jahres an einer Corona-Infektion im Alter von 68 Jahren verstarb, Hoeneß und Hopfner entgegnet haben.
"Wir haben uns angeschaut und ich dachte an den Berater. Ich hätte ihn umbringen können. Dann habe ich gefragt, ob wir den Kaffee noch austrinken dürfen und danach sind wir nach Hause geflogen", sagte Hoeneß über seine Reaktion. Kaum eine Viertelstunde später hätten sie die Suite wieder verlassen.
imago imagesHoeneß holt Ribéry - und verliert seinen Führerschein
Ganz so schnell wollte Hoeneß jedoch nicht aufgeben. Zurück in München habe er dann härtere Bandagen angelegt und außerdem einen ehemaligen und einen noch aktiven Bayern-Spieler um Hilfe gebeten.
"Ich habe den Bixente Lizarazu und den Willy Sagnol angerufen, die den Spieler kannten", sagte Hoeneß: "Ich habe dann so Druck gemacht, dass Franck am Ende zu Marseille gesagt hat: 'Entweder ihr lasst mich jetzt zu Bayern gehen oder ich bleibe hier.'"
Hoeneß habe gewusst, dass es um die Finanzen des Ligue-1-Klubs damals nicht gut bestellt war und Marseille das Geld aus einem Ribéry-Transfer in jenem Sommer dringend benötigte: "Und dann habe ich ihn, glaube ich, für gute 20 Millionen gekriegt."
Nachdem der Deal eingetütet war, sei Hoeneß "so euphorisch" gewesen, dass er "in der Leopoldstraße zu schnell gefahren" sei. Die Konsequenz: Er bezahlte den Ribéry-Transfer nicht nur mit "gut 20 Millionen" (heute wird die Ablöse auf 30 Mio. Euro geschätzt), sondern auch mit einem Führerscheinentzug für einen Monat.
Ribéry wird beim FC Bayern dank "Vater" Hoeneß zur Ikone
Bereut haben dürfte Hoeneß sowohl die damalige Rekordablöse (erst Javi Martinez soll 2012 teurer gewesen sein) als auch den temporären Verlust der Fahrerlaubnis nicht. Ribéry blieb - wenn auch von dem ein oder anderen Skandal begleitet - zwölf Jahre lang beim FCB und hat sich dort einen Platz unter den besten und wichtigsten Spielern des neuen Jahrtausends gesichert. Auch dank ihm wurde der FC Bayern im deutschen Fußball wieder das Maß aller Dinge und holte 2013 das Triple.
In seinen zwölf Jahren an der Isar war Ribéry in 425 Pflichtspielen an 306 Toren direkt beteiligt (124 Tore, 182 Vorlagen). Und als 2019 die Zeit des Abschieds gekommen war, dachte der Franzose nur an einen Mann beim FC Bayern: Uli Hoeneß.
"Diesen Mann werde ich in meinem Leben niemals vergessen", sagte Ribéry nach seinem Weggang vom Rekordmeister in einem Interview mit der Deutschen Welle: "Er war immer für mich da, hat immer mit mir geredet, mich aufgebaut. Er war für mich wie ein Vater. Wir haben eine 'relation speciale'."
Dass dem so ist, bestätigte auch der heutige Ehrenpräsident des FCB gleich mehrfach - und am eindrucksvollsten bei Ribérys letztem Heimspiel für die Bayern am 18. Mai 2019. Als der Franzose in der 61. Minute für Kingsley Coman eingewechselt wurde, weinte Hoeneß auf der Tribüne. Auch für Ribérys kongenialen Partner Arjen Robben, für den das Kapitel Bayern München an jenem Tag ebenfalls geschlossen wurde, vergoss er Tränen.
Und Ribéry? Der machte sich und seinem Präsidenten das beste Abschiedsgeschenk: Sein letztes Tor im letzten Heimspiel für den FCB. Eine besondere Beziehung hatte Ribéry nicht nur mit Hoeneß, sondern mit dem Fußball allgemein. In einem emotionalen Video beendete er diese Beziehung nun aufgrund von Knieproblemen endgültig. "Der Ball ruht. Die Gefühle in mir aber nicht", schrieb Ribéry zum Abschied. Der FC Bayern antwortete auf sein Posting mit den Worten: "Unsere Legende. Für immer." Eine "relation speciale" eben.
FC Bayern München: Franck Ribérys Leistungsdaten
Wettbewerb | Spiele | Tore | Torvorlagen |
Bundesliga | 273 | 86 | 120 |
Champions League | 87 | 18 | 28 |
DFB-Pokal | 43 | 12 | 25 |