Seit einigen Jahren drängt der FC Bayern München aktiv in den chinesischen Markt. In Shanghai gibt es mittlerweile ein Büro, in Qingdao eine Fußballschule, in Wuhan einen Kooperationspartner - und am Campus in München neuerdings einen chinesischen Keeper.
Man schrieb das Jahr 2017 und der damalige Präsident des FC Bayern München Uli Hoeneß hatte eine Vision. "Meine Idee ist", verkündete Hoeneß bei einer Galaveranstaltung in Liechtenstein: "Irgendwann wird ein Chinese beim FC Bayern spielen. Und wenn dieser Chinese bei uns spielt, wird der eine irre Nachfrage erzielen. Wenn wir am Samstag wahrscheinlich um zwei Uhr spielen, damit in Shanghai oder Peking in Primetime live übertragen werden kann, drücken 300 Millionen Chinesen auf ihr iPhone und zahlen je einen Euro. Dann können sie sich vorstellen, wo es hingeht."
Knapp fünf Jahre später hat der FC Bayern nun tatsächlich seinen ersten Chinesen verpflichtet: Liu Shaoziyang, 18 Jahre alt, Keeper, Vertrag bis 2025. Dass wegen ihm aber 300 Millionen Chinesen für einen Euro auf ihr iPhone drücken, darf zumindest bezweifelt werden. Zunächst mal muss geklärt werden, für welche Mannschaft er überhaupt spielen darf.
Als Nicht-EU-Ausländer ist Shaoziyang für die Reserve in der Regionalliga Bayern nicht spielberechtigt. Ausnahmen gibt es diesbezüglich lediglich für Spieler aus ausgewählten Ländern wie den USA, Kanada, Japan oder Südkorea. Deshalb durften einst beispielsweise Alphonso Davies, Chris Richards und Woo-yeong Jeong für die Münchner Zweitvertretung auflaufen. Für Shaoziyang kämen theoretisch somit nur Einsätze für die U19, für die Profimannschaft oder eine Leihe zu einem anderen Klub in Frage.
Shaoziyang wohnt schon seit Sommer im Internat am FC Bayern Campus. Er trainierte hauptsächlich mit der U19 und absolvierte viele Extraeinheiten mit dem Ex-Keeper und jetzigen Nachwuchstorwart-Koordinator Tom Starke. "Für mich ist Tom der beste Torwarttrainer und eine große Bezugsperson. Er hilft mir überall: Egal, ob auf oder neben dem Platz", sagt Shaoziyang.
FC Bayern München: Gründe für die Kooperation mit Wuhan
Verpflichtet wurde Shaoziyang vom Kooperationspartner FC Wuhan Three Towns. Hierzulande war die Zusammenarbeit zwischen den beiden Klubs bisher kaum bekannt, abgeschlossen wurde sie ohne großes öffentliches Aufheben aber bereits im Sommer 2020. Damals spielte das erst 2013 gegründete Wuhan noch in der dritten Liga, in der Zwischenzeit marschierte der Klub dank zweier Aufstiege bis in die chinesische Super League durch.
Für die Kooperation ausgewählt wurde Wuhan nicht wegen der Profimannschaft, sondern wegen des Fokus auf die Nachwuchsarbeit. "Das Ziele lautet, gemeinsam Spieler auszubilden. Im Fall Liu ist dies bisher sehr gut gelungen. Weitere Spieler sollen folgen", sagt Matthias Brosamer zu SPOX und GOAL.
Der 39-jährige ehemalige Jugendtrainer des SC Freiburg trägt den klingenden Titel Head of Sports Asia FC Bayern. Gemeinsam mit seinem Team im Shanghai-Büro und dem Campus-Leiter Jochen Sauer betreut Brosamer die Kooperation von Seiten des FC Bayern. Vor Ort in China geht es nicht nur um Spieler-, sondern auch um Trainerausbildung. "Wuhan selbst profitiert also von unserem Know-How", sagt Brosamer.
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FC Bayern mit Dallas-Kooperation "sehr zufrieden"
Für den FC Bayern ist Wuhan nach dem FC Dallas aus der US-amerikanischen MLS der zweite internationale Kooperationspartner. "Für uns geht es bei beiden Kooperationen darum, einen Partnerklub in unseren beiden Kern-Märkten USA und China aufweisen zu können", sagt Sauer zu SPOX und GOAL. "Der FC Dallas war beim Start der Partnerschaft bereits auf einem anderen sportlichen Level, aber beide Vereine zeichnet ihre hervorragende Jugendarbeit aus. Deswegen haben wir uns auch für diese beiden Klubs entschieden und uns nicht daran orientiert, ob sie im Profibereich erfolgreich sind."
Mit der seit Anfang 2018 bestehenden Dallas-Kooperation ist Sauer "sehr zufrieden", zwei von dort gekommene Spieler hinterließen beim FC Bayern bereits nachhaltigen Eindruck. Der Defensivallrounder Chris Richards (21) schaffte es zu einigen Einsätzen für die Münchner Profimannschaft und spielt aktuell per Leihe bei der TSG Hoffenheim. Der erst 18-jährige Innenverteidiger Justin Che überzeugte in der vergangenen Rückrunde für die Münchner Reservemannschaft. Aktuell spielt er für Dallas in der MLS, langfristig soll er aber zum FC Bayern zurückkehren.
gettyFC Bayern München hat seit 2016 ein Büro in Shanghai
Um die Erschließung des US-amerikanischen Marktes voranzutreiben, installierte der FC Bayern im Zuge einer Vorbereitungsreise der Profimannschaft bereits 2014 ein Büro in New York. Im darauffolgenden Sommer reiste der Tross nach China, 2016 folgte schließlich die Eröffnung der Niederlassung in Shanghai.
Seitdem baut der FC Bayern sein Engagement in China sukzessive aus. Noch im gleichen Jahr wurde im etwas nördlich von Shanghai gelegenen Qingdao eine Fußballschule eingerichtet, diese dient eher der Förderung des Breitensports und der Bekanntmachung des FC Bayern vor Ort. In Shenzhen und Shanxi entstehen aktuell ähnliche Einrichtungen, ihre Eröffnungen haben sich wegen der Corona-Pandemie aber verzögert. Eine vierte ist bereits in Planung.
Mit seinem Drängen in den chinesischen Markt ist der FC Bayern aber nicht alleine, etliche andere europäischen Topklubs gehen diesbezüglich ähnlich vor. Alle hoffen sie auf die Entdeckung des ersten chinesischen Topstars, der einen Fußbalhype im mit fast 1,4 Milliarden Einwohnern bevölkerungsreichsten Land der Welt auslöst.
Abgesehen von diesem Traum geht es den Klubs um generelle Präsenz vor Ort, wodurch der Verkauf von Fanartikeln und die Social-Media-Gefolgschaft erhöht werden soll. Die Website des FC Bayern gibt es jedenfalls schon auf Chinesisch. Dort lächelt einem aktuell der neue Keeper Liu Shaoziyang entgegen.