ÖFB-Ziel Paul Wanner vom FC Bayern München: Die Weiterentwicklung von Mesut Özil

Von Justin Kraft
Paul Wanner im Trikot des FC Bayern München
© getty

Am Freitag tauchte mit Paul Wanner eine Überraschung im von Ralf Rangnick nominierten Kader für Österreichs "Trainingslehrgang für Perspektivspieler". Der 16-Jährige zählt zu den größten Talenten des FC Bayern und kickt eigentlich in der U18 des DFB.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Im Anschluss zum Länderspiellehrgang des Nationalteams versammelt Teamchef Ralf Rangnick im kroatischen Pula österreichische Talente für einen Lehrgang für Perspektivspieler, wie der ÖFB am Freitag vermeldete. Dort will sich Rangnick von Nachwuchstalenten wie Yusuf Demir (Galatasaray), Dijon Kameri (Red Bull Salzburg) oder Moritz Wels (Sturm Graz) einen Eindruck verschaffen.

Überraschend mit dabei: Paul Wanner vom FC Bayern. Der 16-Jährige absolvierte in der laufenden Saison bereits zwei Champions-League-Partien für die Münchner und ist schon länger auf dem Radar des ÖFB. Wanner wurde in Dornbirn geboren und besitzt die österreichische und deutsche Staatsbürgerschaft. Aktuell läuft er für die U18-Nationalmannschaft Deutschlands auf.

Schon im Februar machte ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel sein Interesse an Wanner öffentlich. "Wir sind im vergangenen Spätsommer auf Paul Wanner aufmerksam geworden. Die Erstkontaktaufnahme mit Pauls Management fand über Oliver Lederer statt, der als zuständiger Teamchef des Jahrgangs 2005 das große Interesse des ÖFB an Paul deponiert hat. Ich stehe ebenfalls mit dem Umfeld von Paul in Kontakt, wir kennen seine genaue Situation", so Schöttel damals zu laola1.

Schöttel weiter: "Er ist in Deutschland aufgewachsen und vonseiten des DFB gibt es ein großes Interesse, dass er für Deutschland spielt. Aber natürlich ist er auch für uns ein extrem interessanter Spieler, die Dynamik seiner Entwicklung hat alle überrascht."

Damals wurden die Chancen des ÖFB als gering eingeschätzt. "Ich weiß, dass Paul große Ziele hat, mit Bayern alles gewinnen und auch Weltmeister werden möchte", sagte Schöttel und führte aus: "Auf Paul prasselt im Moment als junger Spieler viel ein. Mir geht es vor allem darum, dass alles seriös abläuft. Aber ich muss meinen Job machen." Nun nimmt der offensive Mittelfeldspieler überraschend am österreichischen "Trainingslehrgang für Perspektivspieler" teil.

Paul Wanner: Jüngster Spieler in der Bayern-Geschichte

Wanners Bundesliga-Debüt im Alter von 16 Jahren und 15 Tagen machte ihn zum jüngsten Spieler in der Geschichte des FC Bayern München - und der Zufall half dabei gehörig mit: Wanner wurde Anfang Jänner 2022 gemeinsam mit Arijon Ibrahimovic extra für die Partie gegen Borussia Mönchengladbach (1:2) eingeflogen, weil der Kader der Münchner durch viele Coronafälle stark ausgedünnt war.

Warum ausgerechnet er gegen Mönchengladbach eingewechselt wurde, zeigte Wanner direkt mit seinem ersten Ballkontakt: Auf der rechten Außenbahn bekam er einen Ball von Benjamin Pavard zugespielt, kontrollierte diesen und ging sofort ins Dribbling gegen zwei gestandene Bundesliga-Spieler - erfolgreich.

Wanner schwamm nicht einfach nur mit, sondern machte den Eindruck, die müde wirkenden Bayern wiederbeleben zu können. Er bot sich aktiv an, forderte Bälle und leitete sogar einen Angriff ein, den Thomas Müller und Robert Lewandowski beinahe zum 2:2-Ausgleich verwertet hätten.

Eine Szene, die seine verschiedenen Qualitäten unter Beweis stellte: Erst eroberte er im Pressing den Ball, dann blieb er aber ruhig, ließ mit Manu Kone einen Gladbacher an sich vorbeilaufen und spielte dann im richtigen Augenblick einen gut dosierten Pass in die Tiefe. Diese Handlungsschnelligkeit beeindruckte auch seinen Trainer bei der U17-Nationalmannschaft. "Er verfügt über eine sehr enge und dynamische Ballführung, mit der er Spielsituationen total verändern kann", sagte Trainer Marc-Patrick Meister damals zu SPOX und GOAL.

Bayern-Talent Paul Wanner: Mesut Özils Nachfolger?

16-wanner_600x347

"Unten kann er alles", analysierte Julian Nagelsmann nach dem Gladbachspiel und bezog sich damit auf die fußballerischen Qualitäten Wanners. Schon am nächsten Spieltag gegen den 1. FC Köln (4:0) belohnte er ihn mit einem weiteren Kurzeinsatz und auch gegen Hertha BSC (4:1) sammelte der Teenager als Joker Spielpraxis. Die Fähigkeit, mit wenigen Ballkontakten den Spielverlauf entscheidend zu beeinflussen, weckt Erinnerungen an Mesut Özil, der in Deutschland immer kontrovers diskutiert wurde.

Unbestritten ist allerdings, dass Özil nicht nur viele Tore, sondern auch viele Großchancen mit phänomenalen Pässen und Dribblings eingeleitet hat. In diesem Bereich ähnelt Wanner dem ehemaligen Nationalspieler. Wenn er den Ball bekommt, sofort in die richtige Richtung aufdreht und anschließend innerhalb weniger Bruchteile einer Sekunde eine gute Entscheidung trifft, ist er Özil in den Bewegungsabläufen recht ähnlich. Vor allem die Gedankenschnelligkeit bei gleichzeitig sauberer Durchführung der Bewegungsabläufe ist eine Parallele.

Beim DFB hat Wanner bereits 15 Spiele für die U17 und U18 absolviert, in denen er vier Tore beisteuerte. Meister ist vor allem vom Mut des jungen Offensivspielers begeistert. Jener Mut, mit dem Wanner auch bei den Profis sofort so aufspielte, als sei es ein normales U19-Spiel am Campus des FC Bayern München.

Peters: "Viele Talente gesehen, die es nicht schafften"

"Paul ist ein sehr flinker Offensivspieler, der bei uns im Mittelfeld bereits auf allen Offensiv-Positionen gespielt hat", so Coach Meister. Das könnte ihm auch beim FC Bayern noch sehr weiterhelfen. Denn eigentlich hat der 16-Jährige seine großen Stärken im Zentrum. Auf der Zehnerposition oder in den Halbräumen fühlt Wanner sich wohl. Dort kann er Angriffe einleiten und bei Bedarf selbst aus der Tiefe in den Strafraum ziehen.

Dass er aber auch auf der Außenbahn spielen kann, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass er den nachhaltigen Sprung in den Profikader trotz großer Konkurrenz schafft. Dafür muss aber noch einiges passieren. Jemand, der sich mit der Entwicklung von Talenten besonders gut auskennt, ist Bernhard Peters. 2006 sollte Peters auf Wunsch von Jürgen Klinsmann Sportdirektor beim DFB und somit Teil der großen Reformation des deutschen Fußballs werden. Im Hockey hatte er sich sowohl als Jugendtrainer als auch im Herrenbereich einen Namen gemacht, wurde dort mehrfach Weltmeister.

Seine Perspektive war und ist bis heute im Fußball sehr gefragt. Auch wenn es 2006 mit dem DFB nicht klappte, war er für den Verband in der Vorbereitung auf die EM 2008 beratend tätig. Außerdem arbeitete er für den Hamburger SV und die TSG Hoffenheim, wo er als Entdecker von Julian Nagelsmann gilt.

Zu SPOX und GOAL sagte Peters: "Vom Talent bis zum Top-Spieler ist es ein sehr, sehr weiter Weg. Ich habe viele Talente gesehen, bei denen es noch jede Menge zu entwickeln galt." Dabei bezieht sich Peters vor allem auf die Persönlichkeitsentwicklung. Viele junge Spieler, die in den U16- und U18-Bereichen sportlich herausstachen, hätten es nicht geschafft, "weil sie nicht den notwendigen Willen hatten, an sich zu arbeiten, um auf die nächste Ebene zu kommen."

Wanner verlängerte Bayern-Vertrag bis 2027

Dass es für den 16-Jährigen auf diesem Weg nicht immer nur bergauf gehen wird und dass gerade relativ viel auf ihn zukommt, weiß auch sein damaliger U17-Trainer beim DFB: Es sei klar, "dass Spieler in diesem Alter in kürzester Zeit mit Dingen konfrontiert werden, für die andere mehr Zeit haben, diese zu begreifen." Mit den zum Teil neuen Rahmenbedingungen umzugehen, sei nicht so einfach.

Sein Vertrag in München läuft bis Sommer 2027. Dabei sagte Wanner vor dem Sommer unter anderem Borussia Dortmund ab und wurde dafür mit Champions-League-Einsätzen belohnt. Unter Nagelsmann durfte er 20 Minuten beim Auswärtsspiel gegen Viktoria Pilsen und 14 Minuten beim Heimspiel gegen Inter Mailand ran und löste mit 16 Jahren und 293 Tagen Mathys Tel (17 Jahre, 139 Tage) als jüngsten FCB-Spieler der Champions-League-Historie ab.

Nun wird nicht nur Wanners großes Talent diskutiert, sondern die Frage: Welche Nation erhält den Zuschlag? Deutschland oder Österreich?