Ron-Thorben Hoffmann wechselte vom FC Bayern München zum AFC Sunderland und lebte dort mehrere Monate lang seinen Traum. Schicksalsschläge im Januar und Februar ließen diesen aber schnell platzen. Das ist die Geschichte hinter seinem Absturz.
"Ich liebe die Bayern, aber ich will spielen, und das regelmäßig und auf hohem Niveau." Das schrieb Ron-Thorben Hoffmann in seiner ersten kicker-Kolumne im Oktober. Einige Monate später muss er schon wieder Abschied nehmen. Sein großer Traum, sich beim AFC Sunderland durchzusetzen, ist geplatzt.
Dabei lief zunächst alles nach Plan. 23 Spiele absolvierte der Torwart in der englischen League One, neunmal spielte er zu Null, zwei Punkte holte das Team mit ihm durchschnittlich pro Partie und in der Tabelle sah alles gut aus.
Dann aber schlug das Schicksal zu und warf Hoffmann aus der Bahn. Das Team rutschte ab, der Aufstieg war in Gefahr und die Bayern-Leihgabe verlor ihren Stammplatz - und muss sich im Sommer abermals neu orientieren.
FC Bayern München: Hoffmann wechselt in letzter Sekunde auf die Insel
Doch erstmal alles auf Anfang: In seiner ersten Kolumne für das Fachmagazin blickte Hoffmann auf seine Entscheidung zurück, die bayerische Landeshauptstadt zu verlassen.
Es ist damals ein Last-Minute-Deal, der ihn auf die Insel bringt. Beim FC Bayern München verlängert der heute 23-Jährige seinen Vertrag noch bis 2023, um sich anschließend zum AFC Sunderland verleihen zu lassen.
Kurz vor dem Ende der Frist, als Foto-Shootings, ein erstes Interview und alle Formalitäten bereits geklärt sind, sitzt er mit seinem Berater in einem Raum und vernetzt sich regelmäßig mit Anwälten und Managern. Dann aber, um 23.12 Uhr, ist es vollbracht: "Ich unterschreibe meinen Vertrag beim AFC Sunderland!"
Für den Torwart ist es ein riesiger Traum, der in Erfüllung geht. Von seinem ersten Pflichtspieleinsatz schwärmt der Deutsche regelrecht. "Das ist Bier, nicht Schampus, das ist englischer Fußball und nicht Champions League", schreibt er: "Das sind so viele und so echte Emotionen, und ich weiß genau in diesem Moment: Ich hab's richtig gemacht."
AFC Sunderland und Ron-Thorben Hoffmann: Start nach Maß
Hoffmann startet überragend in die Saison, zeigt mehrere starke Leistungen, mit denen er sein Team in einer sehr engen und ausgeglichenen Liga auf Kurs hält. Mehrere Expertinnen und Experten sehen ihn schon früh in der Saison als Top-Transfer des Teams. Mit seinen Qualitäten scheint er dort genau richtig aufgehoben zu sein. Der englische Fußball ist schnell, dynamisch, hat sich zunehmend auch taktisch sehr gut entwickelt. Gerade in der League One geht es oftmals aber Schlag auf Schlag.
Schon bei den Bayern, wo er häufig für die Zweitvertretung in der dritten Liga im Tor stand, zeichnete er sich dadurch aus, dass er vieles ganz gut kann. Im Tor ist er ein Allrounder und das kommt ihm in England zugute.
Das Kalenderjahr beendet der AFC Sunderland an der Tabellenspitze und dementsprechend resümiert Hoffmann damals: "Ich bin mit meinen ersten Monaten auf der Insel durchaus zufrieden." Je länger er in England ist, desto mehr merkt man ihm an, dass er unbedingt bleiben möchte.
Noch im Dezember sagt er im Gespräch mit TheAthletic: "Ich will mit dieser Mannschaft aufsteigen und langfristig hier bleiben. Das ist für mich ganz klar." Dieses Vorhaben ist eng an den Erfolg geknüpft - und an seine Spielzeit. Steigt Sunderland auf und steht Hoffmann 25-mal im Tor, greift eine gemeinsame Kaufoption. Nach 23 Einsätzen sieht Anfang des Jahres noch alles gut aus. Zwei Spiele fehlen ihm, um die Hälfte der Vereinbarung zu erfüllen - doch dann kommt alles anders.
Corona wirft Hoffmann weit zurück
Hoffmann wird kein Spiel mehr für Sunderland absolvieren. Angesichts seiner guten Leistungen kommt dieser Schritt überraschend. Doch im Januar und Februar ist viel passiert. Zunächst infiziert sich der Torwart mit dem Coronavirus. Er und seine Familie haben trotz Boosterimpfung mit starken Symptomen zu kämpfen. Nach sieben Tagen in Quarantäne und einem weiteren positiven Test kann er sich am neunten Tag frei testen und spielen. Zu früh?
"Mir geht es nicht gut, ich verspüre ein Ziehen in der Brust und mein Energielevel ist komplett down", beschreibt er im kicker seine Gefühlslage nach dem Einsatz. Trotzdem macht er weiter, liefert sogar gute Leistungen ab. Am 30. Spieltag kommt es aber zum "großen Crash", wie es Hoffmann selbst beschreibt.
Gegen die Bolton Wanderers setzt es eine derbe 0:6-Niederlage. Trainer Lee Johnson, der den gebürtigen Rostocker auf die Insel lotste, wird entlassen. Währenddessen geht es Hoffmann immer schlechter. "Kurzatmigkeit, Schwindelanfälle, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen und Schüttelfrost haben sich zu den bestehenden Symptomen dazugesellt", schreibt er.
imago imagesAFC Sunderland steigt auf und trennt sich von Hoffmann
Einige Tage später lässt der damals 22-Jährige sich in München untersuchen. Mitte Februar fühlt er sich wieder fit. In der Tabelle ist der AFC Sunderland auf Platz sieben abgerutscht. Der neue Trainer Alex Neil vertraut indes nicht mehr auf ihn. Anthony Patterson hat dem Deutschen den Rang abgelaufen.
"Trotz starker Leistungen gibt es für mich gegenwärtig keine Chance, zurück ins Tor zu kommen", stellt Hoffmann damals ernüchtert fest. Und diese Prognose sollte sich bewahrheiten. Obwohl er sich kaum nennenswerte Fehler erlaubt hat, muss er dabei zusehen, wie das Team ohne ihn in die Play-offs einzieht und dort aufsteigt - vor einer gigantischen Kulisse im Wembley-Stadion.
Die Entscheidung ist da aber schon längst gefallen: Der Torwart wird im Sommer zunächst zum FC Bayern zurückkehren. Die verrückten Monate im Januar und Februar haben ihn die Festanstellung gekostet. Dementsprechend wehmütig blickt der Deutsche in seiner vorerst letzten Kolumne für den kicker auch auf seinen Abschied: An den berühmten Satz der deutschen Torwartlegende Hans Tilkowski nach dem verlorenen Endspiel bei der WM 1966 habe er denken müssen. "Wir haben heute 2:2 verloren", sagte dieser nach dem berühmten Wembley-Tor.
FC Bayern München: Keine Zukunft für Hoffmann
Als Verlierer sieht Hoffmann sich aber nicht. "Wir haben als Mannschaft unter wirklich schwierigen Rahmenbedingungen unser Saisonziel erreicht", schreibt er: "Und dazu habe ich mit knapp der Hälfte der eingefahrenen Punkte einen wichtigen Beitrag geleistet."
Es ist offen, wohin es ihn zieht. In München hat er nach Informationen von SPOX und GOAL keine Zukunft mehr. Im Umfeld des Campus traut man ihm Zweitliganiveau zu - und dort sieht er sich auch selbst.
"Mein Ziel ist es, eine wirkliche fußballerische Heimat zu finden. Das kann gut bei einem ambitionierten Zweitligisten sein", schreibt Hoffmann. Ob in Deutschland, England oder ganz woanders, lässt er offen. Sein Traum als Nummer eins vom AFC Sunderland ist zunächst geplatzt. In seinen 23 Einsätzen konnte er aber durchaus Werbung für sich machen. An Interessenten dürfte es dementsprechend nicht mangeln.